# taz.de -- Hamburg holt umstrittenen Kölner Baudezernenten: Der Design-Kiosk … | |
> Franz-Josef Höing wird Hamburgs neuer Oberbaudirektor. Dabei hat er in | |
> den letzten fünf Jahren in Köln wenig bewegt. Ein Zwischenruf aus Kölner | |
> Perspektive | |
Bild: War dem Bauderzernenten zu schade für ein normales Bier-Büdchen: Kölne… | |
Jetzt loben sie ihn alle, unseren Herrn Höing. Jetzt, wo er nach Hamburg | |
geht, ist unser Baudezernent plötzlich ganz toll gewesen. Dabei sind doch | |
alle in Köln froh, dass sie ihn los sind: die Ratsleute, die Journalisten – | |
und wir Bürger sowieso. Denn der Mann hat gern vom Planen und Entscheiden | |
gesprochen. Er hat auch gesagt, dass man vor Beginn irgendwelcher Projekte | |
die Kosten klar benennen sollte. Und dass die Stadtverwaltung im | |
Zweifelsfall verantwortlich wäre. | |
Sich selbst hat er damit aber nicht gemeint. Gut, am Debakel mit der | |
Sanierung des Opernhauses aus den 1950er-Jahren, die immer teurer und | |
später wird, ist er nicht schuld. Diese Baustelle gab es schon, als er sein | |
Amt antrat. | |
Aber seit 2012 war Höing durchaus zuständig für diese Baustelle, die | |
eigentlich 2015 fertig sein sollte und für die jetzt 2020 im Gespräch ist. | |
Dass er mit verantwortlich wäre, haben wir allerdings nie gehört; das sind | |
immer andere gewesen, die Baufirmen oder so. Dabei muss der gesamte | |
Opernspielbetrieb seit Jahren auf völlig ungeeignete Provisorien wie Zelte | |
und sonstwie absurde Orte ausweichen. | |
Und dann das große Loch vor unserem schönen alten Rathaus: Eigentlich sind | |
wir immer gern auf diesem Platz herumgeschlendert. Und das jüdische | |
Ritualbad im Boden – die Mikwe aus dem mittelalterlichen Getto – hat uns | |
nicht gestört. Bis die Stadtväter irgendwann meinten, den Platz zur | |
archäologischen Grabungszone machen zu müssen, auf der später ein Museum | |
entsteht. Und zwar genau dort, eingequetscht vorm Rathaus. Und nicht | |
daneben, wo genug Platz gewesen wäre. | |
Das hat viel Streit gegeben, auch unter Höing noch. Tja, und jetzt ist da | |
eine Grube, mit Zelten abgedeckt, und an guten Tagen kann man ein, zwei | |
Bauarbeiter besichtigen, die ein bisschen Erde schaufeln. Wahrscheinlich | |
hat Höing die als Statisten geschickt, damit man nicht merkt, dass er auch | |
für den lange geplanten Anbau des benachbarten Wallraf-Richartz-Museums | |
noch nicht den Grundstein gelegt hat in seinen fünf Amtsjahren. | |
Was war noch? Ach ja, der Stadtarchiv-Einsturz. Der war zwar drei Jahre, | |
bevor Höing kam. Aber dass da heute immer noch eine Baugrube klafft, geht | |
ja wohl aufs Konto des Baudezernenten, oder? Wahrscheinlich liebt er | |
unfertige Baustellen, die haben so was von Aufbruch und Zukunft. | |
## Boulevard am Rhein | |
Aber das ist ja alles noch gar nichts gegen unseren „Rheinboulevard“, eine | |
lange weiße Sitz-Treppe, die wir vor zwei Jahren für 26 Millionen bekommen | |
haben. Der liegt in Köln-Deutz, auf der anderen Rheinseite, sieht so | |
ähnlich aus wie Hamburgs Jungfernstieg, und man hat einen wunderbaren Blick | |
auf die Kölner Altstadt. Eigentlich sollten wir Kölner uns da erholen und | |
faulenzen können, wenn mal ausnahmsweise die Sonne scheint. | |
Und was passierte? Der Nobel-Boulevard wurde zum Betrunkenen- und | |
Dealertreff mit allabendlichen Schlägereien. Inzwischen patrouilliert da | |
regelmäßig die Polizei, Wildpinkeln ist bei Strafe verboten, und die Stadt | |
überlegt, eventuell doch mal Toilettenhäuschen aufzustellen. | |
Auch dass da viele Menschen Wasserpfeife rauchen und die Treppe | |
vollklecksen würden, traf Höing und die Seinen völlig überraschend. | |
Inzwischen herrscht dort Shisha-Verbot, und die Reinigung des | |
Nobel-Boulevards kostet 860.000 Euro im Jahr. | |
Völlig unerwartet war wohl auch, dass die Leute, die da herumsitzen, | |
vielleicht was trinken wollen würden. Also hat die Stadt einen | |
provisorischen Bierwagen aufgestellt und überlegt, später einen permanenten | |
Container hinzusetzen. | |
Aber das war unserem Höing ja nicht gut genug. Der wollte da einen feinen | |
Design-Kiosk haben, der der „architektonisch hochwertigen Qualität“ des | |
Boulevards entsprach, wie er es ausdrückte. Er wollte das Projekt hoch | |
ausschreiben, drei Architekturbüros sollten drei mögliche Kiosk-Standorte | |
prüfen und Entwürfe ausarbeiten. Das alles nachhaltig und ästhetisch | |
anspruchsvoll. | |
Womit Höing vielleicht auch durchgekommen wäre, wenn nicht der gute alte | |
Kölner Stadtanzeiger mal wieder eine dieser schönen Leserbrief-Seiten | |
gedruckt hätte, wo sich der geballte Volkszorn austobte. Sogar eine | |
Internet-Umfrage haben die gemacht. „Der Kiosk veredelt unser neues | |
Wahrzeichen“ oder „Ist doch nur ein Büdchen“ konnte man da anklicken. Was | |
haben wir gelacht! Da haben die vom Rat wohl Angst bekommen und den | |
Wettbewerb abgeblasen. | |
Zur Strafe hat sich Höing dann die Domplatte, den großen Platz vorm Kölner | |
Dom, vorgenommen. Dessen Randbebauung soll neu gestaltet werden, obwohl das | |
Eckgebäude des einstigen Diözesanmuseums und des Raritäten-Buchladens ein | |
Stück Heimat für uns war und man die schönen Gebäude auch hätte sanieren | |
können. | |
Aber ehe wir „piep“ sagen konnten, hatte der Höing schon den Sieger des | |
Architektenwettbewerbs zur Hand. Für uns Normalbürger waren das einfach nur | |
Klötze, aber Höing sah das anders: „Es gibt verschiedene Arten von Klötzen. | |
Es gibt filigrane Klötze, und es gibt klotzige Klötze“, fand er. | |
Und dann kommt es ja noch drauf an, wer die baut. Und wie lange es dauert | |
und wie teuer es wird. Aber das kann dem Höing jetzt egal sein. In Zukunft | |
habt ja ihr Hamburger das Vergnügen. | |
23 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
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