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# taz.de -- Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur: Schwielowsee an der Copacabana
> Die SPD ist wieder kurz vorm Putsch. Während der Kanzler versucht, die
> Welt zu retten, wollen Genossen ihn als erneuten Kanzlerkandidaten
> verhindern.
Bild: Olaf Scholz im Gespräch mit Journalisten am Rande des G20-Gipfel in Bras…
Rio de Janeiro taz/dpa/rtr | Es läuft nicht gut für Olaf Scholz. Der
amtierende Kanzler hatte mehrmals betont, er bewerbe sich um ein neues
Mandat. Doch in der Partei mehren sich die Zweifel, ob die SPD mit ihm als
Kanzlerkandidat überhaupt noch eine Chance hat. Derzeit liegt sie in
Umfragen weit hinter der Union. Nun kommen die Zweifel nicht mehr aus der
dritten, sondern aus der zweiten Reihe.
In einem gemeinsamen Statement auf Anfrage des WDR distanzieren sich die
Vorsitzenden der NRW-Landesgruppe der SPD im Bundestag, Wiebke Esdar und
Dirk Wiese, von Olaf Scholz. „Das aktuelle Ansehen von Bundeskanzler Olaf
Scholz ist stark mit der Ampel-Koalition verknüpft. Mit einigem Abstand
werden seine Arbeit und seine Entscheidungen für unser Land mit Sicherheit
weitaus positiver beurteilt werden“, so Esdar und Wiese. Es klingt wie ein
freundliches Lebewohl, getarnt als Kompliment.
Scholz weilt derzeit beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro. Er hat Deutschland
als Mitglied in der von [1][Brasiliens Präsident Lula da Silva ins Leben
gerufenen Allianz gegen Hunger und Armut] angemeldet. Am Dienstagmorgen
spricht er mit Chinas Präsident Xi Jinping über Handel und den Krieg in der
Ukraine.
Doch zu Hause spricht man über ihn. Es gebe in der SPD und weiter darüber
hinaus eine Debatte, die man auch in den Wahlkreisen wahrnehme, geben Wiese
und Esdar zu bedenken. Im Zentrum stehe die Frage, was die beste personelle
Aufstellung für diese Bundestagswahl sei. „Dabei hören wir viel Zuspruch
für Boris Pistorius.“
## Am Schwielowsee wurde Kurt Beck abgesägt
Wiese und Esdar sind nicht nur Landesgruppenvorsitzende, sondern bekleiden
jeweils auch Sprecher:innenposten bei den beiden größten Strömungen
der Fraktion, dem Seeheimer Kreis und der Parlamentarischen Linken. Sie
decken den politisch rechten und linken Flügel der Sozialdemokraten ab. Das
lagerübergreifende Statement birgt also viel Sprengkraft. Zudem steht
Scholz selbst den Seeheimern nahe, wurde von diesen bislang ausnahmslos
unterstützt. Scholz-Devotionalien mit der Aufschrift „Der bessere Kanzler
2025“ wurden politischen Beobachterinnen bereits im Frühjahr aufgedrängt.
Auch die Parteiführung um Saskia Esken und Lars Klingbeil sowie der
Fraktionsvorsitzende [2][Rolf Mützenich hatten sich mehrfach hinter Scholz
gestellt], ihn aber noch nicht offiziell nominieren lassen. Das sollte
eigentlich auf einer „Wahlsiegkonferenz“ mit Kandidat:innen am 30.
November passieren. Nun gehen Wiese und Esdar einen Schritt zurück und
fordern, dass die Parteigremien über die Frage der Kanzlerkandidatur
entscheiden sollen, „das ist auch der richtige Ort dafür“. Also alles auf
Anfang?
Das ist nicht ohne Risiko. Die SPD hatte in der Vergangenheit schon
mehrfach versucht, sich aus Umfragetiefs durch einen Kandidatenwechsel zu
befreien. Der jetzigen Situation am nächsten kommt wohl der Putsch gegen
den damaligen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck. Der wurde 2008 auf einer
Strategiekonferenz am Potsdamer Schwielowsee abgesägt und Frank-Walter
Steinmeier als Kanzlerkandidat nominiert. Steinmeier, damals Außenminister,
war ähnlich wie Boris Pistorius ein beliebter Politiker. Anders als derzeit
blieb noch mehr als ein Jahr bis zur Bundestagswahl. Trotzdem verlor die
SPD die Wahl 2009 gegen die Union von Angela Merkel.
## Ex-SPD-Chef fordert schnelle Klärung
Der Schaden für die SPD ist schon jetzt erkennbar, die Partei, die sich so
viel auf ihre Geschlossenheit zugutehielt, zerlegt sich gerade. „Dieses
Statement der Vorsitzenden ist nicht in der NRW-Landesgruppe beschlossen
worden“, sagte der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Axel
Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters. „Es ist missverständlich, schwächt
den Bundeskanzler und hat bei den SPD-Bundestagsabgeordneten keine
Mehrheit.“ Er habe sofort für morgen eine Sondersitzung der
NRW-Bundestagsabgeordneten beantragt.
Führende Sozialdemokraten stellen sich hinter Scholz. Bundesinnenministerin
Nancy Faeser erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Für
mich ist klar, dass der Bundeskanzler unser Kandidat wird.“ Die
saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger sagte dem Stern: „Die SPD
stellt den Kanzler, das ist eine große Chance. Deshalb ist Olaf Scholz der
natürliche und richtige Kanzlerkandidat.“
Der frühere SPD-Chef Norbert Walter-Borjans dringt auf eine schnelle
Klärung. „Olaf Scholz hat unser Land in einer extrem schweren Zeit vor viel
Bedrohlichem bewahrt“, lobte Walter-Borjans in der Rheinischen Post
einerseits den Bundeskanzler.
Angesichts von Debatten, ob die SPD mit dem beliebten Verteidigungsminister
Boris Pistorius nicht besser fahren würde, sagte Walter-Borjans zugleich:
„Wahr ist aber auch, dass Merz nur mit einem Kanzler zu verhindern wäre,
der auf den letzten Metern die Kraft aufbringt, selbstkritisch und nahbar
den Unterschied deutlich zu machen. Das ist bisher Olaf Scholz' schwacher
Punkt“. Walter-Borjans mahnte: „Die Konsequenz daraus müssen die besprechen
und bitte rasch entscheiden, die jetzt in der Verantwortung sind. Notfalls
in einer Nachtsitzung.“
Erwartet wird, dass die SPD nun vor dem 30. November ihren
Kanzlerkandidaten nominiert und eine Entscheidung möglicherweise bei der
nächsten Vorstands- und Präsidiumssitzung am 25. November fällt. Für wen
auch immer.
19 Nov 2024
## LINKS
[1] /G20-Gipfel-in-Brasilien/!6050492
[2] /Wahlkampfdebatte-im-Bundestag/!6045772
## AUTOREN
Anna Lehmann
Stefan Reinecke
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