# taz.de -- Kanzlerkandidat-Debatte: In der SPD ist die Hölle los | |
> Das Geplänkel um eine mögliche Kanzlerkandidatur von Boris Pistorius ist | |
> zu einem Machtkampf geworden. Am Dienstagabend sollte es eine | |
> Krisensitzung geben. | |
Bild: November Rain: Olaf Scholz – Kanzlerkandidat? | |
BERLIN taz | Bis Montag glich der Machtkampf zwischen Kanzler Olaf Scholz | |
und Verteidigungsminister Boris Pistorius einem Sturm im Wasserglas. Medien | |
wie Bild und Süddeutsche Zeitung versuchten, Stimmen aus einzelnen | |
Ortsvereinen zu einem Votum der Basis für Pistorius zu stilisieren. Doch | |
seit einem gemeinsamen Statement der Vorsitzenden der NRW-Landesgruppe der | |
SPD im Bundestag, Wiebke Esdar, und des Vizefraktionschefs Dirk Wiese wurde | |
aus dem Spiel Ernst. | |
Wiese und Esdar plädieren für Pistorius. Sie würden an der Basis „viel | |
Zuspruch für Boris Pistorius“ hören. Das ist de facto ein Aufruf, den | |
amtierenden Kanzler abzusägen. Scholz weilt [1][beim G-20-Gipfel in Rio], | |
während in Berlin diese Bombe platzt. Manchen SPD-Linken fallen sehr böse | |
Adjektive zu diesem gezielten Timing ein. | |
Das Statement von Wiese und Esdar hat Gewicht, da sie SprecherInnen der | |
beiden größten Fraktionsströmungen sind: Des rechten Seeheimer Kreises und | |
der Parlamentarischen Linken (PL). Ist dies der Anfang vom Ende von Olaf | |
Scholz? Eine Art Schwielowsee an der Copacabana? 2008 zwangen Franz | |
Müntefering und Frank-Walter Steinmeier den damaligen SPD-[2][Vorsitzenden | |
Kurt Beck zum Rücktritt]. Steinmeier, damals Außenminister, galt als | |
populärer als Beck. Doch viele in der SPD schworen nach diesem Coup, dass | |
sich Schwielowsee nie wiederholen dürfe. | |
Seit Esdars und Wieses Vorstoß ist die Partei im Krisenmodus. Fast alle | |
haben etwas dazu zu sagen – nur die Jungen in der SPD-Fraktion, mal als | |
Juso-RebellInnen gestartet, schweigen vornehm. Ex-Juso-Chefin Jessica | |
Rosenthal hat keine Zeit, die frühere Berliner Juso-Chefin Annika Klose | |
lässt mitteilen, sie müsse sich um die „Anliegen der Bürger:innen“ kümm… | |
Eine erstaunliche Zurückhaltung. | |
[3][Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel poltert derweil auf X], dass die Basis gegen | |
Scholz sei, mit dem die SPD „unter 15 Prozent falle“. Ex-Kanzler Gerhard | |
Schröder stellt sich hingegen an die Seite von Scholz. Die SPD dürfe auf | |
keinen Fall „den eigenen Bundeskanzler demontieren“. Interessanterweise | |
klingen manche SPD-Linke wie der Agenda-Kanzler und Putin-Freund, von dem | |
sie sich sonst distanzieren. | |
## Pistorius bei Parteilinken eher unbeliebt | |
So wie der linke Bochumer SPD-Abgeordnete Axel Schäfer, der für Scholz | |
wirbt. „Er ist unser Kanzler. Wir haben mit ihm die Wahl gewonnen. Und es | |
muss einen anständigen Umgang in der Partei geben“, so Schäfer zur taz. | |
Dass es so weit kommen konnte, hält Schäfer für ein Versäumnis der | |
Parteispitze. „Der Parteivorstand muss jetzt sagen, wen er will. Wir | |
brauchen sofort einen Beschluss.“ Das hätte längst passieren müssen, so | |
Schäfer. „Nun läuft die Debatte wie ein Schneeball.“ | |
Manche SPD-Linke sind auch sauer auf die Bielefelder Abgeordnete Wiebke | |
Esdar. Das Statement mit Wiese sei nicht mit den Abgeordneten aus NRW | |
abgesprochen gewesen, so Schäfer. Auch die PL war von Esdars Beitrag | |
überrascht, so Tim Klüssendorf, der wie Esdar zum Sprecherkreis der PL | |
gehört. „Das Statement war kein abgestimmtes PL-Statement.“ | |
In der SPD-Fraktion ist man über die Debatte verwundert. Der | |
SPD-Finanzexperte Michael Schrodi sagte der taz, dass die Debatte „zeitnah | |
beendet“ werden müsse – zugunsten von Scholz. Die SPD habe keine Zeit, auf | |
das eigene Tor zu schießen. Auch Armand Zorn, einer der Sprecher des | |
Netzwerks, der dritten großen Fraktionsströmung, steht hinter Scholz. Es | |
sei schön, dass die SPD zwei Kabinettsmitglieder stelle, denen die | |
Kanzlerschaft zugetraut wird, so Zorn zur taz. „Dennoch möchte ich | |
verdeutlichen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz weiterhin meine volle | |
Unterstützung als Kanzlerkandidat hat.“ | |
Ähnlich klingt Sebastian Roloff, Sprecher des linken Forums DL 21. Es gibt | |
in der Debatte keine Rechts-links-Ordnung. Scholz und Pistorius gehören | |
beide zum rechten Flügel. Der zackige Verteidigungsminister ist bei vielen | |
Parteilinken allerdings unbeliebter als der Kanzler. | |
In der SPD, so der altgediente Abgeordnete Axel Schäfer, sei derzeit „die | |
Hölle los“. Viele glauben, dass diese Krise auf das Konto der Parteiführung | |
Lars Klingbeil und Saskia Esken geht. Die hätten sich zwar zu Scholz | |
bekannt, aber die Debatte laufen lassen und keinen klaren Zeitplan | |
definiert. Vor allem Klingbeil habe die Dynamik der Situation unterschätzt. | |
Für den Dienstagabend ist eine Krisensitzung anberaumt. | |
19 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /G20-Gipfel-in-Rio-de-Janeiro/!6047006 | |
[2] /Kurt-Beck-ueber-seinen-Ruecktritt/!5176091 | |
[3] https://x.com/sigmargabriel/status/1858812489170846164 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Stefan Reinecke | |
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