# taz.de -- Paragraf 218 im Rechtsausschuss: CDU gegen Selbstbestimmung von Fra… | |
> Die CDU will eine Abstimmung über die Liberalisierung des | |
> Abtreibungsrechts verhindern. Sie ist dabei auf Stimmen von FDP und AfD | |
> angewiesen. | |
Bild: Protest für die Abschaffung des Paragraphen 218 in Berlin | |
[1][Ein Gesetzentwurf von 328 Abgeordneten aus SPD, Grünen und Linken sieht | |
eine Legalisierung von frühen Schwangerschaftsabbrüchen vor.] Im Bundestag | |
ist eine Mehrheit möglich. Doch zunächst wurde der Antrag in den | |
Rechtsausschuss verwiesen. Wird er je wieder ins Plenum zurückkommen? | |
Der Gruppenantrag sieht vor, dass Paragraf 218 im Strafgesetzbuch | |
entschärft wird. Schwangerschaftsabbrüche sollen künftig rechtmäßig sein, | |
wenn sie in den ersten zwölf Wochen nach einer Pflichtberatung durchgeführt | |
werden. Bisher gelten sie als rechtswidrig, aber straflos. Bei rechtmäßigen | |
Abtreibungen könnte die Krankenkasse künftig die Kosten übernehmen. | |
Außerdem besteht die Hoffnung, dass sich mehr Arztpraxen und Krankenhäuser | |
bereit erklären, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. | |
Am Donnerstag letzter Woche fand im Bundestag die erste Beratung des | |
Gesetzentwurfs statt. Danach wurde er wie üblich in die Ausschüsse | |
überwiesen. Federführend ist der Rechtsausschuss. Die Schlussabstimmung | |
über den Gesetzentwurf müsste dann wieder im Plenum des Bundestags | |
stattfinden. | |
Eine Mehrheit im Plenum ist gut möglich. [2][SPD, Grüne, Linke und SSW | |
haben gemeinsam 353 Sitze]. Es ist also denkbar, dass neben den 328 | |
Unterzeichner:innen noch mehr Stimmen aus diesem Lager kommen. Die | |
zehn Abgeordneten der BSW-Gruppe wollen ebenfalls zustimmen, obwohl sie | |
nicht unterzeichnen durften. Mindestens 15 FDP-Abgeordnete sind zwar für | |
den Antrag, wollen darüber aber erst nach der Wahl abstimmen (wenn sie dem | |
Bundestag voraussichtlich nicht mehr angehören). Sie stehen aber unter | |
massivem Druck von Jungen Liberalen und FDP-Frauen, die eine sofortige | |
Zustimmung fordern. | |
## CDU will Abstimmung verhindern | |
Damit der 218-Gesetzentwurf beschlossen wird, genügt eine einfache Mehrheit | |
im Bundestag. Es muss also nicht die absolute Mehrheit – 367 Abgeordnete – | |
zustimmen. Vielmehr reicht es aus, dass es mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt. | |
Jede FDP- oder Unions-Abgeordnete, die sich enthält oder der Abstimmung | |
fernbleibt, erhöht die Chancen auf die Annahme des Gesetzentwurfs. | |
[3][Die CDU/CSU will daher verhindern], dass es zu einer Abstimmung im | |
Plenum des Bundestags kommt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der | |
Unionsfraktion, Thorsten Frei, stellte bereits offensiv infrage, ob der | |
Antrag „jemals wieder aus dem Ausschuss rauskommt.“ Auch die | |
Initiator:innen fürchten, dass der Antrag im Rechtsausschuss „versenkt“ | |
wird. „Keine Schlussabstimmung ist auch eine Entscheidung – für den Status | |
Quo“, warnt der Grünen-Rechtspolitiker Helge Limburg. | |
Vorsitzende des Rechtsausschusses ist die CDU-Abgeordnete Elisabeth | |
Winkelmeier-Becker. Sie kann eine Abstimmung im Ausschuss aber nicht | |
verhindern. Wenn eine Fraktion die Rücküberweisung des Gesetzentwurfs ins | |
Plenum beantragt, muss sie den Antrag auf die Tagesordnung nehmen. | |
Die CDU/CSU könnte dann aber beantragen, die Überweisungs-Abstimmung zu | |
vertagen. Unter den 39 Mitgliedern des Rechtsausschusses sind die 19 | |
Mitglieder von SPD, Grünen und Linken für den Gesetzentwurf. Die CDU/CSU | |
hat im Rechtsausschuss 11 Abgeordnete. Um die Abstimmung im Ausschuss zu | |
verhindern, ist sie also auf die vollzählige Unterstützung ihres Antrags | |
durch FDP (fünf Stimmen) und AfD (vier Stimmen) angewiesen. Wenn nur eine | |
FDP-Abgeordnete sich enthält, ist der Vertagungsantrag abgelehnt. Damit die | |
Rücküberweisung beschlossen wird, müssten sich zwei FDP-Abgeordnete | |
enthalten. | |
## Abstimmung im Ausschuss? | |
Die SPD-Frau Carmen Wegge weist darauf hin, dass es bei | |
fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen zu ethischen Fragen – etwa zur | |
Suizidhilfe oder zur Impfpflicht – normalerweise gar keine | |
Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gibt. „Solche Gruppenanträge | |
werden nach einer Sachverständigen-Anhörung im Ausschuss einfach wieder ins | |
Plenum zurücküberwiesen“, argumentiert Wegge. Dieses Verfahren ist | |
allerdings nur eine parlamentarische Gepflogenheit und nicht rechtlich | |
verbindlich. | |
Auch die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts dürfte nicht in | |
Betracht kommen. 2017 entschied Karlsruhe, dass es eine politische Frage | |
sei, wann ein Antrag abstimmungsreif ist, dies entscheide der Bundestag. Es | |
gebe keine Pflicht, über alle vorliegenden Gesetzentwürfe innerhalb einer | |
Wahlperiode zu entscheiden. Damals ging es um Gesetzentwürfe zur „Ehe für | |
alle“, die mehrere Jahre nicht aus dem Ausschuss herauskamen, weil die (in | |
dieser Frage uneinige) große Koalition eine Abstimmung im Plenum verhindern | |
wollte. | |
Sollte der 218-Gesetzentwurf ins Plenum zurücküberwiesen werden, müsste er | |
noch auf die Tagesordnung gesetzt werden. Diese wird im Ältestenrat des | |
Bundestags vorbereitet. Normalerweise schlagen die Fraktionen Themen vor, | |
die ihnen wichtig sind und die anderen Fraktionen akzeptieren dies. Im | |
Streitfall müsste jedoch im Plenum des Bundestags über die Tagesordnung | |
abgestimmt werden. | |
Bei der Abstimmung über die Bundestags-Tagesordnung entscheidet eine | |
einfache Mehrheit. Wenn es im Plenum also eine Mehrheit für die | |
Liberalisierung des Abtreibungsrechts gibt, dann dürfte diese Mehrheit auch | |
das Thema auf die Tagesordnung setzen. Es kommt also auch hier darauf an, | |
dass sich einige FDP-Abgeordnete zumindest enthalten. | |
8 Dec 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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