# taz.de -- Ex-Kaufhaus Galeries Lafayette: Geduldete Besetzung für Bibliothek… | |
> Eine geduldete Besetzung des Ex-Kaufhauses an der Berliner | |
> Friedrichstraße wirbt für einen Umzug der Bibliothek. Doch die Vorzeichen | |
> stehen schlecht. | |
Bild: Eingangshalle mit Lichtkegel in der ehemaligen Galeries Lafayette | |
Berlin taz | „Besetzt“-Transparente hingen am Donnerstagnachmittag nicht | |
aus dem „Quartier 207“ genannten [1][ehemaligen Gebäude der Galeries | |
Lafayette]. Dafür waren die Schaufenster gestaltet mit Zitaten von | |
Vertreter:innen der Berliner Kulturszene, die sich für einen Umzug der | |
Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) in das einstige Kaufhaus stark machen. | |
So etwa von Schauspieler Ben Becker: „Einst haben wir in Mitte Bücher | |
verbrannt, heute sollten wir sie eben wieder wertschätzen.“ | |
Seit über einem Jahr wird in Berlin darüber diskutiert, ob die drei | |
Standorte der ZLB – neben der Amerika-Gedenkbibliothek (AGB) in Kreuzberg | |
und dem Standort Breite Straße in Mitte gibt es noch das Außenmagazin am | |
Westhafen – unter ein gemeinsames großes Dach in die Friedrichstraße ziehen | |
sollen. Seit Jahren weist die ZLB darauf hin, dass es mit den beengten | |
Verhältnissen in den maroden Gebäuden nicht weitergehen könne. Ein | |
[2][Neubau am Blücherplatz] neben der AGB war im Berliner | |
Zuständigkeits-Wirrwarr versackt. Die Lafayette-Idee dagegen elektrisierte | |
die Bibliotheksszene von Anfang an. | |
Doch passiert ist nichts. Vor ein paar Tagen hatte Finanzsenator Stefan | |
Evers (CDU) noch einmal deutlich gemacht, dass es „für das Jahr 2025 keine | |
Veranschlagung für eine entsprechende Maßnahme gibt“. Also: kein Geld. Doch | |
die ZLB will die Idee eines Umzugs nicht einfach so abschreiben. Die | |
Bibliotheksfreund:innen haben über 18.000 Unterschriften für ihre | |
„Jahrhundertchance“ gesammelt, mit Unterstützung von Kultursenator Joe | |
Chialo (CDU) kontinuierliche Lobbyarbeit dafür gemacht. | |
An diesem Donnerstag dann haben sie die nächste Stufe gezündet, [3][mit | |
einer „Besetzung“ genannten Öffnung des leerstehenden Gebäudes für den | |
Publikumsverkehr] – geduldet vom Eigentümer, dem US-Immobilieninvestor | |
Tishman Speyer. Zwischen 14 und 18 Uhr waren die Berliner:innen | |
eingeladen, sich selbst davon zu überzeugen, dass die Friedrichstraße die | |
beste aller Möglichkeiten ist, fernab der Ideen eines Umzugs ins ICC, ins | |
Tempelhofer Ex-Flughafengebäude, ins Warenhaus am Alex oder eben eines | |
Neubaus am Blücherplatz. | |
## Spontane Idee | |
„Wir geben nicht auf. Wir wollen zeigen, dass es Sinn macht, in dieses | |
Gebäude umzuziehen“, sagte ZLB-Sprecherin Anna Jacobi schon vor dem großen | |
Tag zur taz. Die Idee war erst vor zwei Wochen entstanden und dann mit | |
Hochdruck verfolgt worden. Die ZLB nutzte den Vormittag im Gebäude dann | |
gleich noch für ihre Mitarbeiter:innenversammlung. Kurz vor der Eröffnung | |
für den Publikumsverkehr zeigte sich Jacobi aufgeregt: Sie habe die | |
vergangenen Tage „abwechselnd Angst gehabt, dass keiner kommt – oder die | |
ganze Stadt.“ | |
Als Security-Mitarbeiter pünktlich die Pforten öffneten, bestätigte sich | |
keines der beiden Szenarien. Ein erster Schwall von etwa 20 Menschen betrat | |
das weitläufige Erdgeschoss mit dem zentralen Lichtkegel in der Mitte. „Das | |
