# taz.de -- Rüstungsexporte nach Israel: Motoren und Schiffe aus deutscher Pro… | |
> Deutschland exportiert wieder mehr Waffen nach Israel. Jetzt ist die | |
> Bundesregierung erneut mit einem Verfahren konfrontiert. | |
Bild: Israelische Soldaten im Gazastreifen am 13. September: Panzer gelten bei … | |
Berlin taz | Olaf Scholz hat mit seiner Äußerung zu Waffenlieferungen nach | |
Israel einem Gerichtsverfahren Vorschub geleistet. „Es gibt Lieferungen und | |
es wird auch immer weitere Lieferungen geben“, [1][sagte der Bundeskanzler | |
Mitte Oktober im Parlament.] Am Tag darauf kündigte das European Center for | |
Constitutional and Human Rights (ECCHR) an, vor Gericht gegen | |
Ausfuhrgenehmigungen für Waffen nach Israel vorzugehen. | |
Nach den USA importiert Israel die meisten Rüstungsgüter aus Deutschland. | |
Allein seit August dieses Jahres genehmigte Berlin Lieferungen im Wert von | |
mehr als 94 Millionen. Das ergab eine Antwort des Auswärtigen Amtes auf | |
eine parlamentarische Anfrage der Politikerin vom Bündnis Sahra Wagenknecht | |
(BSW), Sevim Dağdelen. [2][Israel wird wegen seiner Kriegsführung und der | |
42.000 Toten im Gazastreifen und den 2.500 Getöteten im Libanon weltweit | |
kritisiert.] | |
„Die Rechtslage ist unverändert so, dass aus unserer Sicht ein ernst zu | |
nehmendes Risiko besteht, dass von Deutschland gelieferte Waffen | |
völkerrechtswidrig eingesetzt werden“, erklärte der Rechtsanwalt Andreas | |
Schüller, der am ECCHR für Völkerstraftaten zuständig ist, gegenüber der | |
taz. Er legte im Namen eines Mandanten im Gazastreifen einen Eilantrag beim | |
Frankfurter Verwaltungsgericht ein, um künftige Rüstungsexporte zu | |
verhindern, die dessen Leben gefährden könnten. | |
Es ist nicht das erste Mal, dass das Zentrum einen Widerspruch zu den | |
Ausfuhren einlegt, im Juni war es jedoch vor Gericht damit gescheitert. | |
[3][Das Berliner Verwaltungsgericht hatte seine Entscheidung damals unter | |
anderem damit begründet,] dass Deutschland seit Jahresbeginn kaum Waffen | |
nach Israel geliefert habe und absehbar keine weiteren Genehmigungen | |
anstünden. Mit Scholz’ Ankündigung im Parlament „immer weiter“ an | |
Waffenlieferungen festzuhalten, konterkarierte der Kanzler jedoch diese | |
Feststellung der Richter*innen. | |
## Merz wirft Ampel Blockade vor | |
Die Unionsfraktion im Bundestag hatte zuletzt versucht, die Bundesregierung | |
bei dem Thema vor sich herzutreiben. CDU-Chef Friedrich Merz warf der Ampel | |
vor, die Lieferungen zu blockieren. Fraktionsvize Johann Wadephul sprach | |
davon, dass Deutschland „sich gegen die Zusage an Israel versündige“, dass | |
die Sicherheit des Landes deutsche Staatsräson sei, sollte Berlin | |
Lieferungen zurückhalten. | |
Tatsächlich hatte eine weitere parlamentarische Anfrage des BSW zuvor | |
ergeben, dass die Rüstungsausfuhren nach Israel im Frühjahr stark | |
zurückgegangen waren. Bis zum Stichtag am 21. August lag der Wert der | |
Genehmigungen demnach bei knapp 15 Millionen Euro und damit ein Vielfaches | |
unter dem, was seitdem an Lieferungen freigegeben wurde. Vor allem ab März | |
wurden kaum neue Exporte bewilligt. | |
[4][Das könnte auch daran liegen, dass sich die Bundesregierung ab dem 1. | |
März mit einem Antrag Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) | |
in Den Haag konfrontiert sah]. Der Vorwurf: Deutschland würde mit | |
