# taz.de -- Latino Vote im US-Wahlkampf: Jede und jeder eine Welt für sich | |
> Im Swing State Arizona könnten die Latinos entscheiden, wer US-Präsident | |
> wird. Aber ist es sinnvoll, von dem Latino Vote zu sprechen? Eine | |
> Spurensuche. | |
Bild: Prescott Valley in Arizona, Mitte Oktober: Latino-Fahne für Trump | |
Auf seinem linken Arm steht „Echte Männer beten“, auf dem rechten „Der H… | |
ist mein Hirte“. Alex Moreno, 61 Jahre alt, bulliger Typ mit Schnurrbart, | |
sitzt versunken in seinen Sessel mit gehäkelten Überzügen auf den | |
Armlehnen. Und in den großen Flachbildfernseher, auf dem gerade der | |
rechtsextreme Sender Real America’s Voice läuft. | |
„Wir danken Gott für Donald Trump. Er ist die Rolltreppe heruntergekommen | |
und hat getan, was er versprochen hat“, sagt Alex Moreno. | |
Norma Moreno, 70, trägt einen Sticker auf der Brust, auf dem steht, dass | |
sie schon gewählt hat. Sie hat an Haustüren geklopft, Schilder auf | |
vielbefahrenen Kreuzungen aufgestellt und Menschen angerufen, um sie von | |
Trump zu überzeugen. Und an diesem Tag hat sie ihn gewählt. | |
„Wir orientieren uns an unseren Werten. Auch beim Thema Abtreibung. Das ist | |
uns sehr wichtig“, sagt Norma Moreno. Die Morenos gehören zu den über 60 | |
Millionen Latinos, der größten Minderheit in den USA. Sie stellt 15 Prozent | |
aller Wahlberechtigten. Besonderes Gewicht haben ihre Stimmen im Swing | |
State Arizona. | |
Dieser Bundesstaat im Süden, an der Grenze zu Mexiko gelegen, wählt | |
eigentlich republikanisch. Doch der Demokrat Joe Biden hat hier die letzte | |
Wahl im Jahr 2020 überraschend mit einem knappen Vorsprung von 11.000 | |
Stimmen gewonnen. Und in Arizona machen die Latinos sogar ein Viertel der | |
Wahlberechtigten aus. | |
Die Latinos in den USA entscheiden sich traditionell mehrheitlich | |
demokratisch. Trotzdem gab es immer viele Latinos, die für die Republikaner | |
gestimmt haben. 1980 etwa konnte der Republikaner Ronald Reagan 37 Prozent | |
ihrer Stimmen gewinnen. 2004 wählten 44 Prozent der Latinos George W. Bush | |
– das bisher beste Ergebnis eines Republikaners. Dann kam ein Tief. | |
[1][Seit Trump geht es wieder aufwärts.] [2][Laut einer Umfrage der New | |
York Times vom Oktober kommt er unter Latinos auf 37 Prozent.] | |
Das gilt manchen als Beleg für einen Rechtsruck in der Latino-Community. | |
Eine Minderheit, Nachfahren von Migranten, die einen Kandidaten | |
unterstützt, der gegen Minderheiten und Migranten hetzt. Ein demoskopisches | |
Kuriosum. Ein Widerspruch? | |
Der eigentliche Widerspruch sei, dass die Leute Trump als Rassisten | |
bezeichneten, antwortet Estevan Manuel, ehemaliger Ringer mit | |
entsprechender Statur, das schwarze Polo-Shirt ordentlich in die Hose | |
gesteckt. „Wenn du dir seine Politik ansiehst und was er wirklich sagt, | |
dann ist alles richtig.“ Eine von diesen ungemütlichen Wahrheiten sei die | |
über Migranten, die Drogen in das Land brächten. „Er lügt nicht.“ | |
Und was, wenn Trump auch ihn, Estevan Manuel, meint, wenn er von der | |
größten Deportation der Geschichte der USA spricht? „Mir wird schon nichts | |
