# taz.de -- Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur: Die Verunsicherung | |
> Olaf Scholz will SPD-Kanzlerkandidat werden. Verteidigungsminister | |
> Pistorius schließt nichts aus. SPD-Chef Klingbeil will nun eine zügige | |
> Entscheidung. | |
Bild: Olaf Scholz noch ganz entspannt auf dem Rückweg vom G20-Gipfel in Rio | |
Berlin taz | Für das Willy-Brandt-Haus in Berlin ist klar, mit wem die SPD | |
[1][zur Bundestagswahl] gegen Friedrich Merz antreten wird: Olaf Scholz. | |
Auf Folien hat die SPD-Parteizentrale die Strategie skizziert. Dort sieht | |
man einen kämpferischen Olaf Scholz, der die Faust ballt, und einen | |
verdrießlich dreinblickenden Friedrich Merz. Der Leitgedanke: „Am 23. | |
Februar begleitet eine Frage alle Wähler*innen in die Wahlkabine: Olaf | |
Scholz oder Friedrich Merz?“ | |
Der Plan der Parteizentrale: Man will jene 32 Prozent mobilisieren, die | |
sich vorstellen können, bei der SPD ihr Kreuz zu machen. „Klare | |
Führerschaft im Mitte-links-Lager entscheidend für direkte Konfrontation | |
mit Merz“ so die Direktive. Das läuft auf Olaf Scholz hinaus, den | |
erfahrenen Krisenmanager, der „Deutschland zusammenhält“. | |
[2][Merz gibt in der SPD-Ideenwelt den idealen Konterpart ab:] keine | |
Erfahrung im Regieren oder mit internationaler Politik, plus BlackRock und | |
Politik für Besserverdiener. Das Willy-Brandt-Haus zielt auf | |
„Merkel-Wähler“ und „Frauen“, die sich für den forsch-arroganten Merz… | |
erwärmen können. | |
Ob diese Kampagne realisiert wird, ist derzeit ungewiss. [3][Die Zweifel, | |
ob Scholz, der gescheiterte Kanzler der unbeliebten Ampel, eine Chance | |
gegen Merz hat, wachsen in der Partei.] Viele glauben mittlerweile, dass | |
die SPD mit dem kantigen Verteidigungsminister Boris Pistorius besser | |
fahren würde, der anders als der kühle Scholz über ein Kumpel-Image | |
verfügt. Pistorius selbst betont, zackig militärisch, ein loyaler | |
„Parteisoldat“ zu sein – schließt aber andererseits listig nichts aus. | |
## „Gemeinsam mit der SPD“ | |
Scholz hat diesen Machtkampf lange nicht ernst genommen. Das änderte sich | |
am Dienstagabend, als sich ein einflussreiches Duo – die Parteilinke Wiebke | |
Esdar und der Parteirechte Dirk Wiese – öffentlich mehr oder weniger | |
deutlich zu Pistorius bekannten. Der Kanzler hörte die Signale und | |
antwortete aus Rio vom G20 Gipfel – wo er mit Ukraine, globaler Armut, | |
Termin bei Chinas Xi Jinping eigentlich ausgelastet war – mit gleich vier | |
TV-Interviews. | |
In allen wiederholte er mantraartig, dass er „gemeinsam mit der SPD“ die | |
Wahl gewinnen werde. Damit ist gemeint: Er wird antreten. Das Wort | |
Kanzlerkandidat kam Scholz aber nicht über die Lippen. Er will sich nicht | |
selbst ausrufen, wirbt aber auch nicht für sich. Er rechnet offenbar fest | |
damit, dass ihm der Parteivorstand die Kandidatur antragen wird. So redet | |
niemand, der auf dem Rückzug ist. | |
Die Parteispitze tagte am Dienstagabend – eine Krisensitzung. Denn klar | |
ist: Die jetzige Lage, in der immer mehr GenossInnen öffentlich an Scholz | |
zweifeln, reduziert die nicht gerade rosigen Aussichten der SPD noch | |
weiter. Die ParteichefInnen Lars Klingbeil und Saskia Esken, | |
Generalsekretär Matthias Miersch und Saarlands Ministerpräsidentin Anke | |
Rehlinger trafen sich – und schwiegen danach erst mal. Alle im erweiterten | |
Führungskreis der SPD haben sich zu Olaf Scholz als nächstem | |
Kanzlerkandidat bekannt. Niemand aus der Partei- oder Fraktionsspitze hat | |
sich für Boris Pistorius ausgesprochen. Insofern müsste eigentlich alles | |
klar sein. Müsste. | |
## Zeitplan: unklar | |
Die Frage lautet: Warum gibt es noch keine amtliche Bestätigung der | |
Kandidatur, wenn es doch in den zuständigen Gremien eine überwältigende | |
Mehrheit für den Kanzler gibt? Warum gibt es keine verbindliche Ankündigung | |
der Parteispitze, wann diese Entscheidung getroffen wird, um die Debatte in | |
den Griff zu bekommen? Das schürt den Verdacht, dass die Parteinahme für | |
Scholz in der Parteispitze vielleicht doch nicht so klar ist wie beteuert. | |
Terminfragen sind Machtfragen. Scholz-Unterstützer fordern, dass der | |
34-köpfige Parteivorstand am Montag ein Votum für den Kanzler abgibt. | |
Spätestens soll am 30. November bei einer „Wahlsiegkonferenz“ klar sein, | |
wer antritt. Die formale Kür soll beim Bundesparteitag am 11. Januar | |
erfolgen. | |
SPD-Chef Lars Klingbeil kündigte Mittwoch dann doch eine „zügige | |
Entscheidung“ über die Kanzlerkandidatur an. Wobei unklar blieb, was das | |
genau bedeutet. In der SPD gebe es unterschiedliche Auffassungen, wer es | |
machen soll. Den Vorwurf, erst sein Zögern habe die Debatte ermöglicht, | |
wies Klingbeil zurück. „Mein Fokus liegt darauf, eine Geschlossenheit | |
herzustellen“. Das hat bis jetzt nicht so gut funktioniert. | |
Wahrscheinlich wird das Willy-Brandt-Haus seine angedachte Wahlkampagne mit | |
den Scholz-Fotos umsetzen können. Denn Pistorius fehlen Fürsprecher in den | |
entscheidenden Gremien. Wenn aber nicht, wäre erst recht Eile geboten. In | |
den Schubladen der Parteizentrale liegt keine fertige Kampagne für | |
Pistorius. Der schneidet in Umfragen viel besser ab als Scholz. Aber für | |
was der Niedersachse politisch steht, außer Kriegstüchtigkeit und mehr | |
Waffen für die Ukraine, ist vage. Für Kampagnenstrategen in der | |
Parteizentrale wäre es eine Herausforderung. | |
20 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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