# taz.de -- Leichte Sprache: „Wer AfD wählt, wählt gegen uns“ | |
> Im Februar 2025 wird in Deutschland gewählt. Wahrscheinlich wird die | |
> Partei AfD bei der Wahl stärker. Was bedeutet das für Menschen mit | |
> Behinderung? | |
Bild: Was ist für die AfD normal? Menschen mit Behinderung sorgen sich | |
Im Februar 2025 wird eine neue deutsche Regierung gewählt. | |
Wahrscheinlich wird die Partei AfD die zweitstärkste Partei werden bei | |
dieser Wahl. | |
Was bedeutet das? | |
Und was bedeutet es für Menschen mit Behinderung? | |
Viele Menschen haben Angst vor einer AfD-Regierung. | |
Auch Menschen mit Behinderung. | |
Aber viele von ihnen haben das Gefühl: | |
Sie werden mit dieser Angst nicht ernst genommen. | |
## Angst vor der Politik der AfD | |
Sarah Baumgart lebt in Freiburg. | |
Dort ist sie die Behinderten·beauftragte der Stadt. | |
Sie beobachtet die Politik der Partei AfD schon lange. | |
Und das macht ihr Angst. | |
AfD ist die Abkürzung für: Alternative für Deutschland. | |
Fach·leute sagen: | |
Die Partei ist rechts·extrem. | |
Das bedeutet: | |
Rechts·extreme Menschen glauben: | |
Manche Menschen sind mehr wert als andere. | |
Darum sollten sie unterschiedliche Rechte haben. | |
2018 stellte die AfD eine Anfrage an die deutsche Regierung. | |
An dieser Anfrage konnte man sehen: | |
Die Partei ist rassistisch und ableistisch. | |
Was bedeuten diese beiden Wörter? | |
Rassistisch bedeutet: | |
Rassistische Menschen glauben: | |
Es gibt verschiedene Menschen. | |
Und verschiedene Menschen sind verschieden viel wert. | |
Darum sollten sie auch verschieden viele Rechte haben. | |
Aber das stimmt nicht. | |
Alle Menschen haben die·selben Rechte. | |
Ableistisch ist ein anderes Wort für behinderten·feindlich. | |
Ableistische Menschen finden: | |
Menschen mit Behinderung sind weniger wert als Menschen ohne Behinderung. | |
Im Mai 2024 sitzt die Freiburger Behinderten·beauftragte Sarah Baumgart auf | |
einer Bühne. | |
Sie spricht über ihre Ängste. | |
Sie sagt: Als behinderter Mensch braucht sie Unterstützung. | |
Das bedeutet: | |
Sie braucht Hilfs·mittel. | |
Sie braucht barriere·freie Arzt·praxen. | |
Sie lebt mit Assistenz. Und das macht sie verletzlich. | |
Denn es bedeutet: | |
Ohne diese Unterstützung könnte sie nicht leben. | |
Und es bedeutet auch: | |
Man müsste sie nicht verschleppen und umbringen, um sie zu töten. | |
Aber man könnte ihr die Unterstützung verweigern. | |
Auch das würde zu ihrem Tod führen. | |
Rechts·extremismus ist für Menschen mit Behinderung also besonders | |
gefährlich. | |
Lebens·gefährlich. | |
Das konnte man schon in der Nazi·zeit sehen. | |
In den Jahren 1933 bis 1945 wurden mehr als 200 Tausend Menschen mit | |
Behinderung von den Nazis ermordet. | |
Sarah Baumgart sagt: | |
In den letzten Jahren gab es neue Gesetze in Deutschland. | |
Diese Gesetze schränken ihr Leben ein. | |
Sie behindern sie. | |
Darum ist diese Politik eine Gefahr für ihr Leben. | |
Mehr Gewalt gegen Menschen mit Behinderung | |
Die Politik der AfD bringt also die Leben von Menschen mit Behinderung in | |
Gefahr. | |
Aber noch etwas verändert sich durch diese Politik: | |
Das Denken und das Zusammen·leben der Menschen. | |
Seit einigen Jahren gibt es immer mehr ableistische Gewalt·taten. | |
Also Gewalt, die sich gegen Menschen mit Behinderung richtet. | |
Das passiert an vielen Orten. | |
Und daran merkt man: | |
Ableismus ist Behinderten·feindlichkeit. | |
Aber es ist noch mehr. | |
Es geht um die Frage: | |
Was halten Menschen für normal? | |
Und für immer mehr Menschen ist die Antwort: | |