ist so ein krasses Gebäude“, entfuhr es einer jungen Besucherin spontan. | |
Zur taz sagte die Frau: „Ich hoffe darauf, dass der Umzug klappt. Es gibt | |
ja gerade nicht so viele Sachen, auf die man hoffen kann.“ Als regelmäßige | |
Nutzerin der AGB wünsche sie sich deutlich mehr Platz. Die einstigen | |
Galeries Lafayette, die Ende Juli ihren Betrieb aufgegeben hatten, empfinde | |
sie dafür als ideal. Und überhaupt: „Ich finde Bibliotheken besser als | |
Kaufhäuser“, so die Besucherin. | |
Für die dann nach und nach eintreffenden Gäste hatte die ZLB ein buntes | |
Programm aufgestellt. Über drei Etagen gab es allerlei zu erleben, ein | |
Workshop-Angebot über künstliche Intelligenz oder den Duft von Bibliotheken | |
bis hin zu Jonglage, ein Dutzend Lesungen an zwei Bühnen oder Kreativ- und | |
Bastel-Spaces. Man konnte aber auch einfach nur Tischtennis spielen oder | |
mit einem Kaffee durch die drei geöffneten Etagen schlendern. „Es wird ein | |
bisschen wild“, hatte Jacobi gesagt. | |
## Voller Licht | |
Bereits eine Stunde vor der Eröffnung hatten ZLB-Generaldirektor Volker | |
Heller und -Betriebsdirektor Jonas Fansa Journalist:innen durch das | |
insgesamt zwölfstöckige Gebäude, davon vier im Untergeschoss, geführt und | |
dabei von dessen Vorteilen für eine Bibliotheksnutzung geschwärmt. Der | |
besondere Charme: Insgesamt neun Zylinder und Lichtkegel, die sich je über | |
mehrere Etagen erstrecken, sorgen für eine Lichtdurchflutung. Zudem kommt | |
selbst an diesem nassgrauen Herbsttag viel Licht durch die Fensterfassade, | |
die während des Kaufhausbetriebes noch überwiegend zugestellt war. | |
Fansa zeigte sich hellauf begeistert. „Das Gebäude ist absolut geeignet und | |
der Standort perfekt.“ Der Architekt Jean Nouvel habe „es eigentlich als | |
Bibliothek errichtet“, zumindest nicht als Kaufhaus – „als solches hat es | |
auch nie funktioniert“, so Fansa. Die ZLB-Chefs hatten sich in der | |
Vergangenheit die modernen Bibliotheksneubauten angeschaut, ob in Seattle, | |
Helsinki oder Aarhus. Jetzt sagt Fansa: „Wenn man das eingeatmet hat, | |
versteht man, dass das hier passt.“ Ob es denn wirklich keine Nachteile | |
gebe? Dem Betriebsdirektor fiel partout nichts ein. | |
Den vielleicht entscheidenden Vorteil nannte Volker Heller: die Größe. An | |
den bisherigen Standorten gebe es bislang 38.000 Quadratmeter Nutzfläche, | |
von denen aber aufgrund ungünstiger Grundrisse, nasser Keller oder nicht | |
begehbarer Dachgeschosse nur 20 Prozent für den Publikumsverkehr zur | |
Verfügung stehen. Das Gebäude in der Friedrichstraße bietet 35.000 | |
Quadratmeter, von denen 60 Prozent der Fläche geöffnet werden könnten. „Wir | |
wollen uns nicht vergrößern, sondern effektiver nutzen“, so Heller. | |
## Werben trotz Haushaltskürzungen | |
Aber kommt die Werbung für diese Investition angesichts des | |
Kultur-Kahlschlags nicht doch zu einem ungünstigen Zeitpunkt? Fansa | |
verneint. Es habe immer ungünstige Zeitpunkte gegeben: Einst scheiterte ein | |
Neubau an der Fischerinsel am Beginn des Ersten Weltkriegs, später eine | |
Erweiterung der ZLB am Mauerbau, dann ein Umzug am Abriss des Palastes der | |
Republik oder am Volksentscheid für das Tempelhofer Feld. | |
Nun seien es eben Haushaltskürzungen. Doch eine Investition wie diese sei | |
ohnehin „nicht aus konsumtiven Mitteln“ zu stemmen, sondern über Kredite, | |
