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# taz.de -- Koalitionsvertrag in Thüringen: Kein Fortschritt, kein Rückschritt
> CDU, BSW und SPD haben sich in Thüringen auf einen Koalitionsvertrag
> geeinigt. Eine Überraschung: Klimapolitisch wird sich wenig ändern.
Bild: „Thüringen nach vorne bringen“, wollen die Koalitionär*innen. Fürs…
Die Thüringer*innen sollen merken, dass ihr Staat funktioniert, sagte
Mario Voigt (CDU) am Freitag [1][bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags
zwischen CDU, BSW und SPD]. „Uns geht es nicht um kurzfristige
Effekthascherei, sondern langfristige Perspektiven für die Thüringerinnen
und Thüringer“, kündigte er an.
Um die Auswirkungen der Erderhitzung in Thüringen zu sehen, braucht man gar
keine langfristige Perspektive. Zum Jahresende 2023 kam es aufgrund starker
Regenfälle zu Überflutungen in ganz Deutschland, die auch den Freistaat
Thüringen trafen.
Der Klimawandel macht die starken Regenfälle wahrscheinlicher, weil wärmere
Luft mehr Wasser aufnehmen kann und höhere Temperaturen über den Ozeanen zu
mehr Verdunstung führen. Der Deutsche Wetterdienst hat modelliert, dass die
Erderhitzung den Dauerregen im Winter 2023/24 wohl stärker und
wahrscheinlicher gemacht hat. Auch die jahrelange Dürre, die ein Grund für
das Waldsterben im Harz ist, wurde durch den Klimawandel wahrscheinlicher.
Erstmals erwähnt wird der Klimawandel im neuen Koalitionsvertrag auf Seite
34 – das allerdings nur am Rande. Die thüringische
Landesentwicklungsgesellschaft soll „klimaneutrale Technologie- und
Innovationsparks entwickeln“, heißt es darin. Dass sich die sogenannte
Brombeerkoalition zu den Pariser Klimazielen bekennt, findet sich erst auf
Seite 83.
Sebastian König, Geschäftsführer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz
(BUND) Thüringen, ist trotzdem zufrieden: „Die Themen, die im Vertrag
stehen müssen, stehen auch drin“, sagt er. „Dass sich die Koalition zu den
Pariser Klimazielen bekennt, ist eigentlich selbstverständlich. Aber für
[2][die Zeiten, in denen wir leben], ist das ein guter Koalitionsvertrag.“
Wenn im Text von Klima die Rede ist, geht es meist um die Anpassung an den
Klimawandel: Die Feuerwehren sollen besser vorbereitet werden.
Landwirt*innen sollen steuerfreie Klimarücklagen anlegen dürfen, um sich
auf schwankende Erträge vorzubereiten. Außerdem wollen die Koalitionäre
den Tourismus unterstützen, wenn weniger Schnee fällt.
Klimaschutzmaßnahmen werden selten als solche benannt. Aber CDU, BSW und
SPD sind sich einig, dass die CO₂-Emissionen sinken müssen, und setzen
weiter auf erneuerbare Energien – verbieten aber Windkraftanlagen im Wald,
wenn die zuständige Kommune nicht ausdrücklich zustimmt. Die von der
Bundesregierung vorgegebenen Windkraftflächen wollen sie trotzdem
einhalten. „Als 2018 Fridays for Future auf ihrem Hoch waren, wäre das
vielleicht besser geworden, aber immerhin ist man sich einig, dass
Erneuerbare die Zukunft sind“, sagt BUND-Geschäftsführer König
Die Koalition will außerdem Landwirt*innen erlauben,
CO₂-Kompensationszertifikate zu verkaufen, wenn sie Grünland schützen,
wenig düngen und keine Pestizide verwenden. Dadurch wird die Artenvielfalt
geschützt und der Boden kann mehr CO₂ binden. König hält das für eine gute
Idee: „Warum nicht die entlohnen, die Gutes tun?“ Es sei jedoch schwer zu
berechnen, wie viel CO₂ genau im Boden gebunden wird. Sinnvoller sei es,
den Landwirt*innen [3][Geld für Klimaschutzmaßnahmen zu zahlen], statt
sie indirekt Kompensationszertifikate verkaufen zu lassen.
Die Brombeerkoalition betont, dass die Investitionsbedarfe bei Energie-,
Verkehrs- und Klimawende „enorm“ seien. Sie verspricht, Geld in den Ausbau
und die Sanierung der Bahnstrecken zu stecken und verbilligte Kredite
anzubieten, um „klimawirksame Investitionen“ in Wärmelösungen sowie den
Ausbau der Wärmenetze zu ermöglichen.
Damit scheint der thüringische Koalitionsvertrag wesentlich
klimafreundlicher zu sein als der, über den gerade SPD und BSW in
Brandenburg verhandeln. Dort steht in einem Entwurf zum Beispiel,
Brandenburg solle sich dafür einsetzen, dass der Europäische
Emissionshandel abgeschafft wird. BUND-Geschäftsführer König erklärt sich
das damit, dass sich die beiden Landesverbände stark unterscheiden. In
Thüringen seien viele Leute zum BSW gegangen, die vorher bei Grünen und
Linke waren und in der Umweltpolitik gearbeitet hätten. „Hier sind sie
offener als anderswo“, sagt König. „Ich habe die Hoffnung, dass die
Koalition versteht, [4][dass wir uns in einer Klima- und Umweltkrise
befinden.]“
Die Parteispitzen geben den Koalitionsvertrag in ihre jeweiligen
Parteigremien, die dem noch zustimmen müssen. Im Dezember soll Mario Voigt
zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Die Brombeerkoalition hat aber nur
44 von 88 Sitzen im Landtag. Sie sind deswegen auf eine Stimme von der
Opposition angewiesen, also von Linkspartei oder AfD.
24 Nov 2024
## LINKS
[1] /Koalitionsvertrag-mit-BSW-in-Thueringen/!6051023
[2] /UN-Bericht-zur-globalen-Klimapolitik/!6044986
[3] /CO2-Fussabdruck-von-Milliardaerinnen/!6042595
[4] /Auswirkungen-der-Erderhitzung/!6046156
## AUTOREN
Jonas Waack
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
BSW
CDU
SPD
Thüringen
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Asylpolitik
wochentaz
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