passieren. Aber ich kann nicht für andere Latinos sprechen. Ich habe einen | |
Freund, der viel mexikanischer aussieht. Der wird anders behandelt als ich. | |
Aber so ist das eben.“ – „That’s just the way it is“ – wie es schon… | |
gesellschaftskritischem Rap-Klassiker „Changes“ von Tupac hieß. | |
Estevan Manuel, 28 Jahre alt, weiß nicht gleich, was er will, als ihn ein | |
Starbucks-Mitarbeiter an der Stadtautobahn von Phoenix fragt. „Mach mir | |
doch was mit Pumpkin Spice“, sagt er dann. Ein paar Autominuten weiter | |
erklärt er auf seiner Veranda, auf der ein Zombie und ein Horrorclown auf | |
Halloween warten, was es heißt, ein richtiger Mann zu sein. | |
„Amerika heißt stark sein. Sei verdammt noch mal ein Mann! Ich habe das | |
Gefühl, Amerika bewegt sich weg davon. Wir brauchen jemand Starkes.“ | |
Die Familie von Manuels Mutter lebt schon seit sechs Generationen in den | |
USA. Sein Großvater väterlicherseits ist aus der mexikanischen Grenzstadt | |
Nogales eingewandert. Für ihn selbst sei Mexiko heute ein Urlaubsland. | |
Manuel lebt mit seiner Frau, ihrem anderthalbjährigen Sohn und vier | |
Mitbewohner:innen in einem Haus, das dem Vater seiner Frau gehört. | |
Sie hätten auf ein Haus gespart, es habe ganz gut ausgesehen, dann sei die | |
neue Regierung gekommen und die Zinsen seien hochgegangen und alles den | |
Bach runter. Manuel hat einen College-Abschluss in Management. Er hat eine | |
eigene Firma, die Hüpfburgen, Karaoke und anderen Partybedarf verleiht. | |
Daneben produziert er Werbevideos. „Untere Mittelklasse“, beschreibt er | |
seine aufgeräumte, aber ausgestorben wirkende Nachbarschaft am südlichen | |
Stadtrand von Phoenix. | |
Der Staat, wie ihn sich die Demokraten vorstellten, sei für ihn nicht da | |
gewesen, als er Hilfe gebraucht habe. Von Trump erhofft er sich, dass er | |
Steuern für Kleinunternehmer wie ihn senkt. „Ich könnte dann Mitarbeiter | |
einstellen, neue Hüpfburgen kaufen oder eine Popcornmaschine“, sagt er. Und | |
ein besseres Auto erwerben. | |
Aber Trump, wirklich kein Rassist? | |
„Absolut nicht!“, antwortet auch Alex Moreno, der den Fernseher jetzt gar | |
nicht mehr beachtet, sich mit dem Sessel zum Gesprächspartner hinschiebt. | |
„Trump ist jemand, der die amerikanischen Menschen liebt.“ Es gebe einfach | |
so viel Hass auf den Mann. | |
Geht es um die Demokraten, dann äfft Alex Moreno Kamala Harris nach, und | |
Norma Moreno steht sogar auf und geht wie Joe Biden: schwere, mechanische, | |
unsichere Arm- und Beinbewegungen. Alex Moreno klagt, die Demokraten würden | |
mit ihren sozialstaatlichen Maßnahmen Latinos von sich abhängig machen. | |
Damit die Demokraten sie dann kontrollieren könnten. | |
Das Ehepaar Moreno glaubt an Gott. Das sieht man auch an den dekorativen | |
Glaubensbekenntnissen in ihrer pastellfarbenen Wohnküche. „Wo Gott uns | |
hinführt, versorgt er uns“, steht auf einem Poster. Die Morenos glauben | |
auch daran, dass Trump die letzte Präsidentschaftswahl geklaut wurde. Und | |
sie glauben an die Geschichte von den haitianischen Migranten, die in Ohio | |
