| # taz.de -- Jusos treffen sich zum Bundeskongress: Widerwillige Wahlkämpfer:in… | |
| > Die Debatte um die Kanzlerkandidatur will die SPD-Führung hinter sich | |
| > lassen. Doch auf ihrem Bundeskongress rechnen die Jusos noch mal mit der | |
| > Parteispitze ab. | |
| Bild: Verkorkster Start: Juso-Vorsitzender Philipp Türmer und SPD-Parteivorsit… | |
| Er ist trotz zweifacher Einladung nicht gekommen: Olaf Scholz. Der | |
| Bundeskanzler, der am Montag auch offiziell zum Kanzlerkandidaten nominiert | |
| werden soll, war auf dem Juso-Bundeskongress am Wochenende trotzdem | |
| präsent. Man merkte, dass viele Teilnehmer:innen immer noch mit der | |
| quälenden Debatte und der Entscheidung haderten, [1][die letztendlich Boris | |
| Pistorius am Donnerstagabend gefällt hatte], indem er sagte, er stehe nicht | |
| zur Verfügung. | |
| Als eine „Shitshow“ hatte Juso-Bundesvorsitzender Philipp Türmer noch zum | |
| Kongressauftakt am Freitag die Debatte der letzten Tage bezeichnet. Mareike | |
| Engel, Landesvorsitzende der Jusos Sachsen, fühlte sich von der | |
| Parteispitze allein gelassen. In Sachsen fühlten die Menschen „Hass auf | |
| Olaf Scholz, Hass auf uns, Hass auf die Ampel.“ Während der Faschismus an | |
| die Tür klopfe, „hat die SPD Debatten geführt, wer Kanzler kann“. Und Sar… | |
| Mohamed aus Nordrhein-Westfalen bezeichnete die Debatte als „unwürdig“. | |
| „Sie hat viel Schaden angerichtet.“ | |
| Jan Knes-Wiersma aus Bonn wundert sich darüber, dass Scholz nicht selbst | |
| gekommen ist. „Der Juso-Bundeskongress ist die größte und wichtigste | |
| Veranstaltung, die es in diesem Jahr noch gibt. Es wäre gut gewesen, wenn | |
| Scholz gekommen wäre.“ | |
| Den geballten Unmut der Jungsozialisten:innen bekamen letztlich die | |
| Parteivorsitzende Saskia Esken und SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ab. | |
| Esken ist eigentlich nicht so stark in die strategische Wahlkampfplanung | |
| eingebunden wie ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil, hatte aber anders als | |
| er und Scholz den Mumm, sich einem „ehrlichen und kontroversen Austausch“ | |
| mit den Jusos zu stellen. | |
| Esken gestand Fehler der „sogenannten Zukunftskoalition“ ein und machte | |
| auch Zugeständnisse an die Jusos: So brauche es etwa eine massive Reform | |
| der Schuldenbremse. Den lautesten, fast verhöhnenden, Applaus gab es für | |
| Esken dann trotzdem bei diesem Satz: „Nein, wir haben [2][wirklich kein | |
| gutes Bild abgegeben] bei der Nominierung unseres Kanzlerkandidaten.“ | |
| Und auch Miersch, der zu einem beherzten Wahlkampf gegen die Union | |
| aufgerufen hatte, wurde nicht verschont. So erwiderte etwa die | |
| Juso-Delegierte Nina Gaedicke aus Münster: „Wir sollen in einen | |
| historischen Bundestagswahlkampf ziehen – und die SPD verstolpert die | |
| Kanzlerfrage!“ Sie frage sich: „Warum wart ihr so unvorbereitet auf diese | |
| Debatte? Es ist euer fucking job, Dynamiken in dieser Partei zu erkennen | |
| und dann tatsächlich auch Angebote zu machen.“ | |
| ## Inhalte statt Personaldebatte | |
| [3][Diese Debatte] will man nun hinter sich lassen. Türmer forderte, es | |
| müsse nun um Inhalte gehen, und stellte die Migrations- und Sozialpolitik, | |
| Wohnen und Wirtschaft nach vorn. Andere Delegierte fordern eine „klare | |
| Umverteilungsagenda“ und eine „Abkehr vom menschenfeindlichen Kurs in der | |
| Migration.“ | |
| In ihrem Jugendwahlprogramm setzen sich die Juso für eine WG-Garantie ein, | |
| eine Art Mietendeckel für junge Leute. Niemand soll mehr als 400 Euro für | |
| ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft zahlen müssen. Außerdem sprechen sie | |
| sich für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und für ein Grunderbe von | |
| 60.000 Euro aus. Für Investitionen in die Infrastruktur soll der Staat eine | |
| Billion Euro bereitstellen. Möglich sein, soll dies durch eine radikale | |
| Reform der Schuldenbremse. | |
| ## Auf einen können sich alle einigen | |
| Türmer benannte auch denjenigen, auf den sich in der SPD zumindest alle | |
| einigen können: [4][Friedrich Merz]. Und teilte ordentlich aus gegen den | |
| Kanzlerkandidaten der Union. Dieser verbreite laut Türmer vor allem | |
| Homofeindlichkeit und rassistische Fakewnews. „Angela Merkel hat ihn | |
| politisch entmachtet und sie wusste warum.“ | |
| Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, der im Gegensatz zu Scholz der | |
| Einladung der Jusos nachkam, zeigte sich verständnisvoll und äußerte | |
| ebenfalls Kritik an der Entscheidungsfindung um die Kanzlerkandidatur. Die | |
| Debatte in der Partei hätten ihn verärgert. „Wir tragen Verantwortung für | |
| die Menschen, da dürfen wir uns nicht mit uns selbst beschäftigen“, so | |
| Heil. Er versuchte zu deeskalieren und die Jungsozialist:innen auf den | |
| Winterwahlkampf einzuschwören: „Auch wenn einige von euch die Faust in der | |
| Tasche haben, nehmt diese Kraft, um jetzt in den Wahlkampf zu gehen.“ | |
| Das wird nicht leicht. „Wir kommen gerade aus einem Wahlkampf, die Leute | |
| sind eigentlich ausgelaugt“, berichtet Leonel Richy Andicene, | |
| Jusovorsitzender in Brandenburg. Und kam dann doch noch mal auf den | |
| abwesenden Kanzler zu sprechen: „Scholz muss jetzt liefern. Er muss | |
| Leidenschaft zeigen, damit Menschen für ihn auf die Straße zu gehen.“ Der | |
| Bundeskongress wäre eine gute Gelegenheit für Scholz gewesen, das unter | |
| Beweis zu stellen. (mit dpa) | |
| 23 Nov 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anna Lehmann | |
| Amelie Sittenauer | |
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