Behinderung ist nicht normal. | |
Und das führt zu Ausgrenzung. | |
Zu Benachteiligung. | |
Und immer öfter zu Gewalt. | |
Ableismus kann viele verschiedene Formen haben: | |
Einen unfreundlichen Blick. | |
Ein Schimpf·wort. | |
Ableismus kann töten. | |
Zum Beispiel am 28. April 2021: | |
An diesem Tag ermordete eine Pflege·helferin 4 Menschen mit Behinderungen. | |
Und sie verletzte eine weitere Person schwer. | |
Das passierte im Potsdamer Oberlin·haus. | |
Im Juli 2021 ertranken 12 Menschen mit Behinderungen in einer | |
Wohn·einrichtung durch Hoch·wasser. | |
Trotz der Vor·warnung wurde den Menschen nicht geholfen. | |
Das passierte in Ahrweiler. | |
Am 27. Mai 2024 wurde eine Wohn·einrichtung für behinderte Menschen | |
angegriffen. | |
Ein Stein wurde durch ein Fenster geworfen. | |
Auf dem Stein stand: „Euthanasie ist die Lösung“. | |
Das bedeutet: | |
Eine Person hat den Stein in das Fenster der Wohn·einrichtung geworfen. | |
Und die Person findet die Morde an kranken und behinderten Menschen in der | |
Nazi·zeit gut. | |
Die Person findet: | |
Menschen mit Behinderung sollten auch heute wieder ermordet werden. | |
Das passierte in Mönchengladbach. | |
Was ist normal? | |
Das Thema Normalität spielt für die AfD eine große Rolle. | |
2021 haben sie Wahl·kampf gemacht mit dem Motto | |
„Deutschland. Aber normal“. | |
Auf den Plakaten konnte man klar sehen: | |
Was bedeutet Normalität für die AfD? | |
Es bedeutet für die AfD: | |
Weiße, nicht behinderte Menschen. | |
Andere Dinge zeigen die Plakate nicht: | |
Behinderung. | |
Homosexualität. | |
Also zum Beispiel, dass 2 Männer als Paar zusammen·leben. | |
Oder Vielfalt. | |
Die AfD sagt durch solche Plakate: | |
Alles andere ist nicht normal. | |
Alles andere ist seltsam. | |
Maximilian Krah ist Mitglied der Partei AfD. | |
Er hat über die Tages·schau in Einfacher Sprache gesprochen. | |
Und er sagt: | |
Es sind „Nachrichten für Idioten“. | |
Das ist Ableismus. | |
Es wertet Menschen mit Lern·schwierigkeiten ab. | |
Und Maximilian Krah benutzt dafür ein Wort aus der Nazi·zeit. | |
Viele Menschen haben sich danach zu Wort gemeldet. | |
In einer Erklärung schreiben sie: | |
Die AfD grenzt Menschen aus. | |
Ihre Art zu denken und zu sprechen ist „verletzend und gefährlich“. | |
Sie warnen vor Ausgrenzung. | |
Vor einer Ausgrenzung der Menschen, die nicht in das Welt·bild der AfD | |
passen. | |
Feindbild Inklusion | |
Michael Zander ist Professor. | |
Das heißt: | |
Er unterrichtet an einer Uni in Magdeburg. | |
Sein Fach sind Disability Studies. | |
Also Studien über das Thema Behinderung. | |
Er beschäftigt sich mit dem Blick der AfD auf Inklusion. | |
Er sagt: | |
Die AfD will bestimmen, was normal ist. | |
Und das soll dann am wichtigsten sein. | |
Alles andere soll bekämpft werden. | |
Zum Beispiel Inklusion in der Schule. | |
Für die AfD ist Inklusion nicht normal. | |
Björn Höcke ist der Vorsitzende der AfD in Thüringen. | |
Er hat in einem Interview über Inklusion in der Schule gesprochen. | |
Er sagt: | |
Inklusion in der Schule muss beendet werden. | |
Er glaubt: | |
Behinderte Schüler*innen bremsen Schüler*innen ohne Behinderung | |
beim Lernen aus. | |
Darum ist er gegen den gemeinsamen Unterricht von Schüler*innen mit und | |
ohne Behinderung. | |
Nicht ernst genommen | |
Christin Jung ist Mutter. | |
Ihre Tochter Ida ist 10 Jahre alt und hat eine Behinderung. | |
Björn Höcke findet also: | |
Ida ist für Schüler*innen ohne Behinderung ein Hindernis. | |
Christin Jung sagt: | |
„Ich finde das ganz gruselig, sowas zu hören.“ | |