Waffenlieferungen einen Völkermord und Kriegsverbrechen des israelischen | |
Militärs in Gaza unterstützen. Im Mai lehnten die Richter*innen den | |
Antrag mit einer überwältigenden Mehrheit ab. In ihrer Begründung folgten | |
sie unter anderem der damaligen Argumentation Deutschlands vor Gericht: | |
Berlin habe [5][seine militärische Unterstützung Israels] seit Beginn des | |
Gazakriegs stark zurückgefahren. | |
„In gewisser Weise spricht Scholz mit seiner Ankündigung im Bundestag | |
dieser Aussage vor Gericht Hohn“, sagt Politikwissenschaftler Max | |
Mutschler. Er forscht am Internationalen Zentrum für Konfliktstudien in | |
Bonn (bicc) zu Militärtechnik und Rüstungskontrollen. Laut Mutschler war | |
Deutschland zuletzt sehr vorsichtig mit Rüstungsexporten nach Israel – und | |
weitaus zurückhaltender als die USA. „Meine Vermutung ist, dass die Anträge | |
nicht bearbeitet wurden, um sie in der Schwebe zu halten und die Lage vor | |
Ort weiter analysieren zu können.“ Der Bundeskanzler habe seine Regierung | |
mit seinen Äußerungen nun jedoch unter Zugzwang gesetzt. | |
FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hatte im Bundestag seine Koalitionspartner | |
von den Grünen scharf dafür angegriffen, bei den Genehmigungen zu | |
zurückhaltend gewesen zu sein. Dabei hatte er vor allem auf | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock | |
gezielt. Baerbock hatte zuvor im Plenum angekündigt, von Israel Zusagen | |
einzufordern, aus Deutschland importierte Rüstungsgüter nur zur | |
Selbstverteidigung und gegen militärische Ziele zu verwenden. | |
Die Anwälte am ECCHR sehen diese Zusicherung jedoch als nicht ausreichend. | |
„Nach dem internationalen Waffenhandelsvertrag dürfen keine Rüstungsexporte | |
genehmigt werden, wenn ein überwiegendes Risiko besteht, dass diese | |
völkerrechtswidrig eingesetzt werden“, heißt es dort. So sieht es auch | |
Politikwissenschaftler Mutschler: „Eine Risikoabschätzung, unabhängig von | |
dem, was vor Ort passiert, wäre nichts anderes als Wunschdenken.“ Die | |
Bundesregierung weist diese Vorwürfe von sich. „Es handelt sich um | |
Einzelfallprüfungen unter Berücksichtigung aller Aspekte, und darunter | |
fällt auch das humanitäre Völkerrecht“, sagte die stellvertretende | |
Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Freitag in Berlin. | |
Dabei ist unklar, was genau Deutschland an Israel liefert. Der für die | |
Exportanträge deutscher Waffenhersteller zuständige Bundessicherheitsrat, | |
eine Kommission aus den Minister*innen der Regierung, tagt geheim. Über | |
das Exportvolumen von Kriegswaffen und sogenannter „sonstiger | |
Rüstungsgüter“, zwischen denen die Bundesregierung unterscheidet, ist wenig | |
bekannt. In die erste Kategorie fallen etwa Panzer, Kampfflugzeuge und | |
Schnellfeuerwaffen. Als sonstige Rüstungsgüter werden etwa Funkausrüstung | |
und Tarnanstrich bezeichnet, aber auch Aufstellungsvorrichtungen für Waffen | |
oder Panzermotoren. | |
Bei den Exporten nach Israel ließ die Bundesregierung die Frage, wie viel | |
Prozent der seit August bewilligten Genehmigungen unter die Kategorie der | |
Kriegswaffen fällt, mehrfach unbeantwortet. Für die Beobachter ist diese | |
Intransparenz ein großes Problem, [6][hatte die Ampel in ihrem | |
Koalitionsvertrag doch ein Rüstungsexportkontrollgesetz versprochen,] mit | |
dem sie die „restriktive Rüstungsexportkontrolle“ in ein Gesetz gießen | |
