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# taz.de -- Olympia-Pläne in Berlin: NOlympia gilt immer noch
> Der Senat hält unbeirrt an der Idee fest, im Jahr 2036 oder 2040 die
> Olympischen Spiele auszurichten. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Bild: Festbeleuchtung am Marathontor des Berliner Olympiastadions: Die Verantwo…
## Olympia in Berlin – im Ernst?
Jep. Der schwarz-rote Senat hat sich eine Bewerbung um die Austragung der
Olympischen Sommerspiele 2036 oder 2040 auf die Fahnen geschrieben. „Wir
sehen das als große Chance für Berlin, die wir nutzen wollen“, [1][heißt es
im Koalitionsvertrag]. Die Idee geistert schon länger durch Berlins
politische Führungsriege: Bereits 2019 hatte der damalige Innen- und
Sportsenator Andreas Geisel (SPD) den gruseligen Geistesblitz, dass Berlin
sich doch als Austragungsort für die Olympischen Spiele 2036 bewerben
könnte – 100 Jahre nach der Nazi-Propagandashow, für die das Olympiastadion
gebaut wurde. Für alle, die bei diesem fragwürdigen Anlass Bauchschmerzen
kriegen, brachte man später noch eine Austragung im Jahr 2040 als
Alternative ins Spiel: Da könnte man sich dann mit 50 Jahren
Wiedervereinigung schmücken. Für diesen Fall regt die immer noch
SPD-geführte Innen- und Sportverwaltung ein „sportliches Tandem“ mit
Hamburg an – schließlich wäre es „ein tolles Zeichen“, wenn die Spiele …
„in den zwei größten Städten im Westen, Hamburg, und im Osten, Berlin,
stattfinden würden“.
## Warum reden wir jetzt darüber?
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) will am Samstag bei seiner
Mitgliederversammlung in Saarbrücken den nächsten Schritt einer deutschen
Olympia-Bewerbung beschließen – bei der Berlin neben Hamburg, München,
Leipzig und dem Ruhrgebiet ein möglicher Standort ist (siehe Interview).
Schon jetzt träumt die CDU Berlin von einem „Gewinn für alle“, sollte
Berlin eines Tages den Zuschlag kriegen. In einem [2][Post auf X]
fantasiert der Landesverband einen „Schub“ auch für den Breitensport
herbei, „der unser Land nachhaltig bereichert“. Der Senat möge doch bitte
zur Vernunft kommen, fleht dagegen die Linke-Fraktion in [3][einem Antrag],
der diesen Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus debattiert wird. Die
Fraktion fordert darin, „Größenwahnsinnsprojekte“ wie die Olympia-Bewerbu…
„unverzüglich zu stoppen“ und die dafür eingeplanten Mittel, nun ja, „d…
Sicherung der Angebote des Breitensports in Berlin zuzuführen“.
## Was wurde bislang unternommen?
… vor allem Partys gefeiert. Das Land Berlin hat während der Olympischen
und Paralympischen Spiele in Paris diesen Sommer zwei „Berliner Abende“ im
„Deutschen Haus“ veranstaltet. Es sei „unerlässlich, sich angemessen als
potenzielle gastgebende Region in Paris zu präsentieren“, erklärte die
Innenverwaltung damals. 168.000 Euro hat man sich die Feten mit
authentischen „Curry36“-Würsten kosten lassen. Auch ansonsten ist wenig
Substanzielles passiert: Wie die weiteren deutschen Bewerber hat Berlin
unverbindlich bekräftigt, dass man Interesse an einer Austragung hat. Zudem
sind im Haushalt für das kommende Jahr 500.000 Euro eingestellt, mit denen
das Land die Olympia-Kampagne starten könnte.
## Was kosten Olympische Spiele?
Das Ausrichten Olympischer Spiele ist mit unübersichtlichen Kosten in
Milliardenhöhe verbunden. [4][Die Spiele in Paris] im Sommer sollten
sparsam sein, verschlangen letztlich mindestens 9 Milliarden Euro, andere
Schätzungen gehen gar von 12 Milliarden aus, von denen etwa zwei Drittel
aus öffentlichen Kassen finanziert werden mussten. Aufgrund von Inflation
und gestiegenen Ausgaben für Sicherheit lagen sie etwa 50 Prozent über dem
ursprünglichen Plan. Das alles ist nichts gegen das Vorhaben in Berlin:
Laut Schätzungen der Finanzverwaltung aus dem vergangenen Jahr könnten die
Spiele hier gar 16 Milliarden Euro kosten – plus die noch nicht
kalkulierbaren Steigerungen. Wie viel davon das Olympische Komitee (IOC),
wie viel der Bund übernehmen würden, ist völlig unklar. Dass sich die
Investitionen durch hohe Einnahmen etwa durch zusätzlichen Tourismus
rechnen, wird gern behauptet, braucht aber viel Fantasie. Um auf die
Einnahmen zu kommen, die auch nur ansatzweise die Kosten decken, rechnete
man in Paris mit Effekten von der Bewerbung 2018 bis zum Erbe der Spiele
2034.