Und: Christin Jung hat zu diesem Thema eine andere Meinung als Björn Höcke. | |
Sie sagt: | |
Alle Kinder haben Vorteile vom gemeinsamen Unterricht. | |
Zusammen mit ihrer Tochter und ihrem Mann lebt Christin Jung in Chemnitz. | |
Sie hat Zukunfts·ängste. | |
Und sie sagt: | |
Viele Menschen kennen diese Zukunfts·ängste nicht. | |
Sie sagt: | |
Viele Menschen wissen: | |
Die Partei AfD ist gegen Ausländer*innen. | |
Aber sie wissen nicht: | |
Wer die AfD wählt, der wählt gegen Menschen mit Behinderung. | |
Und für Ausgrenzung. | |
Darum hat Christin Jung Angst um die Zukunft ihrer Tochter Ida. | |
Sie will nicht aufgeben. | |
Aber sie sagt auch: „Wir brauchen Unterstützung. Und wenn wir die nicht | |
bekommen, wird es hart.“ | |
Viele Freund*innen von Familie Jung finden diese Ängste übertrieben. | |
Manche sagen: | |
Das wird nicht wieder wie zur Nazi·zeit. | |
Sie nehmen die Gefahr nicht ernst. | |
Die Stimmung verändert sich | |
René Schaar arbeitet für den Fernseh·sender NDR. | |
Dort ist er für das Thema Vielfalt zuständig. | |
René Schaar lebt mit einer Behinderung. | |
Mit einer Schul·klasse hat René Schaar ein früheres Konzentrations·lager | |
aus der Nazi·zeit besucht. | |
In Konzentrations·lagern haben die Nazis viele Menschen ermordet. | |
Jüdische Menschen. | |
Menschen mit Behinderung.Menschen mit einer anderen politischen Meinung. | |
Und viele andere. | |
René Schaar erklärt: | |
Diese Menschen wurden von den Nazis aussortiert. | |
Sie wurden in Konzentrations·lager gebracht. | |
Und sie wurden dort ermordet. | |
Als Kind hat René Schaar zum ersten Mal davon erfahren. | |
Er war damals sehr überfordert. | |
Er hat erkannt: | |
Er selbst hätte in der Zeit auch getötet werden können. | |
René Schaar hat ein Video vom Besuch im Konzentrations·lager bei Instagram | |
geteilt. | |
Dazu schreibt er: | |
„Menschen mit Behinderungen und anderen Gruppen heute Teilhabe zu | |
verwehren, ist der Anfang vom Ende.“ | |
Damit meint er: | |
Damals wurden Menschen aussortiert und ermordet. | |
Auch heute wollen manche Menschen wieder entscheiden: | |
Menschen mit Behinderung gehören nicht dazu. | |
Sie sollen wieder aussortiert werden. | |
Und René Schaar findet: | |
Das ist der Anfang vom Ende. | |
So fühlt es sich auch für die Freiburger Behinderten·beauftragte Sarah | |
Baumgart an. | |
Sie sagt: | |
Vor 10 Jahren waren viele Menschen offen für Inklusion. | |
Inklusion wurde mit Geld gefördert. | |
Und es gab neue Gesetze. | |
In der Corona-Zeit hat sich das verändert. | |
Viele inklusive Angebote gab es plötzlich nicht mehr. | |
Sarah Baumgart sagt: | |
„Menschen mit Behinderungen wurden unsichtbar. | |
Auch ich.“ | |
In der Corona-Zeit war Sarah Baumgart viel alleine. | |
Sie hat viel Zeit zu Hause verbracht. | |
Danach ging sie nach langer Zeit wieder in die Stadt. | |
Und sie hat gemerkt: | |
Das Verhalten der Menschen hat sich verändert. | |
Sie beschreibt es so: | |
„Die Leute standen mir im Weg. | |
Sie kamen gar nicht mehr zurecht mit meinem Elektro·rollstuhl. | |
Sie quetschten sich noch schnell vor mir in den Aufzug. | |
„Vor allem bemerkt Sarah Baumgart den Unterschied beim Bahn·fahren. | |
Die Leute denken weniger mit. | |
Sie nehmen weniger Rücksicht auf Menschen mit Behinderung. | |
Und Sarah Baumgart sagt: | |
Das ist bis heute so geblieben. | |
Eine Sache macht Sarah Baumgart besonders Angst: | |
Sie wird nicht ernst genommen. | |
Menschen ohne Behinderung lachen über ihre Warnungen und Ängste. | |
Oder sie denken: | |
Menschen mit Behinderungen wollen sich nur wichtig machen. | |
Aber Sarah Baumgart ist klar: | |
