# taz.de -- Besetzung der Galeries Lafayette: Aktion auf der falschen Seite | |
> Die Besetzung des Ex-Kaufhauses in Berlin-Mitte durch Mitarbeitende | |
> der Landesbibliothek ist sympathisch. Aber es fehlt die radikale | |
> Perspektive. | |
Bild: Wollen kann man viel: Schaufenster des Ex-Lafayette an der belanglosen Fr… | |
Eines vorab: Die Galeries Lafayette an der Berliner Friedrichstraße wären | |
der perfekte Ort für eine große Bibliothek. Die Weiten des [1][seit dem | |
Sommer leerstehende einstigen Luxuskaufhauses] schreien gerade danach, mit | |
Regalen und Büchern gefüllt zu werden. Und dann mit Leser:innen, die dort | |
schlendern, blättern, studieren. Lesen! Das größte Problem scheint hier nur | |
die Frage, wer denn all die schweren Bücherkisten dahin schleppen soll. | |
Diese Erkenntnis dürften alle mitgenommen haben, die den einst | |
prestigeträchtigen Glaskasten in Berlins Mitte am Donnerstag besucht haben. | |
Das ist das große Verdienst [2][der vierstündigen „Besetzung“ durch | |
Mitarbeiter:innen der Berliner Zentral- und Landesbibliothek], die | |
gern dort einziehen würden – um ihren mittlerweile jahrzehntelangen Kampf | |
um ein geeignetes Gebäude zu beenden. | |
Damit hat es sich dann aber auch schon. Denn der Rest der eigentlich | |
sympathischen Aktion ist mehr als fraglich. Weil er eine in der Tradition | |
der Berliner Hausbesetzerbewegungen stehende Radikalität nur simuliert – | |
und damit das Kapital dieser Widerspenstigkeit gleich wieder verspielt. | |
Schlimmer noch: Die Aktivist:innen stellen sich fatal auf die falsche | |
Seite. Die des Spekulanten, der versucht, mit seinen Immobiliendeals eine | |
halbe Milliarde aus den öffentlichen Kassen abzuziehen. Wer sich als | |
Besetzer:in vom Besitzer dulden lässt, muss sich nicht wundern, dass er | |
wirkt wie ein Teil des Problems und nicht wie Teil einer Lösung. | |
## Zentraler Punkt bleibt die Eigentumsfrage | |
Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass gerade Buchexpert:innen den | |
Unterschied kennen zwischen Pixi-Büchern à la „Conni geht ins Kaufhaus“, | |
die alles wollen, nur niemandem weh tun, auf der einen Seite. Und Romanen | |
wie „Die kalte Haut der Stadt“ von Michael Wildenhain (Rotbuch-Verlag, | |
1991; Magazin AGB; Signatur 108/000 201 143) bis hin zu „Aufprall“ von | |
Heinz Bude, Bettina Munk und Karin Wieland (Carl Hanser Verlag, 2020; | |
Freihand AGB; Signatur L 248 Bude 50 e) auf der anderen Seite, die die | |
Geschichte der Berliner Hausbesetzerbewegung spiegeln. | |
Und bei der war immer ein Punkt zentral: die Eigentumsfrage. Die aber wurde | |
bei der Lafayette-Besetzung erst gar nicht gestellt. Geschweige denn, dass | |
nach Antworten gesucht wurde. Dabei stand sie wie der berühmte Elefant | |
riesengroß in den leeren Hallen des Ausverkaufthauses. | |
Die ursprünglichen Investoren werden seit der Eröffnung 1996 ihre Rendite | |
mehrfach eingefahren haben. Und im Laufe der Jahrzehnte fand das „Quartier | |
207“ immer wieder neue Abnehmer, die es für lukrativ hielten, das Glashaus | |
im Portfolio eines ihrer Fonds zu haben. Aktueller Eigentümer ist die | |
US-Immobiliengruppe Tishman Speyer, die vor wenigen Jahren [3][rund 300 | |
Millionen Euro für das Haus auf den Tisch gelegt haben soll] und nun darauf | |
spekuliert, es für annähernd das Doppelte an Berlin weiterzuverkaufen. | |