wollte. Um das Vorhaben unter Federführung von Wirtschaftsminister Habeck | |
ist es still geworden, seit im Oktober 2022 ein erstes Eckpunktepapier | |
vorgestellt wurde. Angesichts des Streits in der Bundesregierung ist es | |
höchst unwahrscheinlich, dass es gerade bei diesem heiß umkämpften Thema | |
noch zu einer Einigung kommen wird. | |
[7][Zuletzt ermahnte mit den USA der engste militärische Partner Israels | |
das Land, mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen, und drohte | |
ansonsten, seine Waffenlieferungen zurückzufahren.] 69 Prozent der in | |
Israel importierten Waffen stammten zwischen den Jahren 2019 und 2023 nach | |
Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes (Sipri) aus den USA. | |
Ein von den Vereinigten Staaten verhängtes Waffenembargo hätte also massive | |
Konsequenzen. | |
## 60 Prozent lehnen Waffenlieferungen ab | |
Auf dem zweiten Platz folgt laut den Sipri-Daten Deutschland, das in | |
demselben Zeitraum für 30 Prozent der israelischen Importe aufkam. Die | |
meisten deutschen Lieferungen gingen demnach an die israelische Marine, 80 | |
Prozent des Volumens machten Kriegsschiffe aus, 10 Prozent Torpedos. 8,5 | |
Prozent entfiel laut den Sipri-Daten auf Motoren für gepanzerte Fahrzeuge, | |
darunter auch solche, die im Gazastreifen zum Einsatz gekommen sein sollen. | |
[8][Das Fachmagazin Naval Technology berichtet unter Berufung auf die | |
israelischen Streitkräfte (IDF) von einem Fall im vergangenen Oktober,] in | |
dem eine Fregatte aus deutscher Produktion ein Ziel im Gazastreifen unter | |
Beschuss nahm. Auch die israelische Medienplattform Mako berichtete über | |
diesen Angriff, bei dem eine Munitionsfabrik getroffen worden sein soll. | |
Laut einer aktuellen Umfrage der Agentur Forsa lehnen etwa 60 Prozent der | |
Menschen in Deutschland Waffenlieferungen nach Israel ab, 39 Prozent sind | |
dafür. Dabei gibt es wohl auch Unterschiede zwischen denjenigen, die sagen, | |
jede Lieferung sei berechtigt, und jenen, die sich offen zeigen für die | |
Lieferung von Waffen und Munition, die Israels Luftverteidigung | |
gewährleisten, die aber gegen die Lieferung von Rüstungsgütern sind, die | |
Israel etwa im Bodenkampf verwendet. | |
Doch es ist schwer, hier eine klare Linie zu ziehen. Für den | |
Rüstungsexperten Mutschler ist die Marinetechnologie ein gutes Beispiel | |
dafür, wie heikel die Unterscheidung zwischen einer offensiven und | |
defensiven Nutzung von Waffen ist. „Die Korvetten haben als Trägersysteme | |
für die israelische Luftabwehr eine wichtige Rolle, aber sie lassen sich | |
auch gegen Ziele an Land einsetzen.“ | |
Rechtsanwalt Schüller sagt, in dem Widerspruchsantrag gegen die deutschen | |
Exportgenehmigungen gehe es dem ECCHR vor allem um solche Waffen, die das | |
Leben der Betroffenen im Gazastreifen gefährden, nicht jedoch um | |
Flugabwehrsysteme und deren Komponenten. Der von dem Zentrum vertretene | |
Mandant habe im Gazastreifen durch israelische Angriffe seine Frau und | |
seine Tochter verloren – es gelte, ihn vor weiteren Angriffen zu schützen. | |
27 Oct 2024 | |
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[6] /Studie-ueber-deutsche-Ruestungsexporte/!5998391 | |
[7] /Debatte-um-Waffenlieferungen-an-Israel/!6040118 | |
[8] https://www.naval-technology.com/news/israeli-navys-saar-6-corvettes-used-t… | |
## AUTOREN | |
Cem-Odos Güler | |
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