Haustiere essen. Vor allem glauben sie wie Manuel daran, dass es ihnen | |
unter Trump besser gehen würde, weil es ihnen unter ihm schon einmal | |
besser gegangen sei. „Wir sind früher oft essen gegangen“, sagt Norma | |
Moreno. | |
## Schwärmen vom Meltingpot Kalifornien | |
Ihr Mann hat bis zu einem Unfall als Bus- und Limousinenfahrer gearbeitet, | |
danach konnte er nicht mehr. Norma Moreno hat bis zur Rente Menschen in | |
schwierigen Lebenslagen betreut. Vor ein paar Jahren seien sie aus | |
Kalifornien nach Surprise in Arizona gezogen, weil sie sich in Kalifornien | |
kein Haus leisten konnten. „Echtes mexikanisches Essen, das fehlt mir an | |
Kalifornien“, sagt Alex Moreno. „Ich vermisse die Strände. Ich liebe das | |
Meer“, sagt Norma Moreno. Sie schwärmt auch vom Meltingpot Kalifornien, sie | |
mag die Vielfalt dort. | |
Beider Großeltern sind einst als Farmarbeiter aus Mexiko eingewandert. | |
Norma Moreno holt ein gerahmtes Bild ihrer Eltern. „Ich habe kein Problem | |
mit Migranten. Aber kommt doch durch die Vordertür, damit ich weiß, wer mir | |
ins Haus kommt!“, sagt Alex Moreno. „Sie haben es auf die legale Art | |
gemacht“, sagt Norma Moreno über ihre Vorfahren. Und andere kämen jetzt | |
einfach so und bekämen alles. | |
Die Morenos wählen schon ihr Leben lang republikanisch. Anfangs waren sie | |
von Trump irritiert. Jetzt mögen sie ihn umso mehr. | |
Estevan Manuel erzählt in Phoenix, dass seine Eltern schon immer | |
demokratisch gewählt hätten, „weil sie gedacht haben, die Demokraten helfen | |
Latinos“. Er habe auch für sie gestimmt. Dann habe er sich seine eigenen | |
Gedanken gemacht, recherchiert und sich Trump zugewandt. | |
[3][Die Wirtschaft ist laut aktuellen Umfragen das wichtigste Wahlthema.] | |
Viele Menschen leiden in den USA unter hohen Lebenshaltungskosten. Und wenn | |
auch nicht alle gleichermaßen darunter leiden, [4][das Thema gilt für sie | |
als wahlentscheidend.] Auch für Latinos ist die Wirtschaft, [5][so die | |
Meinungsforschung,] das wichtigste Thema. | |
## Vielfältige Latino-Community | |
Doch wie aussagekräftig können Umfragen in der Latino-Community sein, wenn | |
diese so bunt ist? Vielfältig sind die Länder, aus denen die Latinos | |
stammen – wie auch ihre Lebensumstände in den einzelnen US-Bundesstaaten. | |
Während manche Familien schon seit vielen Generationen in den USA leben, | |
sind andere Menschen selbst eingewandert oder als Kinder von Einwanderern | |
aufgewachsen. | |
Dass Umfrageinstitute alle möglichen Bevölkerungsgruppen auf Stimmungen hin | |
ausleuchten, um derzeit den Ausgang dieser knappen Wahl vorherzusagen, ist | |
noch verständlich. Aber das Latino Vote ist überdies zu einer Art | |
[6][Projektionsfläche für rechte Aktivisten und auch für Trump geworden.] | |
Sie verbreiten Falschinformationen über Migranten aus Lateinamerika, die | |
wählen würden, obwohl sie keine Staatsbürgerschaft hätten. Analysten | |
befürchten, Trump könnte seine mögliche Niederlage mit dieser | |
Falscherzählung infrage stellen. | |
Und die Demokraten fragen sich wohl gerade, ob sie sich zu sehr darauf | |
