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# taz.de -- Kulturpolitik in Köln: Pervertierung demokratischer Praxis
> Köln gibt sich alle Mühe, seinen Ruf zu verspielen. Nicht erst seit dem
> Einsturz des Stadtarchivs beflecken Fehlplanungen das Glanzbild der
> "Kulturmetropole am Rhein".
Bild: Der Einsturz des Stadtarchivs war nur die Spitze des Eisbergs von Fehlpla…
Mehr Aufmerksamkeit kann sich die Kultur eigentlich nicht wünschen: Am 30.
August stehen in NRW Kommunalwahlen an, und in Köln haben die Fragen nach
dem Opernquartier, nach Jüdischem Museum und Historischem Archiv
Wahlkampfthemen wie Arbeitslosigkeit oder Steuereinbrüche fast komplett an
den Rand gerückt. Ein "Erfolg", der einem kulturpolitischen
Katastrophenszenario und Missmanagement zu verdanken ist, das
seinesgleichen sucht.
Köln ist zwar regelmäßig für Peinlichkeiten gut, doch allein im ersten
Halbjahr 2009 hat sich die Schlagzahl auf eine Weise erhöht, die atemlos
macht. Und es geht hier nicht um das Historische Stadtarchiv, das im März
infolge des U-Bahn-Baus einstürzte. Dies war nur die bundesweit
wahrgenommene Spitze des Eisbergs. Anstatt zügig über einen Archivneubau zu
entscheiden, gerieten sich Politik und Verwaltung in die Haare. Zusätzliche
Munition erhielt der Streit durch die gerade bekannt gewordenen
Fehlberechnungen beim Projekt "Opernquartier".
Nach langen Diskussionen hatte sich die Stadt für die Sanierung des maroden
Opernhauses und den Neubau des Schauspielhauses ab 2010 entschieden, hatte
einen Architekturwettbewerb abgehalten und einen Kostendeckel bei 230
Millionen Euro eingezogen. Nach detaillierten Berechnungen bezifferte
Baudezernent Bernd Streitberger die Kosten nun auf 364 Millionen Euro.
Haustechnik und Raumvolumina waren offenbar nur unzureichend veranschlagt
worden.
Oberbürgermeister Fritz Schramma stoppte daraufhin die Planungen und
verordnete den Rollback: Neubau und Standort stehen plötzlich komplett zur
Disposition. Dabei hatte ein externer Kostenermittler bereits vor einem
Jahr den siegreichen Entwurf der Büros JSWD und Chaix & Morel auf 270
Millionen Euro taxiert. Falsche Berechnung oder naiver Kostendeckel?
Letztlich führt dieses Tohuwabohu zu einer Pervertierung demokratischer
Praxis. Anstatt um die beste Lösung zu streiten, erklären die Parteien die
Verwaltung zum gemeinsamen Feind, dem man sich fachlich völlig ausgeliefert
sieht. Da stellt sich die Frage, ob eine Millionenstadt im
Standortwettbewerb überhaupt noch von ehrenamtlichen Politikern zu regieren
ist. Doch die Kölner Kulturpolitik "glänzt" auch durch Eigenheiten wie die
Überheblichkeit, das Beste für gerade gut genug zu halten, aber nur
Discountpreise bezahlen zu wollen. Schlagendes Beispiel ist das Anfang Juni
ins Straucheln geratene Kombiprojekt "Archäologische Zone/Jüdisches Museum"
auf dem Rathausvorplatz.
Antike und mittelalterliche Grabungsfunde (darunter Reste einer Mikwe und
einer Synagoge) sollten als archäologische Zone in den Basisgeschossen
eines sich schützend darüber erhebenden jüdischen Museums gezeigt werden.
Ein schöner Plan, umso mehr als die Baufinanzierung der Zone zu 80 Prozent
aus dem NRW-Strukturfonds Regionale 2010 kommt; Bau und Betrieb des Museums
dagegen überließ man der privaten Gesellschaft zur Förderung eines Hauses
und Museums der Jüdischen Kultur in NRW e. V. Die hat jetzt ihr Scheitern
eingestanden: Kein Geld nirgends. Nun gerät die Stadt in Zugzwang: Sollte
der Baubeginn nämlich nicht 2010 erfolgen, stehen die Landesmittel auf dem
Spiel. Also wird jetzt gestrichen und kleingerechnet.
Psychologisch schwankt Köln ständig zwischen Narzissmus und Depression. Da
trägt man mit satter Vollmundigkeit den Anspruch der "Kulturmetropole am
Rhein" vor sich her - und schaut zugleich mit manischer Besessenheit auf
jedes Ranking. Kulturindex, Kulturausgaben im Städtevergleich, die Listung
durch die New York Times unter den 44 sehenswertesten Städten - alles wird
gierig konsumiert zwischen trotzigem "Wir sind wir" und verzehrendem
Minderwertigkeitsgefühl.
