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# taz.de -- Zukunft der Berliner Zentralbibliothek: Ein Palast der Bücher
> Für 600 Millionen Euro mit der ZLB in die Galeries Lafayette umziehen?
> Dann doch lieber richtig groß denken und das Schloss nutzen.
Bild: Das Schloss, offiziell Humboldt-Forum, wäre der wirklich angemessene Ort…
Berlin taz | Aufs Tempelhofer Feld sollte sie kommen, dann, abgespeckt und
trotzdem noch teurer, als Neubau neben die Amerika-Gedenkbibliothek. Immer
mal wieder war und ist auch von einem Umzug ins ICC die Rede.
Und nun will Kultursenator Joe Chialo (CDU) [1][noch nicht vorhandene 600
Millionen Euro investieren], um mit der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB)
in die jetzigen Galeries Lafayette an der Friedrichstraße einzuziehen. „Wir
reden über ein Projekt, das Strahlkraft haben kann für Deutschland und
Europa“, begründet er das. Da stellt sich die Frage: Warum dann nicht einen
wirklichen Palast der Bücher schaffen? Dort, wo mal ein anderer Palast
stand – der einer vermeintlichen Republik – und nun das wiederaufgebaute
Schloss das Humboldt’sche Bildungsideal verkörpern soll.
Seit 120 Jahren, so hat es Chialo jüngst im Kulturausschuss des
Abgeordnetenhauses vorgetragen, sucht Berlin nach einem neuen Standort für
seine zentrale Bibliothek. Obwohl Bücher immer mal wieder zum Auslaufmodell
erklärt werden, findet die Debatte über den Bau, der sie beherbergen soll,
großes Interesse. Die Ablehnung an einem damals mit 270 Millionen Euro
exorbitant teuer erscheinenden Neubau an der Westseite des Tempelhofer
Felds war 2014 nicht unerheblich für den Erfolg des Volksentscheids, der
das gesamte Feld unter Schutz vor Bebauung stellte.
Regelmäßig werden neue Ideen mit dem Hinweis darauf gekontert, man brauche
doch nicht neu zu bauen oder sich kostspielig irgendwo einzumieten, sondern
könne mit den Büchern doch ins ICC gehen. Aus Politikerdenke wäre das
praktisch, weil es gleich zwei Probleme lösen würde: die Standortfrage der
ZLB und die gleichfalls seit langem diskutierte Nutzung des verwaisten ICC.
## Wohnzimmer der Stadtgesellschaft
Das lässt allerdings völlig außen vor, was der bis April amtierende frühere
Kultursenator Klaus Lederer (Linkspartei) vor Jahren schon so formulierte:
Bibliotheken seien nicht bloß Buchausleihstellen, sondern Orte der
Begegnung – „quasi Wohnzimmer der Stadtgesellschaft.“ Von „geistigen
Tankstellen“ sprach Lederer auch während der Coronapandemie und begründete
damit, dass Bibliotheken geöffnet blieben, als viele Geschäfte schließen
mussten.
Aber ist ein solches Wohnzimmer im ICC vorstellbar, in einem Betonkoloss an
der Stadtautobahn? Chialos Vorstoß in die Friedrichstraße kommt Lederers
Idee schon näher, bleibt aber im wahrsten Sinne des Wortes auf halbem Weg
zwischen Blücherplatz als jetzigem Hauptstandort und der Mitte der Stadt
stehen.
Denn genau in der Mitte steht der Bau, der der Idee eines
stadtgesellschaftlichen Wohnzimmers, einer Art Agora der Hauptstadt wie
kein anderer umsetzen könnte: Hinter den viel diskutierten wie kritisierten
Fassaden des Humboldt-Forums, das weithin nur unter „Schloss“ läuft, könn…
genau die Begegnung im Bücherland geschehen, die Lederer wie Chialo
vorschwebt.
