# taz.de -- Pro und Contra Letzte Generation: Ist die Letzte Generation geschei… | |
> Neu ausrichten und umbenennen – das ist das Projekt 2025 der Letzten | |
> Generation. War die Gruppierung also erfolglos? Ein Pro und Kontra. | |
Bild: Was bleibt von der Letzten Generation? Handabdruck einer bei Protesten in… | |
Ja | |
Der Abschied der Letzten Generation von ihrem Namen und ihren bisherigen | |
Aktionsformen ist kein Grund zur Schadenfreude. Das Anliegen der | |
Klimaaktivist*innen bleibt ja richtig, wird noch wichtiger und es | |
bleibt zu hoffen, dass ihre Sprecherin Carla Hinrichs recht behält: „Wenn | |
wir erfolgreich sind, wird alles, was wir gemacht haben, sicher irgendwann | |
als friedliche Revolution bezeichnet werden.“ Aber es hilft nichts, die | |
Lage schönzureden. Für das Klima und seine aktiven Schützer*innen sind | |
die Aussichten heute noch schlechter als vor Beginn der Protestaktionen. | |
Als die Letzte Generation mit ihren Straßenblockaden und | |
Flugfeldbesetzungen begann, war ihr erklärtes Ziel, die Gesellschaft | |
wachzurütteln und die Regierung zu wirksamen Klimaschutzmaßnahmen zu | |
bewegen. Das hat sie nicht nur nicht geschafft. Es ist noch schlimmer: | |
Gesellschaft und Politik haben sich zwar bewegt, aber leider in die falsche | |
Richtung. Das Engagement für Klimaschutz hat nachgelassen. | |
Schuld daran ist natürlich nicht die Letzte Generation. Das zu behaupten | |
wäre absurd, so wie [1][ihre Kriminalisierung] heillos übertrieben war. | |
Schuld sind die Bequemlichkeit der Massen, die Macht der fossilen Lobby und | |
das Versagen der Politik. Kriege und Krisen kamen erschwerend hinzu, weil | |
sie vom Klima abgelenkt haben. Aber zur Ehrlichkeit gehört, dass die Letzte | |
Generation nicht nur an den bösen Gegenkräften gescheitert ist, sondern | |
auch mit ihrem Konzept. Es ging nach hinten los. | |
Statt neue Sympathien für die Klimabewegung zu wecken, haben die | |
Störaktionen zu neuen Abwehrreflexen geführt. Statt den Fokus auf mächtige | |
Verantwortliche zu lenken, verärgerten sie vor allem Autofahrer*innen, | |
die sich pauschal und moralisch angegriffen fühlten, obwohl viele nur so | |
zur Arbeit kommen können, weil auf ihrem Arbeitsweg kein Bus fährt. Noch | |
sinnloser waren die Anschläge auf unschuldige Kunstwerke in Museen, die | |
auch bei Gutwilligsten auf Unverständnis stießen. Aufmerksamkeit ist kein | |
Wert für sich. Motivieren wäre besser als sabotieren. In einer Demokratie | |
muss man die Mehrheit überzeugen. Die teilweise aggressiven Aktionen der | |
Letzten Generation und der dystopische Name haben das Gegenteil bewirkt. | |
Gut, dass jetzt hoffentlich etwas Neues beginnt. Lukas Wallraff | |
Nein | |
Die Letzte Generation ist nicht gescheitert. Im Gegenteil. Sie ist die | |
erfolgreichste, weil prägendste Klimaschutzbewegung der letzten Jahre. | |
Die Letzte Generation hat genervt und polarisiert. Sie hat das Thema | |
hochgehalten, als der äußerst sympathisch-jugendlichen Latschbewegung | |
Fridays for Future die Luft ausgegangen ist. Sie hat demonstriert, dass | |
politischer Protest häufig mehr bieten muss als höfliche Bitten um Wandel. | |
Dass es Leidenschaft braucht, körperlichen Einsatz bis zur Selbstaufgabe, | |
der gerade weil er von einer Mehrheit nicht verstanden werden will, allein | |
durch die Propaganda der Tat verdeutlicht, dass es hier ums Eingemachte | |
geht. | |
Selbstverständlich hat die Letzte Generation nicht den Klimawandel | |
gestoppt; und das pure Querstellen als Aktionsform ist inzwischen | |
offensichtlich längst ausgelutscht. Aber wer die Latte an politische | |
Bewegungen so hoch legt, dass sie erst nach der Revolution als erfolgreich | |
bezeichnet werden können, kann gleich einpacken. | |
Politische Bewegungen wirken immer auf gleich mehreren Ebenen. Eine der | |
wichtigsten, die häufig übersehen wird, ist die nach innen. Die Prägung der | |
Aktivist:innen selbst, aus denen eine Kraft erwachsen kann, die | |
jahrzehntelang nachwirkt. Die ist wichtig für die unweigerlich weiter | |
anstehenden Kämpfe. | |
Meist ist es der größtmögliche Erfolg, wenn es einer Bewegung gelingt, | |
Missstände sichtbar zu machen. Und darin waren die | |
Straßenblockierer:innen meisterlich. Sie haben aufgezeigt, dass es | |
neben dem Klimawandel ein viel größeres Problem gibt: die | |
Verweigerungshaltung der bundesrepublikanischen Mehrheit, über notwendig | |
fundamentale Änderungen überhaupt nur nachzudenken. | |
Das kann nicht einmal die Aktivist:innen erfreuen. Aber es präzisiert | |
die Aufgabe für alle Klimaproteste, die noch kommen werden – unter welchem | |
Label und in welcher Aktionsform auch immer. | |
Wer das nicht sehen möchte, weil Bewegung so unbequem ist, kann gern auf | |
dem Sofa sitzen bleiben und den Weltuntergang live im TV verfolgen. Der | |
kleine Rest der anderen wird [2][ein paar Apfelbäumchen pflanzen]. Mitten | |
auf einer Autobahn wäre ein angemessener Platz dafür. Gereon Asmuth | |
20 Dec 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Klimaaktivistinnen-vor-Gericht/!5918021 | |
[2] https://grimo.bandcamp.com/track/apfelbaum-eine-klimapredigt | |
## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
Gereon Asmuth | |
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