Darunter allerdings liegt eine erschreckende Gleichgültigkeit. Als im
Januar die auch Köln angebotene Fotosammlung Ann und Jürgen Wilde mit den
Archiven eines Karl Blossfeldt und Albert Renger-Patzsch nach München
umzog, nahm man das mit Achselzucken hin. So wie man auch die Stifter eines
Erweiterungsbaus des Stadtmuseums, der nun ebenfalls in Turbulenzen geraten
ist, lange vor den Kopf stieß.
Schlimmer ergeht es dem Tanz. Seit 1995 besitzt Köln keine städtische
Compagnie mehr. Der Plan, ein gemeinsames Tanzensemble mit Bonn ins Leben
zu rufen, ist vor Kurzem gescheitert; nun plant Köln eine eigene Tanzsparte
für 2013 im neuen Opernquartier - wenn der Rollback überhaupt noch
Balletträume übrig lässt. Und schließlich wäre da noch die 2002 abgerissene
Kunsthalle am Neumarkt, an deren Stelle zunächst jahrelang eine Baulücke
klaffte. Inzwischen geht dort der Bau des Völkerkundemuseums mit
vierjähriger Verzögerung seiner Vollendung entgegen. Einen Ersatz für die
Kunsthalle gibt es allerdings bis heute nicht.
Es ist diese Unempfindlichkeit, die die Kölner Kulturpolitik so gefährlich
macht, weil sie Verluste und eigenes Versagen schlicht verdrängt.
Vielleicht liegt darin auch der Grund, warum Kölns Kulturdezernent Georg
Quander gerade zum zweiten Mal Reißaus zu nehmen versuchte. Seine Bewerbung
um die Intendanz der Stuttgarter Staatsoper schlug allerdings genauso
jämmerlich fehl wie vor zwei Jahren sein Manöver, sich aus der
Findungskommission für die Kölner Opernintendanz heraus selbst ins Spiel zu
bringen. Dass die Politik diese Stellenbesetzung zur Groteske machte,
beantwortet allerdings nicht die Frage, was eine Stadt mit einem
Kulturdezernenten soll, der lieber heute als morgen sein Amt aufgibt.
Nichtsdestotrotz hat Quander Erfolge vorzuweisen. Er kam 2005, in Kölns
kulturpolitisch bleiernen Jahren, ins Amt. Der Kulturetat dümpelte bei
beschämenden 3,1 Prozent des Gesamthaushalts herum, die Bewerbung zur
Kulturhauptstadt 2010 war peinlich in die Hose gegangen. Quander setzte
Steigerungsraten seines Etats durch, holte markante Persönlichkeiten wie
die Schauspielchefin Karin Beier und gab der Kulturpolitik Verlässlichkeit
zurück. Zugleich arbeitete er den von der Politik initiierten
Kulturentwicklungsplan aus. Der betont zwar vor allem Kölns alte Stärken in
Musik, Kunst und Theater und setzt auf "Kulturmarketing als Stadtmarketing"
sowie die Kreativwirtschaft; doch er formuliert erstmals Ziele, benennt
Wege dahin und sagt, was es kostet.
Und er zeigt sich innovativ wie bei dem Projekt einer Akademie der Künste
der Welt. Es war der Islamwissenschaftler Navid Kermani, der 2007 die
Gründung einer Institution analog zum Berliner Haus der Kulturen der Welt
in Köln vorschlug. Daraus wurde dann das Konzept einer Akademie, die mit
internationalen Künstlern besetzt sein soll, die ein Stipendiatenprogramm
und eine lokale Jugendakademie betreibt sowie Projekte mit städtischen
Institutionen und Initiativen auf die Beine stellt. Der Stadtrat war
begeistert und winkte das Konzept im Juni fast einstimmig durch. Die
Bereitstellung des Jahresetats von rund 1,2 Millionen Euro wurde jedoch in
die nach der Wahl stattfindenden Haushaltsberatungen verwiesen.
Nicht verschwiegen werden sollen aber auch Kölner Erfolge wie die Erhöhung
des Kulturetats, ein neues Kinderkulturhaus oder das brillierende
Schauspiel; genauso wenig der sich in dem Zusammenschluss Kölner Komment
formierende Widerstand gegen den Dilettantismus. Am Ende der
Legislaturperiode treten nun wichtige Akteure der Kulturpolitik ab; sollten
die Parteien schwachbrüstige Nachfolger ohne Fraktionsrückhalt benennen,
dürfte das jetzige Chaos nur der Anfang gewesen sein. Denn im Herbst stehen
die Beratungen für den Doppelhaushalt 2010/11 an und die Kämmerei soll
bereits eine Einsparvorgabe von 30 Prozent gemacht haben. Wenn die
Kulturpolitik da nicht gegenhalten kann, dürfte Köln längstens die
"Kulturmetropole am Rhein" gewesen sein. Bonn und Düsseldorf stehen bereit.
11 Aug 2009
## AUTOREN
Hans-Christoph Zimmermann
## TAGS
wochentaz
Baustelle
Köln
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