Das allein ist eine Frechheit. Dass das dann auch noch mit einer völlig | |
überbewerteten Immobilie an der Friedrichstraße versucht wird, schlägt dem | |
Fass den Boden aus. Denn mittlerweile sollte jeder wissen, dass deren Image | |
als Nobelboulevard zwar in den Prospekten der Fondseigner hochgehalten | |
wird, dass das aber mit der Realität der Seitenstraße in der Berliner | |
Innenstadt [4][nichts zu tun hat], die wegen der vielen dort parkenden | |
Autos nicht mal als Achse für den Durchgangsverkehr, geschweige denn als | |
Flaniermeile für Gutbetuchte funktioniert. | |
## Aus Spekulantensicht eine Schrottimmobilie | |
Die „Drohung“ der Spekulanten, das Nicht-Mehr-Lafayette in ein Bürogebäude | |
umzuwandeln, ist auch nicht mehr als ein weiteres Spiel mit falschen | |
Karten. In Großstädten wie Berlin ist mit Büros längst kein Gewinn mehr zu | |
machen – [5][das Angebot ist jetzt schon zu groß]. Kurz gesagt: Das Haus | |
ist aus Spekulantensicht eine Schrottimmobilie an einer runter | |
gewirtschafteten Straße, deren Eigner sich gehörig verspekuliert haben. | |
Sicher, auf der einen Seite droht jahrelanger Leerstand in der Mitte der | |
Hauptstadt. Und ja, auf der anderen Seite wird dringend ein geeignetes Haus | |
für eine großartige Kulturinstitution gesucht. Wenn sich jedoch ein | |
profitgieriger Investor und ein Berliner Senat mit völlig leeren Kassen | |
gegenüberstehen, die sich niemals einig werden können, dann hilft es eben | |
nicht, mit einer Publicity heischenden Aktion die Landesregierung | |
aufzufordern, mehr Geld auf den Tisch zu legen, das sie nicht hat. | |
Kein Gesetz der Welt zwingt eine Regierung, verzockten Fondsbetreibern zur | |
Seite zur springen. Das Wohl der Allgemeinheit hingegen steht klar und | |
deutlich sogar im Grundgesetz – [6][im Paragraf 14 wird es als der Grund | |
für eine Enteignung genannt]. | |
## Ein Euro für das Eckhaus | |
Kurz gesagt: 1 Euro für das ansonsten nichtsnutzige Eckhaus wäre doch eine | |
angemessene Entschädigung. Das könnte sich nicht nur [7][Berlins geldloser | |
CDU-Kultursenator Joe Chialo] leisten. Das wäre auch eine angemessene | |
Forderung für die Kulturaktivist:innen. So viel Radikalität, wie sie im | |
Grundgesetz steht, sollten sich zeitgemäße Besetzer:innen allemal | |
erlauben. Sie würde das Kräfteverhältnis bei den angeblich irgendwo im | |
Hintergrund laufenden Verhandlungen deutlich zugunsten der öffentlich Hand | |
verändern. | |
Und falls wer glaubt, dass der Immobilienfonds doch noch etwas mehr Geld | |
verdient hätte. Wie wäre es mit einer Sammlung unter denen, die am meisten | |
von einer Attraktion profitieren würden, die Menschen in die so belanglos | |
gewordene Friedrichstraße locken würde? Also bei den Eigentümern der | |
anderen Immobilien im Viertel, die gern weiter ihre völlig überzogenen | |
Mieten kassieren wollen? | |
Wer sich mit dem Besetzer-Label schmückt, muss ja nicht gleich tatsächlich | |
im Haus bleiben. Aber die Debatte mit ein paar weiter reichenden Ideen zu | |
besetzen, das sollte das Mindeste sein. | |
29 Nov 2024 | |
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[6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/schwerpunkte-der-bundesregierung/75-… | |
[7] /Berlin-spart-an-der-Kultur/!6048501 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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