verlassen haben, dass die Latinos schon demokratisch wählen würden. Ob | |
Kamala Harris es vielleicht doch nicht genügend geschafft hat, Menschen in | |
ihren unterschiedlichen Lebensrealitäten anzusprechen. | |
Aber wie geht das überhaupt, wenn man sich in der Latino-Community nicht | |
auf spanischsprachige Werbespots beschränken will? | |
Am letzten Tag des Hispanic Heritage Month Mitte Oktober trifft Pete | |
Aguilar, Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, lokale | |
Vertreter:innen der Latino-Community im Otro Cafecito in Uptown | |
Phoenix. Bei Esquites, Nachos und Huevos Mexicanos erklärt er von einem | |
Barhocker aus Gewerkschaftern und Lokalpolitikerinnen, die zu Tisch sitzen, | |
dass Kamala Harris die Lebenshaltungskosten für „hart arbeitende | |
Latino-Familien“ senken und ihre Rechte und Freiheiten schützen werde. Sie | |
werde kleine Betriebe unterstützen, Wohnungen und Bildung leistbar machen. | |
## La Presidenta | |
Hinter ihm an der Wand hängen Poster von Kamala Harris in Comic-Optik und | |
mit der Aufschrift „La Presidenta“. Eine Frau meldet sich und erzählt, dass | |
sie viele Jahre ohne Papiere in den USA gelebt habe und sich dafür | |
interessiere, welche migrationspolitischen Pläne Harris habe. Aguilar | |
wiederholt das, was Harris in den letzten Wochen immer wieder gesagt hat: | |
ein besserer Zugang zur US-Staatsbürgerschaft bei gleichzeitiger Sicherung | |
der Grenzen. Das Event endet mit einem Gruppenfoto. Enthusiastisch ist hier | |
niemand. Aber zumindest gibt es Essen. | |
Am Abend laden die „Latino Americans for Trump“ in die Parteizentrale der | |
dortigen Republikaner in Downtown Phoenix. Phone Banking steht an – noch so | |
eine Eigenheit des amerikanischen Wahlkampfs: Unterstützer:innen rufen | |
überraschend bei potenziellen Wähler:innen an. Manche Gekommenen wissen | |
nicht so recht, was von ihnen erwartet wird. Eine Frau versucht vergeblich, | |
jemanden zu erreichen. Als dann doch mal jemand ans Telefon geht, berichtet | |
sie, die Person habe sie nicht verstanden. „Ich habe aber ein paar Mal | |
‚Trump‘ gesagt. Das sollte doch reichen.“ | |
Eine Event-Organisatorin trägt enthusiastisch vor, dass Trump-Shirts und | |
-Basecaps gewinne, wer die meisten Menschen an die Strippe bekäme. Sie | |
wirkt wie eine Lehrerin, die es eigentlich gut meint, aber etwas | |
überfordert ist. | |
Die Pro-Trump-Gäste reagieren erst, als der ehemalige republikanische | |
Abgeordnete Lee Zeldin auftaucht. „Ihr tragt alle, die diese wichtigen | |
Anrufe heute nicht tätigen, auf euren Schultern“, sagt er. Und holt aus zu | |
einem Best-of von Trump-Erzählungen. „No tax on tips“, sagt er dann und | |
scheint sich darüber zu freuen, endlich etwas gefunden zu haben, womit er | |
die Latinos im Raum gezielt bedienen kann. Keine Steuern mehr auf | |
Trinkgeld! Das sei ein Versprechen an die Latino-Community. Viele Latinos | |
würden ja im Dienstleistungsbereich arbeiten. Als der Vortrag beendet ist, | |
gibt es ein Gruppenfoto. Und Pizza. | |
Lydia Guzmán, von der League of United Latin American Citizens, der | |