Zugegeben: Derzeit füllt anderes die immer noch neuen Räume. Doch würde man
auf Berlins Straßen fragen, was da denn genau im Schloss ist, käme
geschätzt maximal: das Südseeboot. Dieses Boot, das angeblich weltweit
einzigartige Luf-Boot aus Ozeanien, war schon Besuchermagnet, als es bis
2018 noch im Museum in Dahlem stand. Von den anderen Ausstellungsstücken
ist am meisten bekannt, dass es – wie auch beim Boot – Streit um sie als
Raubkunst und entsprechende Rückgabeforderungen gibt. Was viel damit zu tun
hat, dass man schier händeringend nach einer Nutzung des
Schloss-Wiederaufbaus suchte. Ein Ischtar-Tor, einen Pergamonaltar oder
eine Nofretete gibt es da jedenfalls nicht.
Warum also nicht die Idee des Humboldt’schen Bildungsideals zu Ende denken,
das eine ganzheitliche Ausbildung in den Künsten und Wissenschaften
fordert? Nicht dass es nicht schon grandiose Bibliotheks(neu)bauten in der
Stadt gäbe: den Lesesaal des 2009 eröffneten Jacob-und
Wilhelm-Grimm-Zentrums unweit des Bahnhofs Friedrichstraße etwa oder die
2021 nach aufwendiger Sanierung [2][wiedereröffnete Staatsbibliothek Unter
den Linden]. Aber es fehlt ein ähnlich würdiger Platz für die ZLB, der
endlich ihre beiden Standorte am Blücherplatz und in der Breiten Straße
zusammen führen würde.
In Paris, nicht gerade als Ort ohne Mitsprachrechte oder Arbeitsschutz
bekannt, entstand in den 90er Jahren binnen sechs Jahren eine neue
gigantische Nationalbibliothek. In Berlin hingegen legte sich der damalige
rot-rot-grüne Senat [3][2018 auf einen Neubau am Blücherplatz fest, bei dem
2025 der erste Spatenstich sein sollte].
Dabei ist Außergewöhnliches auch in Deutschland möglich: Die [4][2011
eröffnete ultramoderne Stadtbibliothek Stuttgart] erscheint sogar in einer
Liste der zehn schönsten Bibliotheken der Welt, in der sonst vorrangig
klassische Bücherhorte wie die Klosterbibliothek von St. Gallen vorkommen.
Mit dem Schloss hätte Berlin einen Ort für seine Zentralbibliothek
anzubieten, der es damit aufnehmen könnte.
Einwenden ließe sich: Berlin und seine Landesregierung, egal in welcher
Koalition und politischer Färbung, haben da nicht viel mitzureden, [5][weil
es der Bundestag war], der den Wiederaufbau beschloss und den Großteil der
Baukosten fürs Schloss frei gegeben hat. Interessanterweise waren das aber
mit 532 Millionen Euro weniger als jene 600 Millionen, die laut
Kultursenator Chialo bei einem Umzug in die jetzigen Galeries Lafayette
fällig wären. Ließe sich also die Bundesregierung nicht überzeugen, das
Schloss für die ZLB zu nutzen, wäre es für das Land Berlin sogar günstiger,
es ihr ganz abzukaufen – wenn nötig, auch mit Zinsen.
Kurzum: die jetzigen Ausstellungsstücke raus und den Herkunftsländer
zurückgeben oder notfalls ins Archiv, die Bücher rein ins neue „Wohnzimmer
der Stadtgesellschaft“. Nicht möglich? Warum? Eine der prägendsten Aussagen
des mit fünf Monaten Amtszeit immer noch neuen Regierungschefs Kai Wegner
(CDU) ist schließlich „Einfach mal machen“.
5 Oct 2023
## LINKS
[1] /Zentral--und-Landesbibliothek/!5959622
[2] https://blog.sbb.berlin/stabi-2030/wiedereroeffnung-unter-den-linden/
[3] /Zentral--und-Landesbibliothek/!5511689
[4] https://www.stuttgart.de/tourismus/sehenswuerdigkeiten/stadtbibliothek.php
[5] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw27-kalenderblatt-stadt…
## AUTOREN
Stefan Alberti
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Franziska Giffey
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