# taz.de -- Joe Chialo und die Haushaltskürzungen: Senator zwischen Baum und B… | |
> Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) ist Projektionsfläche völlig | |
> unterschiedlicher Erwartungen. Im Frühjahr könnte er ins Bundeskabinett | |
> rücken. | |
Bild: Immer locker bleiben: Chialo mit CDU-Regierungschef Wegner und Franziska … | |
Er soll jetzt also schuld daran sein, dass Berlins Kultur künftig mit | |
weniger Geld aus der Landeskasse auskommen soll. Joe Chialo, der | |
Kultursenator mit CDU-Parteibuch, soll viel versprochen und sich dann zu | |
wenig eingesetzt haben, als es in den Haushaltsverhandlungen darum ging, | |
mit möglichst wenig Einschnitten davonzukommen. Erst der jüngste | |
öffentliche Aufschrei am Dienstag habe ihn zum Umdenken gebracht. Für ihn | |
sei der Kampf noch nicht vorbei, sagte Chialo am Dienstagabend dem RBB. In | |
diesem Zusammenhang kursieren dann Begriffe wie „zu zahm“ und „überforde… | |
über ihn. | |
Diese Kritik irritiert. Denn in gleicher Weise prasselte sie auf den | |
54-Jährigen ein, als er sehr aktiv und sehr im Sinne der Kultur [1][den | |
Umzug der Zentral- und Landesbibliothek in die Galeries Lafayette bewarb]. | |
Da hieß es mehr oder minder, Chialo handle naiv und wie ein politischer | |
Amateur, weil er seinen Vorstoß nicht mit der Partei- und Fraktionsführung | |
im Abgeordnetenhaus abgesprochen habe. Er müsse zudem wissen, dass das | |
ganze bei Milliardenlücken im Haushalt nicht zu finanzieren sei. | |
Das passt nicht zusammen. Einerseits also angeblich zu passiv, zu sehr | |
Parteisoldat, andererseits auf Kosten der CDU ein Vorkämpfer für ein | |
faszinierendes, aber bislang unbezahlbares Bibliotheksprojekt? Ein Spagat, | |
der mehr an eine fast 30 Jahre alte Kritik aus Chialos Band-Vergangenheit | |
erinnert „Joe Chialos Stimme variiert zwischen einschmeichelndem Soul, | |
harten Raps und Hardcore-Geschrei – oft innerhalb der Songs“, schrieb | |
[2][ein Musikmagazin über ihn.] | |
Der Grund für diese widersprüchliche Wahrnehmung findet sich in Chialos Weg | |
ins Amt. Ein schwarzer, lässig auftretender Musikmanager als Kultursenator? | |
Der werde ja nicht anders können, als ein Füllhorn weiterer Förderung | |
auszuschütten, war offenbar die Hoffnung in der Kulturszene. Wobei es dort | |
mutmaßlich manchem zu schlicht erschien, dass Chialo [3][die Band Santiano | |
und die Kelly Family managte]. | |
## Wegner macht Chialo zum Kandidaten | |
Auf CDU-Seite hingegen sah das ganz anders aus. Dort war zwar klar, dass da | |
Ende April 2023 keiner Kultursenator wurde, der die klassische | |
Kai-Wegner-Karriere aus Schüler-Union, Junge Union und erstem Mandat in der | |
Bezirksverordnetenversammlung durchlaufen hatte. Aber eben dieser Wegner | |
hatte Chialo ja nicht erst im Frühjahr 2023 entdeckt. | |
Schon zwei Jahre vorher setzte der heutige Regierungschef durch, dass | |
Chialo neuer CDU-Kandidat in seinem vormaligen langjährigen | |
Bundestagswahlkreis Spandau wurde. Armin Laschet, der letztlich glücklose | |
Spitzenkandidat, [4][holte ihn in sein damaliges Zukunftsteam]. Anfang 2022 | |
rückte er zudem in den CDU-Bundesvorstand. | |
In der Berliner CDU dürfte man Chialo also im Jahr 2023 durchaus als | |
Parteikollegen und weniger als einen Musikmanager gesehen haben, der sich | |
irgendwie in die Politik verirrte. Deshalb auch der Anspruch, Chialo möge | |
es erst einmal den eigenen, mit noch nie erlebten Haushaltsproblemen | |
kämpfenden CDU-Kollegen recht machen und dann der eigenen | |
(Kultur-)Klientel. | |
Wobei diese Klientel auch eine sehr spezielle ist. Um das zu erfassen, | |
reicht eine einzige Äußerung von Daniel Wesener, bis 2023 Finanzsenator und | |
nun Sprecher für Kulturfinanzierung der Grünen im Abgeordnetenhaus. | |
[5][„Geradezu apokalyptisch“ würden sich die Kürzungsbeschlüsse auf die | |
Kulturmetropole Berlin auswirken], reagierte Wesener auf die Entscheidung | |
von Schwarz-Rot. | |
## Apokalypse trotz Milliardenhaushalt? | |
Apokalyptisch? Also den Untergang betreffend, endzeitlich? Bei einem | |
Kulturhaushalt, der immer noch bei einer Milliarde Euro liegt und damit – | |
laut Regierungschef Wegner – so hoch ist wie nie vor 2023? Schon sehr | |
speziell, diese Sichtweise. Alle Bereiche streiten – nachvollziehbar – für | |
ihre Interessen, aber die Kultur kann das eben naturgemäß emotionaler | |
inszenieren. Hier die Erwartungen nicht zu erfüllen, dazu braucht es nicht | |
viel. | |
Wobei die von Chialo Enttäuschten sich in einem halben Jahr mutmaßlich | |
ohnehin mit einer anderen Ressortleitung werden arrangieren müssen. Denn | |
Chialo gilt als erster Anwärter auf den Posten des „Beauftragten der | |
Bundesregierung für Kultur und Medien“, also des inoffiziellen | |
Bundeskulturministers – falls die CDU die Wahl am 23. Februar gewinnt und | |
Friedrich Merz Bundeskanzler wird. | |
Damit wäre er Nach-Nachfolger von Monika Grütters, der früheren Berliner | |
CDU-Vorsitzenden, die ihr Amt 2021 an die Grüne Claudia Roth abgeben | |
musste. Zwar sind Merz und Chialo-Förderer Wegner [6][alles andere als | |
Freunde.] Doch das dürfte für Merz nachrangig sein, wenn es darum geht, in | |
der künftigen Bundesregierung zu zeigen, wie breit die CDU unter einer | |
Führung aufgestellt ist – ähnlich egal wie aktuelle negative | |
Chialo-Kritiken in überregionalen Feuilletons. | |
23 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Zentral--und-Landesbibliothek-Berlin/!6010195 | |
[2] https://www.rockhard.de/reviews/blue-manner-haze-blue-manner-haze | |
[3] https://www.joechialo.de/meine-story/ | |
[4] /CDU-Wahlkampf/!5794169 | |
[5] https://www.tagesspiegel.de/berlin/grosser-verlierer-im-berliner-haushalts-… | |
[6] /Berlins-CDU-Chef-fuehrt-Kritiker-an/!5958700 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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