Die AfD ist gegen Inklusion. | |
Die Partei will nicht, dass Menschen mit Behinderung selbst·bestimmt leben. | |
Für die AfD gibt es keine Gleich·behandlung. | |
Das beschreibt Sarah Baumgart in Freiburg auf der Bühne so: | |
„Man kann mein Leben einschränken. | |
Nach und nach. | |
Ganz langsam. | |
Bis es nicht mehr auszuhalten ist. | |
Man kann Gesetze ändern. | |
Man kann Gelder streichen. | |
Man kann meine Versorgung verschlechtern. | |
Man kann mir meine Selbst·bestimmung nehmen. | |
Meine Assistenz. | |
Meine Hilfs·mittel. | |
Und die Medizin, die ich brauche. | |
Bis ich sterbe.“ | |
_____________________________ | |
Diesen Text hat Mareice Kaiser geschrieben. | |
Er wurde in der Zeitung taz veröffentlicht. | |
[1][Hier kann man den Text in schwerer Sprache lesen]. | |
Den Text in Leichter Sprache haben 3 Frauen zusammen erarbeitet. | |
Die Übersetzerin Anne Leichtfuß. | |
Und 2 Prüferinnen für Leichte Sprache. | |
Sie sind beide Frauen mit Down-Syndrom. | |
Eine der beiden Prüferinnen ist Natalie Dedreux. | |
Die andere der beiden Prüferinnen hat entschieden: | |
Sie möchte nicht, dass ihr Name unter diesem Text steht. | |
Sie fand die Arbeit an diesem Text wichtig. Aber: | |
Sie hat Angst. | |
Vor der Politik der Partei AfD. | |
Vor ableistischen Menschen und Meinungen. | |
Und vor der veränderten Stimmung in ihrer Umgebung und in ihrem Alltag. | |
Darum möchte sie ihren Namen hier nicht nennen. | |
So fühlt sie sich sicherer. | |
13 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Menschen-mit-Behinderung/!6027886 | |
## AUTOREN | |
Mareice Kaiser | |
## TAGS | |
Leichte Sprache | |
Björn Höcke | |
Schwerpunkt AfD | |
Ableismus | |
Inklusion | |
Menschenrechte | |
Schwer mehrfach normal | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Magdeburg | |
Kolumne Der rechte Rand | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Wahlen in Ostdeutschland 2024 | |
Ableismus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wählen für Menschen mit Behinderung: Sollen Egemen und Achmad weg? | |
Mein Sohn hat eine geistige Behinderung. Damit er wählen kann, müssten | |
Formulierungen gefunden werden, die sich auf seine Lebenswirklichkeit | |
beziehen. | |
Teilhabe und Leichte Sprache: Das schwierige Mitmischen in der Politik | |
In Deutschland brauchen ungefähr 14 Millionen Menschen Einfache oder | |
Leichte Sprache, um sich politisch zu informieren. Wie kann das klappen? | |
Anschlag in Magdeburg: „Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“ | |
Der Magdeburger Linken-Politiker Robert Fietzke war bis kurz vor dem | |
Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt. Es sei „unfassbar“, dass nun Nazis | |
aufmarschieren. | |
Strategie der Rechtsextremen: Wie die AfD die CDU ersetzen will | |
Derzeit greift die AfD vor allem das links-grüne Milieu an. Bei den | |
langfristigen und grundsätzlichen Themen zielt sie auf das konservative | |
Milieu. | |
taz Talk mit Susan Arndt: „Wer AfD wählt, ist ein Nazi“ | |
Die Literaturwissenschaftlerin Susan Arndt ist in Magdeburg aufgewachsen. | |
Sie erklärt, warum die AfD kein spezifisch ostdeutsches Problem ist. | |
Arne Semsrott über Widerstand gegen AfD: „Die AfD wäre Seehofer auf Speed“ | |
Arne Semsrott von Frag den Staat hat eine Anleitung zum Widerstand | |
geschrieben, falls die AfD an die Macht kommt. Über Preppen von links und | |
Beamte. | |
Menschen mit Behinderung: „Wer AfD wählt, wählt gegen uns“ | |
Zu den Menschen, die Angst vor einer AfD-Regierung haben, zählen auch | |
Menschen mit Behinderung. Ernst genommen fühlen sie sich damit nicht. |