ältesten Bürgerrechtsorganisation der Latinos in den USA, erklärt wenig | |
später im Video-Interview, dass es bei dieser Wahl auch darum gehe, die | |
Latinos zu erreichen, die nicht wählen gehen. Bei der Wahl 2020 haben nur | |
[7][etwas mehr als die Hälfte der wahlberechtigten Latinos gewählt]. | |
Vielleicht helfen da Stars. | |
Barack Obama soll in Tucson auftreten, der zweitgrößten Stadt von Arizona, | |
zweieinhalb Autostunden südlich von Phoenix, in der fast die Hälfte der | |
Einwohner:innen Latinos sind. | |
## Pompöses Lebensmittelangebot | |
Nein, er wisse nicht, wer heute in seiner Stadt auftrete, antwortet Yannie, | |
24 und ein bisschen genervt, auf dem Parkplatz vom El Super. Der | |
lateinamerikanische Supermarkt erinnert mit seinem pompösen Angebot an | |
Lebensmitteln aus der alten Heimat und mit den Großaufnahmen von rohem | |
Fleisch an die großen türkischen Supermärkte einer deutschen Metropole. | |
Yannie macht gerade Pause, er arbeitet im Lager. Nach einer Frau, die nicht | |
wählen darf, weil sie im Gefängnis war, und einer anderen, die nicht wählen | |
darf, weil sie keine Staatsbürgerin ist, ist Yannie der erste | |
Wahlberechtigte in Tucson, der Fragen beantworten will. | |
Er wisse noch nicht, wen er wählen wolle, er müsse sich noch schlaumachen. | |
Er sagt, Frauen sollten selbst über ihren Körper bestimmen. „Trump spricht | |
nicht wie ein Politiker“, sagt Yannie aber auch. Das gefalle ihm. Und: „An | |
manchen Orten hier in Tucson werde ich angemacht, wenn ich Spanisch | |
spreche.“ Er ist Sohn mexikanischer Einwanderer. | |
Ein paar Kilometer weiter stehen Melia, 18, und Jazlin 16, in der Schlage | |
vor der Sporthalle der University of Arizona. Die Schlange ist sehr lang, | |
atmosphärisch reicht sie an die einer Bioeisdiele in hippen deutschen | |
Großstadtkiezen. Viele gutaussehende und gutangezogene junge Menschen, eher | |
semidivers, dafür aber total gut drauf. | |
Dazu passen die Obama-Shirts mit dem Slogan „Hope“, die zwei Wartende | |
tragen. Sie wirken wie aus einer anderen Zeit. Warum sind Melia und Jazlin | |
heute hier? „Um Obama zu sehen!“ Melias Vorfahren kamen „vor vielen, viel… | |
Generationen“ aus Puerto Rico, Jazlins Mutter ist aus Mexiko eingewandert. | |
Beide sind in Arizona geboren. Und ist das Latina-Sein ein Thema in ihrem | |
Alltag? Gar nicht. Und Rassismus? Auch nicht. Dann eilen sie davon, sie | |
wollen endlich in die Halle, „zu Obama!“ | |
Monique Luiz, 32, ist gekommen, weil ihr das Thema reproduktive Rechte | |
wichtig ist. Sie erzählt, dass sie Latina ohne Migrationsgeschichte sei. | |
„Wir haben uns nicht bewegt, die Grenze hat sich über uns bewegt“, habe | |
ihre Urgroßmutter immer gesagt. Arizona wurde erst Mitte des 19. | |
Jahrhunderts Teil der USA. | |
Als sie ihre Geschichte erzählt, muss sie kurz mit den Tränen kämpfen. Sie | |
sei in der High School schwanger geworden, aber in keiner guten Situation | |
gewesen, um ein Kind zu bekommen. Jetzt habe sie einen siebenmonatigen Sohn | |
mit den gleichen Mann. „Heute sind wir finanziell stabil“, sagt die | |
