# taz.de -- Zukunft der Theater: Eine Blaupause gibt es nicht | |
> Im Deutschen Architekturmuseum Frankfurt untersucht eine Ausstellung die | |
> Zukunft der Theaterbauten. Sie vergleicht teure mit gelungenen Fällen. | |
Bild: Im Operaparken in Kopenhagen von Cobe Architects kann man sogar auf dem S… | |
Vor gut zehn Tagen drang an die Öffentlichkeit, dass die Sanierung des | |
Opernhauses in Stuttgart noch erheblich teurer werden soll als die | |
ursprünglich veranschlagte 1 Milliarde Euro. Zuerst berichtete der SWR „aus | |
Insiderkreisen“, dass die Sanierung zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro | |
kosten könnte, außerdem werde das Bauvorhaben „nach neuesten Erkenntnissen�… | |
erst im Jahr 2044 fertig – vier Jahre später als geplant. | |
An fatale Nachrichten dieser Art ist man in Deutschland bereits gewöhnt. | |
Nicht nur spektakuläre Großbauten (Stuttgart21, BER, Elbphilharmonie et | |
cetera) laufen aus dem Ruder, auch und gerade Sanierungen im Bestand bergen | |
schwer kalkulierbare Risiken. | |
So läuft die [1][Sanierungskrise der Kölner Oper] bereits in einer | |
Dauerschleife. Das Haus am Offenbachplatz aus den 1960er Jahren sollte | |
bereits 2015 wiedereröffnet werden, der Termin wurde nach etlichen, jeweils | |
kurzfristig bekannt gegebenen Verschiebungen kürzlich auf einen | |
unbestimmten Zeitpunkt verschoben. | |
## Sanierungskrise der Kölner Oper | |
Auch dort zirkuliert mittlerweile eine Zahl von 1,5 Milliarden Euro, | |
woraufhin die SPD kürzlich einen Antrag auf sofortigen Baustopp an der Oper | |
stellte. Kulturbauten werden mehr als andere Bauvorhaben schnell zum | |
Politikum, auch weil die dem Populismus zugeneigte Politik dem wachsenden | |
Legitimationsdruck auf Institutionen der sogenannten Hochkultur gern | |
nachgibt. | |
„Das klingt nach Selbstmord aus Verzweiflung“, sagt Yorck Förster zum | |
Kölner Fall, Kurator der Ausstellung „Ganz große Oper – viel mehr Theater? | |
Bühnenbauten im europäischen Vergleich“ im Deutschen Architekturmuseum in | |
Frankfurt, die auch das rheinische Debakel thematisiert. Die Ausstellung | |
nimmt den Faden einer bereits vor sechs Jahren präsentierten Schau wieder | |
auf, die seinerzeit auf eine Machbarkeitsstudie zur Zukunft der | |
[2][sanierungsbedürftigen Bühnen der Stadt Frankfurt] reagierte. | |
Damals stand noch die Zahl von 900 Millionen Euro im Raum. Das nahm das | |
Museum zum Anlass, die Studie aufzuschlüsseln, exemplarische Beispiele | |
anzuführen und zugleich Impulse zu setzen mit der Dokumentation geglückter | |
Projekte. | |
Die Ausstellung tourte anschließend durch etliche Städte, unter anderem war | |
sie im Düsseldorfer Opernhaus zu sehen, wo sie eine kontrovers geführte | |
öffentliche Debatte anstieß, die in einem Beschluss mündete, das ebenfalls | |
sanierungsbedürftige Haus an der Heinrich-Heine-Allee aufzugeben. Also | |
Neubau statt überfälliger Sanierung. Es folgten hitzige | |
Standort-Diskussionen, die nun gelöst scheinen, da die Stadt ein großes | |
Grundstück aus der Insolvenzmasse der Signa-Gesellschaft erworben hat. | |
## Aufgeschobene Probleme über Jahrzehnte | |
Doch auch hier mehren sich nun kritische Stimmen ob der immensen Kosten. | |
Zumindest würde ein Neubau auf dem Signa-Gelände die Kosten einer | |
Interimsspielstätte einsparen. | |
Kaum ein Theaterstandort in Deutschland entkommt früher oder später den | |
jahrzehntelang aufgeschobenen Problemen, die letztendlich auf die | |
Verheerungen des Zweiten Weltkriegs zurückführen sind. Denn viele Theater | |
wurde auf Ruinen aufgebaut, immer wieder umgebaut und erweitert. | |
Wie etwa das Frankfurter Doppelhaus aus Schauspiel- und Opernhaus am | |
Willy-Brandt-Platz, von dem ein großes Foto in der Ausstellung das | |
Flickwerk dokumentiert. Basis des heute maroden Baus war das Schauspielhaus | |
von 1902, dann wurde ein Bühnenturm drangesetzt für das neue Opernhaus, | |
