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# taz.de -- Abtreibungen legalisieren: Beschwörung eines „Kulturkampfes“, …
> Die gesellschaftliche Mehrheit will legale Abtreibungen. Eine
> konservative Blockade im Bundestag wäre zutiefst undemokratisch. Und ein
> böses Omen.
Bild: Parole von 1971 stimmt immer noch: Protest für das Recht auf Abtreibung
Der Paragraf, der es Frauen verbietet, über ihren Körper selbst zu
bestimmen, ist 153 Jahre alt. Rund dreißig Jahre ist es her, seit zuletzt
am hiesigen Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gerüttelt wurde. Nun wagen
einige Parlamentarier*innen den nächsten – moderaten – Versuch:
In den ersten drei Monaten einer Schwangerschaft soll der Abbruch
grundsätzlich rechtmäßig sein. Nach dieser Zeit sollen Abbrüche im
Schwangerschaftskonfliktgesetz, aber nicht mehr kurz hinter Mord und
Totschlag im Strafgesetzbuch geregelt werden.
Der dort verbleibende Paragraf 218 würde Frauenrechte nicht mehr drastisch
einschränken, sondern sogar schützen: Er würde fremdbestimmte Abbrüche
unter Strafe stellen, wie sie etwa im Nationalsozialismus praktiziert
wurden.
Am [1][Donnerstagnachmittag debattierte der Bundestag] erstmals über diesen
Vorschlag. Die Debatte bestätigte: Die Versorgungslage ungewollt
Schwangerer hierzulande ist oft prekär.
Das grundsätzliche Verbot von Abbrüchen in der Frühphase einer
Schwangerschaft ist aus verfassungs-, völker- und europarechtlicher
Perspektive nicht haltbar. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung halten es
laut einer [2][repräsentativen aktuellen Umfrage] für falsch, dass eine
Abtreibung, zu der sich eine Person nach Beratung entscheidet, rechtswidrig
ist.
Damit ist die Gesellschaft deutlich weiter als einige in den Fraktionen des
Bundestags. Das gilt insbesondere für die Spitzen von Union und FDP, die
die eigenen Leute zur Ordnung riefen und das [3][leise Aufbegehren der
liberalen Frauen] deckelten.
## Union und FDP blockierten das Vorhaben monatelang
Nun beschwört die Union mit Schaum vorm Mund einen „Kulturkampf“, den es
nicht gibt. Und die FDP, die einen Gesetzentwurf aus dem Kabinett zur
Legalisierung von Abbrüchen monatelang blockiert hatte, behauptet jetzt,
die Zeit sei zu knapp: „Durchpeitschen“ dürfe man den Vorschlag
keinesfalls. So unverfroren muss man erst mal sein.
Zwar schrumpfte die Chance auf eine Mehrheit für den Vorschlag in den
vergangenen Tagen im selben Maß, in dem der Druck aus Union und FDP auf die
eigenen Abgeordneten stieg.
Dennoch herrscht dort offenbar Angst vor einer finalen Abstimmung –
zurecht. Fast die Hälfte der Abgeordneten im Bundestag hat den
Gruppenantrag unterschrieben, das BWS bekannte sich nun auch dazu. Es
braucht wenige Konservative und Liberale, die entgegen der Fraktionslinie
den Mut aufbringen, der eigenen Position nach zu stimmen. Dann ginge der
Vorschlag durch.
Deswegen werden Union und FDP wohl mithilfe der AfD versuchen, den Antrag
im Rechtsausschuss zu versenken, damit er gar nicht erst zur Abstimmung ins
Parlament gelangt. Offen bezweifelt der Parlamentarische Geschäftsführer
der Unionsfraktion, Thorsten Frei, ob der Antrag „jemals wieder aus dem
Ausschuss rauskommt.“
## Schlussabstimmung steht unter Druck
Von „Geschäftsordnungstricks“ und „Schieberei“ war bei der Debatte am
Donnerstag entsprechend die Rede. „Ermöglichen Sie eine
Schlussabstimmung!“, appellierte der Grünen-Abgeordnete Helge Limburg an
die Mitglieder des Rechtsausschusses.
Eine Blockade der Abstimmung würde sich gegen die Überzeugung der
gesellschaftlichen Mehrheit richten. Damit konterkarierte man aus
parteitaktischem Kalkül das Selbstverständnis des Bundestags, Gesetze zu
beraten und abzustimmen. Es wäre ein legaler Winkelzug, der doch zutiefst
undemokratisch ist.
Zugleich wäre es nur eines von vielen Warnzeichen, wohin die Reise mit
einer konservativen Mehrheit in der nächsten Legislaturperiode ginge.
## AfD argumentiert menschenrechtsfeindlich
Was die Debatte am Donnerstag auch aufzeigte: [4][Die Argumentation von
AfD], teilweise auch der Union, ist menschenrechts- und
wissenschaftsfeindlich. Da werden die Grundrechte Schwangerer ignoriert. Da
wird die „natürliche“ Bestimmung der Frau als Mutter eigener Kinder aka des
deutschen Volkes beschworen.
Und da wird die hochkarätig besetzte [5][Expert*innenkommission] in
Frage gestellt, die geprüft hatte, inwiefern Abbrüche außerhalb des
Strafgesetzbuchs geregelt werden können. Sie war zu eindeutigen
Empfehlungen gekommen, denen der jetzige Gesetzesvorschlag folgt.
„Wir werden alles dafür tun“, versicherte demgegenüber eine Rednerin der
AfD, eine „Willkommenskultur für deutsche Kinder“ zu schaffen. Es war eine
unverhohlene Drohung, die im Wahlprogramm der AfD ausformuliert wird: ein
faktisches Verbot von Abbrüchen.
## Eine Aufschiebung der Entscheidung wäre fatal
In einer nach rechts driftenden Gesellschaft gehören Frauenrechte zu den
ersten, die eingeschränkt werden. Kommt in dieser Legislaturperiode kein
Recht auf legale Abtreibung in den ersten drei Monaten, kommt es in der
nächsten mit noch größerer Sicherheit nicht.
Das [6][Recht auf den eigenen Körper] ist ein Menschenrecht. Doch klappt
der jetzige Versuch nicht, es entsprechend auszugestalten, wird er
fatalerweise auf Jahre, vielleicht auf Jahrzehnte der letzte bleiben.
6 Dec 2024
## LINKS
[1] /Bundestag-debattierte-ueber-218/!6055052
[2] /Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352
[3] /Abtreibung-im-Strafgesetz/!6053592
[4] /Rechtspopulistinnen-in-Europa/!6048543
[5] /Reform-des-Abtreibungsrechts/!6002183
[6] /Meinungen-zum-Kinderkriegen/!6045883
## AUTOREN
Patricia Hecht
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