Immobilienmaklerin. „Wenn wir diese Rechte vor 15 Jahren nicht gehabt | |
hätten, wären wir heute nicht die, die wir sind.“ | |
In der vollen Halle kommt Tucsons Bürgermeisterin Regina Romero auf die | |
Bühne, Kind mexikanischer Migranten. Dann Ruben Gallego, der in Arizona für | |
den Senat kandidiert, Kind einer Kolumbianerin und eines Mexikaners. Was | |
für eine Vorlage, um mit einer persönlichen Geschichte das Latino Vote zu | |
mobilisieren. Doch nein. Mehr als ein „Muchas gracias“ oder ein „Cuando | |
luchamos, ganamos“ kommt da nicht – „Wenn wir kämpfen, gewinnen wir.“ | |
## Außer Rand und Band | |
Als endlich Barack Obama die Bühne betritt, ist die Halle außer Rand und | |
Band und das Thema Identität eigentlich unvermeidbar. Der erste schwarze | |
Präsident der USA! Aber Obama macht lieber Witze über Trumps Bibel aus | |
China. Und hält eine seiner typischen Reden in gewohnter Perfektion, in der | |
weder Identität noch die Latinos wirklich ein Thema sind. Nur ein Plakat, | |
das man sich nach der Rede draußen an einem Stand kaufen kann, richtet sich | |
an die Zielgruppe: „Chinga Tu MAGA. No Mas Naranja“ – „Fick dein MAGA. … | |
wieder Orange“. | |
Wann ist Identität überhaupt wichtig? Und wann nicht – weil anderes | |
wichtiger ist? | |
„Bürgerrechte, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Klima“, zählt | |
Bürgerrechtlerin Lydia Guzmán auf. „Das sind eigentlich Themen, die für | |
alle Amerikaner wichtig sind. Aber für Latinos sind sie noch wichtiger, | |
weil sie in diesen Bereichen sehr lange benachteiligt wurden.“ | |
„Wenn die Demokraten die Identitätskarte spielen, dann bin ich raus“, sagt | |
Norma Moreno „Ich kann das wirklich gar nicht haben.“ | |
„Lange hatten wir das Gefühl, dass unsere Stimme nicht zählt. Jetzt wird | |
unsere Stimme diese Wahl entscheiden“, freut sich Monique Luiz in Tucson | |
über die Aufmerksamkeit für das Latino Vote. | |
„Ich bin Amerikaner!“, antwortet Estevan Manuel etwas pikiert auf die | |
Frage, ob er sich als mexikanisch-amerikanisch bezeichnen würde. „Die | |
Weißen haben doch auch Vorfahren aus anderen Ländern. Die nennen sich auch | |
nicht amerikanisch-europäisch.“ | |
Dann erzählt er, dass er in die Politik gehen wolle und angefangen habe, | |
Spanisch zu lernen. „Wenn ich die Latino-Community überzeugen will, aber | |
kein Spanisch kann, dann denken die ja, ich bin irgendso ein | |
weißgewaschener Mexikaner.“ | |
Möglicherweise lassen sich die Dinge doch nicht so fein säuberlich trennen. | |
Diese Recherchereise wurde durch das [8][Daniel-Haufler-Stipendium] der | |
[9][taz Panter Stiftung] ermöglicht. | |
4 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://ropercenter.cornell.edu/how-groups-voted-2004 | |
[2] https://www.nytimes.com/2024/10/13/us/politics/latinos-trump-harris-poll.ht… | |
[3] https://www.nytimes.com/2024/10/30/us/elections/trump-harris-economy-poll.h… | |
[4] /Oekonomin-ueber-US-Wahl/!6042896 | |
[5] https://www.pewresearch.org/race-and-ethnicity/2024/09/24/in-tight-u-s-pres… | |
[6] https://www.nytimes.com/2024/10/04/us/arizona-nonprofit-voter-registration-… | |