so Fansa. Grundsätzlich gelte: Berlin komme um Investitionen für die ZLB | |
so oder so nicht herum. Schließlich spricht er sogar von einem „im | |
Vergleich günstigem Angebot“. | |
Nun ja. Tishman Speyer zumindest will es nicht ohne ordentlichen Profit | |
verkaufen. Erst 2022 hatte der Investor das Haus für geschätzt 300 | |
Millionen Euro erworben, nur um es eineinhalb Jahre später der | |
Kulturverwaltung für fast das Doppelte als neuen Bibliotheksstandort | |
anzubieten. Insofern kam der Werbetag der ZLB dem Eigentümer sicherlich | |
sehr zupass. [4][Um Druck auszuüben, hatte der Eigentümer bereits vor | |
einigen Monaten ein Bauantrag für den Umbau in einen Büro- und | |
Gewerbestandort gestellt]. | |
Kultursenator Chialo zumindest hängt an der Idee mehr als an der sonstigen | |
Kultur der Stadt. Soeben erst hat er kampflos fast 130 Millionen seines | |
rund eine Milliarde Euro umfassenden Jahresetats für 2025 in den | |
schwarz-roten Spartopf geworfen und empfiehlt der sich beschwerenden Kultur | |
angesichts des neuen Niedrigwassers beim öffentlichen „Geldfluss“ einfach | |
mehr „Eigenleistung“. Im Interview mit der FAZ erklärte er vor ein paar | |
Tagen zugleich erneut, dass die Chance eines ZLB-Umzugs in die | |
Friedrichstraße „doch real diskutiert und von einem Großteil der | |
Bürgerinnen und Bürger begrüßt“ worden sei, weil die ZLB „dort für | |
wahnsinnige Belebung sorgen würde, auch für ein Erstarken der Wirtschaft“. | |
Wenn nun aber plötzlich schon Kürzungen bei der Komischen Oper um 10 | |
Millionen Euro ein, so Chialo, derart „Riesenthema“ seien, „dann kann man | |
natürlich schwer zugleich über Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe | |
reden“. Um dann unmittelbar darauf doch wieder darüber zu reden: „Wenn die | |
finanziellen Mittel zur Verfügung stünden, würden wir sofort loslegen. | |
Andere mögen das Projekt begraben, ich begrabe es noch nicht.“ | |
## Schon begraben? | |
Bei Melanie Kühnemann-Grunow sorgen solche Sätze mindestens für Irritation. | |
Chialo wisse sehr wohl, dass das Projekt tot ist, sagt die kulturpolitische | |
Sprecherin der SPD-Fraktion zur taz. „Er kann das wohl leider nur nicht | |
zugeben.“ Ihr tue das „wirklich leid“, die ZLB leiste „super Arbeit“,… | |
wisse auch, dass die Standorte aus allen Nähten platzen und die Bausubstanz | |
zum Teil katastrophal sei. Aber der Bibliothek werde auf längere Sicht | |
nichts anderes übrigbleiben, als weiter in den vorhandenen landeseigenen | |
Immobilien zu murksen und sich mit Provisorien zu behelfen. | |
Dies gelte umso mehr, als es für die ZLB künftig sowieso nicht mehr, | |
sondern weniger Geld geben wird. Denn Chialos Loblieder auf die Berliner | |
Mammutbibliothek hin oder her: Selbstverständlich findet auch sie sich auf | |
der in der vergangenen Woche veröffentlichten schwarz-roten Sparliste des | |
Grauens. Von den ursprünglich für die drei Standorte im kommenden Jahr | |
eingeplanten Zuschüssen in Höhe von 36,4 Millionen Euro sind 4 Millionen | |
gestrichen worden. | |
Zu den Skeptiker:innen, darunter auch Finanzsenator Evers, sagte | |
ZLB-Generaldirektor Heller: „Jeder hat seine Rolle.“ Seine bleibe es, für | |
diese bestmögliche aller Lösungen zu trommeln. | |
28 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Rainer Rutz | |
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