# taz.de -- Plattform mitgeldundverstand.de: „FDP-Inhalte“ getarnt als Bild… | |
> Finanzminister Lindner und Bildungsministerin Stark-Watzinger bringen | |
> ihre „Initiative Finanzielle Bildung“ voran. Sie ernten sehr gemischte | |
> Reaktionen. | |
Bild: Aktion unter dem Motto „Bremst euch, Marktradikale!“ von Attac am 15.… | |
Berlin taz | Jede Ampelpartei hat ihre Lieblingsprojekte. Die SPD das | |
Rentenpaket, die Grünen die Kindergrundsicherung. Und die FDP die | |
Finanzbildung. Und die läuft – im Gegensatz zu anderen Koalitionsvorhaben – | |
ziemlich geräuschlos an. Was wohl daran liegt, dass die Liberalen die | |
beiden zuständigen Ressorts innehaben: Finanzen und Bildung. | |
Und so sind Finanzminister Christian Lindner und Bildungsministerin Bettina | |
Stark-Watzinger schon ziemlich weit mit ihren erklärten Zielen zur Stärkung | |
der Finanzbildung: Die Plattform „[1][mitgeldundverstand.de]“, die künftig | |
umfassend Bildungsangebote bündeln soll, gibt es schon seit Monaten. Ein | |
erstes großes Forschungsprojekt zum Thema hat das Bildungsministerium | |
(BMBF) im Sommer in Auftrag gegeben. Und das Finanzministerium (BMF) hat | |
soeben einen Gesetzentwurf vorgelegt, um „dauerhafte Strukturen“ für eine | |
nationale Finanzbildungsstrategie zu schaffen. Unter anderem soll eine neue | |
Stiftung entstehen. | |
Wie viel Resonanz Lindner und Stark-Watzinger damit in der Branche | |
auslösen, zeigt das „Festival der Finanzbildung“, das am Dienstag in Berlin | |
stattfand. Mehr als 200 Organisationen, Vereine, Unternehmen und Verbände, | |
aber auch Forschende oder andere Expert:innen haben nach Angaben der | |
Veranstalter Beiträge eingereicht. Unter den 120 Redner:innen sind | |
Banker:innen, Unternehmer:innen, „Finfluencer:innen“ (financial | |
influencer:innen) und Verbraucherschützer:innen. | |
„Dass so viele unserer Einladung gefolgt sind […] zeigt uns: Sie sehen auch | |
die Bedeutung des Themas“, freute sich Lindner zur Begrüßung. | |
Stark-Watzinger lobte die „ganz tolle Bandbreite“ an Festivalbeiträgen, von | |
„Stereotypen im Rahmen der Finanzen“ bis hin zu „ganz konkret: fünf Punk… | |
wie lege ich an?“. Mit Finanzbildung könne man nicht früh genug beginnen, | |
so die Bundesbildungsministerin. | |
## Jugendliche wollen mehr Alltagsbezug | |
Rückenwind erhalten die beiden FDP-Politiker:innen von der Organisation für | |
Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). In einem [2][im Mai veröffentlichten | |
Bericht] schlägt sie unter anderem vor, die Finanzbildung bei jungen | |
Menschen zu stärken. So wünsche sich eine Mehrheit der 14- bis 24-Jährigen, | |
in der Schule mehr über Finanzanlagen oder Altersvorsorge zu lernen. | |
Diese Leerstelle bestätigt auch die Bundesschülerkonferenz. „Wir fordern | |
schon lange mehr alltagsbezogenen Unterricht“, sagt Generalsekretär Fabian | |
Schön der taz. Etwa, auf was man bei Handyverträgen achten müsse. Die | |
Initiative von BMF und BMBF begrüße der Gymnasiast deshalb. | |
Doch es gibt auch Kritik an dem Vorstoß. Holger Oppenhäuser ist eigens nach | |
Berlin gereist, um beim „Festival“ kritische Flugblätter zu verteilen. | |
Oppenhäuser ist bei der Nichtregierungsorganisation Attac für | |
Bildungsmaterialien zuständig. „Mit diesem vermeintlichen Bildungsprojekt | |
werden FDP-Inhalte wie Schuldenbremse oder Aktienrente beworben“, so | |
Oppenhäuser. Dass die Steuerzahler:innen in diesem Jahr dafür rund | |
zehn Millionen Euro bezahlen, nennt er einen „Skandal“. | |
Am Freitag hat Attac zusammen mit der Otto-Brenner-Stiftung eine Studie zur | |
Initiative Finanzielle Bildung veröffentlicht. Das Fazit: BMF und BMBF | |
wollen damit die Bevölkerung zum Investieren an den Finanzmärkten bewegen. | |
„Ein ausgewogenes Bildungskonzept fehlt komplett“, sagt der Berliner | |
Erziehungswissenschaftler und Studienautor Thomas Höhne der taz. So sei der | |
Fokus einseitig auf die finanzielle Bildung gelegt, dabei umfasse die | |
ökonomische Bildung beispielsweise auch sozialwissenschaftliche Konzepte. | |
Dieser Aspekt komme jedoch so gut wie gar nicht vor. | |
## KMK-Präsidentin skeptisch | |
Es ist jedoch fraglich, ob Lindner und Stark-Watzinger mit ihrem Anliegen | |
überhaupt an den Schulen landen. Die Bundesländer begegnen der Initiative | |
mit einer gewissen Skepsis. Entsprechend zurückhaltend äußerte sich die | |
Präsidentin der Kultusministerkonferenz und saarländische | |
Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) gegenüber der taz. | |
Kooperationen mit Banken oder Versicherungen würden dabei helfen, | |
Finanzwissen praxisnah zu vermitteln, so Streichert-Clivot. Allerdings | |
müssten diese Kooperationen „transparent und im Sinne der Bildungsziele“ | |
gestaltet werden. | |
In ihrem Ministerium würden daher die Vorbehalte an der Initiative geteilt. | |
Vor allem die Ausrichtung der geplanten Stiftung werde kritisch gesehen, da | |
diese die Beteiligung am Kapitalmarkt fördern wolle, um damit | |
Wirtschaftswachstum zu generieren. „Finanzbildung sollte jedoch den | |
Finanzmarkt differenziert und kritisch beurteilen und dabei vielmehr die | |
Eigenverantwortung und den verantwortungsvollen Umgang mit Geld auch im | |
gesamtgesellschaftlichen und globalen Kontext in den Mittelpunkt stellen“. | |
Am Montag hatte bereits die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) | |
vor einer verengten Finanzbildung gewarnt. Wer junge Menschen als künftige | |
Käufer:innen auf Finanzmärkten in den Fokus stelle, so GEW-Vorsitzende | |
Maike Finnern, betreibe „ideologische Schmalspurbildung“. | |
15 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.mitgeldundverstand.de/fibi/DE/Home/home.html | |
[2] https://www.oecd.org/de/publications/finanzbildung-in-deutschland_c20b27ac-… | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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