[7] https://election.lab.ufl.edu/voter-turnout/turnout-demographics/ | |
[8] /taz-Panter-Stiftung-USA-Stipendiatinnen/!vn6044493/ | |
[9] /Panter-Stiftung/!v=e4eb8635-98d1-4a5d-b035-a82efb835967/ | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
US-Wahl 2024 | |
Arizona | |
Identität | |
Donald Trump | |
Kamala Harris | |
Barack Obama | |
GNS | |
Kolumne Postprolet | |
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025 | |
Honduras | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Klasse | |
US-Wahl 2024 | |
US-Wahl 2024 | |
US-Wahl 2024 | |
Podcast „Bundestalk“ | |
US-Wahl 2024 | |
Florida | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wählen mit Migrationsgeschichte: Mein Vater, der Erstwähler | |
Der Vater unseres Autors wird erstmals bei einer Bundestagswahl abstimmen, | |
nach über 35 Jahren in Deutschland. Dafür holt er sich Rat beim Sohn. | |
Migrantische AfD-Anhänger: „Ausländer für Deutschland“ | |
Die Parteipräferenz von migrantischen Wähler:innen ist unterschiedlich. | |
Auch wenn es widersprüchlich scheint, wählen einige von ihnen die AfD. Ein | |
AfD-Wähler erklärt warum. | |
Kaffeeanbau in Mittelamerika: Auswandern ist nicht immer die Bohne wert | |
In Honduras fehlen helfende Hände beim Kaffeeanbau, weil viele junge | |
Menschen das Land verlassen. Eine Genossenschaft in San Andrés versucht das | |
zu verhindern. Ein Erfolgsmodell? | |
Trumps Wahlsieg und Minderheiten: So wie der Rest | |
Trump hat auch wegen Latinos triumphiert. Denn die wollen wie alle anderen | |
Wähler:innen auch: essen, wohnen, leben. Was bedeutet das für | |
Deutschland nach der Ampel? | |
Irritationen über US-Wahl: Aufklärung oder Angstlust | |
Während der TV-Debatte zwischen Vance und Walz sympathisiert unser | |
Kolumnist mit dem Republikaner. Hätte er unter anderen Umständen Trump | |
gewählt? | |
Swing State Pennsylvania: Wo sich die Zukunft der USA entscheiden könnte | |
Im Swing State Pennsylvania könnten wenige Stimmen den Wahlausgang | |
verändern. Unterwegs mit Frauen, die bis zuletzt für Harris mobilisierten. | |
Die Rolle der Frauen bei der US-Wahl: Das Zünglein an der Waage? | |
Kamala Harris hat Abtreibung in die Mitte ihres Wahlkampfs gerückt. Sie | |
hofft, mit dem Thema bislang unentschiedene Frauen auf ihre Seite zu | |
ziehen. | |
US-Präsidentschaftswahl: Ein paar Tausend Stimmen im richtigen Bundesstaat | |
Bei jeder US-Präsidentschaftswahl entscheiden wenige Bundesstaaten darüber, | |
wer ins Weiße Haus einzieht. 2024 sind es sieben Swing States. | |
Podcast Bundestalk: Kommt wirklich wieder Trump? | |
Bei den US-Wahlen in der nächsten Woche wird es knapp. Kamala Harris | |
scheint in der Defensive zu sein. | |
US-Wahlen noch nicht entschieden: Von „blauer Welle“ keine Spur | |
Noch hat Joe Biden eine rechnerische Chance, nächster Präsident zu werden. | |
Aber für die Demokrat*innen ist die Wahl dennoch eine Riesenenttäuschung. | |
Florida bei den Midterm-Wahlen: Amerika im Kleinen | |
Florida gilt als Mikrokosmos, der vorwegnimmt, was im Rest der USA | |
passiert. Erneut wird ein Republikaner in den Gouverneurspalast einziehen. |