dann kam die Erweiterung mit dem Schauspielhaus. Es folgten Umbauten nach | |
einem Brand in den 1980er Jahren, aus Brandschutzgründen wurde der Zugang | |
zum Schauspiel verändert und schließlich noch ein Malersaal draufgesetzt: | |
„Eine Sache, die extrem verbastelt ist“, sagt Kurator Förster. | |
## Opernhaus Oslo als Vorbild | |
Das Frankfurter Museum knüpft nun an die Vorgängerausstellung an und | |
dokumentiert Modelllösungen – wie etwa das viel besungene Opernhaus in | |
Oslo, schaut aber auch auf aktuelle Entwicklungen, neue Lösungen und | |
Problemfälle. „Uns interessiert eher der Prozess, was sich in den Städten | |
ereignet“, sagt Förster. Nicht nur technisch, vor allem auch | |
gesellschaftspolitisch sollen Theater heute viel mehr können als noch vor | |
50 Jahren. | |
Theater sollen offene Orte der Begegnung sein, breitere Publikumsschichten | |
anziehen und ganztags zugänglich sein. Nicht zuletzt auch deshalb, weil den | |
Theatern mehr und mehr pädagogische Aufgaben zufallen, die von der | |
eigentlich dafür verantwortlichen Politik an sie weitergereicht werden. | |
In ganz Europa stehen Theater vor elementaren Legitimationsfragen, die mit | |
neuen Raum- und Nutzungskonzepten beantwortet sein wollen. „Das | |
Entscheidende ist ja bereits in der Nachkriegszeit passiert“, sagt Förster, | |
„nämlich die Abkehr vom klassischen Opernhaus, wo sich ein kleiner Kreis | |
hinter geschlossenen Türen traf. Damals setzten die Neubauten auf | |
Transparenz und Öffnung, eben auf Glas, etwa in Mannheim, Frankfurt, oder | |
Gelsenkirchen.“ | |
Heute ist Transparenz nur die Voraussetzung für mehr: In Oslo ist das | |
begehbare Dach ebenso geöffnet wie das Foyer. Am Schauspielhaus in | |
Kopenhagen direkt am Wasser gibt es einen Steg mit Sonnenstühlen, sogar | |
schwimmen kann man dort. Aber nicht jedes Theater liegt am Wasser, viele | |
Sanierungen im Bestand betreffen Bauten mit enger Nachbarschaft. | |
## Kulturpalast Dresden hybrid genutzt | |
Ein in der Ausstellung gezeigtes Beispiel für eine [3][gelungene Sanierung | |
mit Umnutzung ist der Kulturpalast Dresden], ehemals für | |
Parteiveranstaltungen gedacht, nun ein Beispiel für hybride Nutzung. Das | |
Haus ist heute der Sitz der Dresdner Philharmoniker und der | |
Stadtbibliothek, außerdem residiert dort das Kabarett Die Herkuleskeule. | |
Das Haus ist also ganztags belebt. | |
Ein weiteres Beispiel aus jüngster Zeit ist die begeistert angenommene | |
Isarphilharmonie, eigentlich „nur“ Ausweichspielstätte des in Sanierung | |
befindlichen Münchner Gasteig: In einer Transformatorenhalle wurde ein | |
modularer Konzertsaal mit 1.800 Plätzen installiert, auch hier herrscht | |
ganztägig Betrieb. | |
[4][In München darf auch ein Neubau als geglückt gelten, das Volkstheater, | |
das auf einem Schlachthofareal errichtet wurde]. Hier setzte man mit Erfolg | |
auf eine Architekten-Bauherrengemeinschaft mit einer Festpreisabsprache | |
zwischen Baureferat und Generalunternehmer. Das architektonisch reizvolle | |
Theater hat genau 131 Millionen Euro gekostet und wurde pünktlich fertig. | |
Die Ausstellung stellt auf metergroßen Fototafeln Bauprojekte vor, ergänzt | |
mit Erläuterungen zu den Basisdaten sowie zu den Konzepten der Bauten. Zwei | |
Grafiktafeln veranschaulichen die Größenordnungen, die Kosten und die | |
Zeiträume von der Planung bis zur Realisierung. Die deutschen Bühnen | |
behaupten abgesehen von den erwähnten Ausnahmen in Sachen Größe und Kosten | |
die Spitzenplätze. Das sollte zu denken geben. | |
Deutlich wird aber auch: Es gibt keine Blaupause für gelungene | |
Theaterbauten, zu unterschiedlich sind die Anforderungen und | |
Voraussetzungen. Was aber als gesetzt gilt: Theaterbauten sollten sich | |
tagsüber öffnen für eine breiteres Publikum. Und Neubauten tun sich dabei | |
leichter als Sanierungen im Bestand. | |
18 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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