## Ist das Geld dafür da?
In Berlin quietscht es derzeit an allen Ecken und Enden aufgrund eines
Haushaltslochs von 3 Milliarden Euro, das unter anderem mit
[5][Einsparungen in Höhe von 2 Milliarden] Euro notdürftig gestopft werden
soll. Betroffen ist auch der Sport. Weniger Geld gibt es für die
Instandhaltung des Olympiastadions, das Schul- und
Sportstättensanierungsprogramm, für Maßnahmen zur Entwicklung der
„Sportmetropole Berlin“ oder für die [6][Umgestaltung des
Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks], bei der der Senat die Kosten von mehr
als 300 Millionen auf möglichst weniger als 250 Millionen Euro senken
möchte. Auch die geplanten Kombibäder in Pankow und Marzahn-Hellersdorf
werden wohl gestrichen und durch normale Hallenbäder ersetzt. Aber für die
Olympia-Träume wäre Geld da: Sollte Berlin den Zuschlag als deutscher
Bewerber erhalten, sind rund 10 Millionen Euro allein für Werbemaßnahmen
vorgesehen.
## Ist doch schon alles bereit?
Der Senat gaukelt vor, dass Olympia praktisch morgen starten könne. 70
Prozent der Sportstätten seien vorhanden, heißt es mantramäßig. Nur: Kaum
eine davon ist olympiatauglich. Eine Generalüberholung bräuchten das für
Radsport vorgesehene Velodrom, die benachbarte Schwimm- und Sprunghalle,
das Steffi-Graf-Stadion oder das Sportforum Hohenschönhausen, ganz
abgesehen von der Ruderstrecke Grünau. Klar ist zudem: Die Mehrzweckhalle
am Ostbahnhof und die Max-Schmeling-Halle reichen für all die olympischen
Hallensportarten bei Weitem nicht aus.
## Welche Herausforderungen gibt es noch?
Selbst die Entwicklung des ICC oder des Tempelhofer Flughafengebäudes
überfordern die Stadtpolitik – Olympia aber will man stemmen können. Als
wäre es ein Leichtes für die Stadt, den öffentlichen Personennahverkehr für
Millionen zusätzliche Gäste zu ertüchtigen oder den Bau eines olympisches
Dorfes für 15.000 Athlet:innen aus dem Boden zu stampfen. Für keine
dieser Mammutaufgaben gibt es Konzepte. Der [7][Fach-Newsletter Sport &
Politics] konstatiert ganz nüchtern: „Außer einer diffusen olympischen
Ideologie und weitgehend irreführend-falschen Versprechen haben die
Wortführer der Bewerbung nichts zu bieten.“
## Olympia in Berlin – war da nicht was?
Abgesehen von den Nazi-Spielen 1936 versuchte Berlin sich Olympia im Jahr
2000 zu sichern, scheiterte aber bei der IOC-Abstimmung 1993 kläglich mit
nur neun Stimmen – den Zuschlag erhielt Sydney. Die
Selbstbedienungsmentalität der Verantwortlichen, Gefälligkeiten gegenüber
IOC-Mitgliedern, aber vor allem eine starke, auch militante
„NOlympia“-Kampagne ließen die Träume des damaligen schwarz-roten Senats
zerplatzen – zur Freude der großen Mehrheit der Berliner:innen, die den
Extraschub neoliberaler Stadtentwicklung ganz sicher nicht brauchten.
4 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/_assets/dokumentation/koalitionsvertrag_2023-…
[2] https://x.com/cduberlin/status/1864291629709807974
[3] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-2059.pdf
[4] /Olympia-Proteste-in-Paris/!5754048
[5] /Kuerzungen-im-Berliner-Landeshaushalt/!6050843
[6] /Siegerentwurf-fuer-den-Jahnsportpark/!5899394
[7] https://www.sportandpolitics.de/milliardenprojekt-die-grosse-luge-von-der-o…
## AUTOREN
Hanno Fleckenstein
Erik Peter
## TAGS
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