# taz.de -- Friedensnobelpreis für Nihon Hidankyo: Japanische Atomwaffengegner… | |
> Die japanische Organisation Nihon Hidankyo fordert seit Jahrzehnten eine | |
> Welt ohne Atombomben. Deren Einsatz müsse tabu bleiben, fordert das | |
> Friedensnobelpreis-Komitee. | |
Bild: Hiroshima nach dem Atombombenabwurf, 12. August 1945 | |
Oslo dpa/afp/rtr/ap/taz | Der Friedensnobelpreis 2024 geht an die | |
japanische Graswurzelorganisation Nihon Hidankyo, die sich gegen die | |
Verwendung von Atomwaffen einsetzt. Das hat [1][das norwegische | |
Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekanntgegeben]. Die auch [2][als Hibakusha | |
bekannte Organisation] wird damit für ihre Bemühungen um eine Welt frei von | |
Atomwaffen geehrt. | |
Alle Versuche, das Tabu des Einsatzes nuklearer Waffen abzuschwächen, seien | |
gefährlich für die Menschheit, sagte der neue Vorsitzende des Komitees, | |
Jørgen Watne Frydnes. Die Auszeichnung ziele daher auch darauf, dieses Tabu | |
hochzuhalten. Es sei „alarmierend“, dass das Tabu gegen einen neuerlichen | |
Atomwaffeneinsatz [3][derzeit „unter Druck geraten“ sei]. | |
„Die Hibakusha helfen uns, das Unbeschreibliche zu beschreiben, das | |
Undenkbare zu denken und den unvorstellbaren Schmerz und das Leid, das | |
durch Atomwaffen verursacht wird, irgendwie zu erfassen“, erklärte das | |
norwegische Friedensnobelpreis-Komitee weiter. | |
Das Komitee hat das Thema Atomwaffen bereits regelmäßig in den Fokus | |
gerückt, zuletzt mit seiner Auszeichnung für die ICAN, die Internationale | |
Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, [4][die den Preis im Jahr 2017 | |
gewann]. | |
Die Organisation Nihon Hidankyo war 1956 gegründet worden, ursprünglich um | |
die Interessen der Betroffenen der Atombombenabwürfe auf [5][Hiroshima] und | |
[6][Nagasaki] im Jahr 1945 zu vertreten. Sie setzt sich gegen die nukleare | |
Aufrüstung in der Welt ein. | |
Sie setzten sich trotz körperlicher Leiden und schmerzlicher Erinnerungen | |
dafür ein, Hoffnung und den Einsatz für Frieden zu fördern, sagte Frydnes. | |
Mit ihren Augenzeugenberichten verbreiteten die Überlebenden die Botschaft, | |
„dass Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen“, hieß es zur | |
Begründung der Preisverleihung. | |
[7][Im August 1945 hatten die USA zwei Atombomben auf die japanische Städte | |
Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.] Sie wollten damit Japan zur Aufgabe | |
zwingen, um so den Zweiten Weltkrieg endgültig zu beenden. Durch die | |
Sprengkraft der Bombe und die lang anhaltende nukleare Strahlung starben | |
unmittelbar danach und in den ersten Monaten nach dem Angriff etwa 140.000 | |
Menschen, in den folgenden Jahren tötete die radioaktive Strahlung weitere | |
60.000 Menschen. Durch den Abwurf der zweiten US-Atombombe auf Nagasaki | |
starben mehr als 70.000 weitere Menschen. | |
Seit der [8][Reaktorkatastrophe in Fukushima im Jahr 2011] setzt sich die | |
Organisation [9][auch gegen die zivile Nutzung der Atomkraft] ein. | |
Der Hidankyo-Vorsitzende Tomoyuki Mimaki war im Rathaus von Hiroshima, als | |
er von dem Preis erfuhr. „Ist es wirklich wahr? Unglaublich“, rief Mimaki. | |
Er hatte Tränen in den Augen. | |
Man habe die Organisation vor der Bekanntgabe der Preisverleihung nicht | |
erreichen können, hatte der Komitee-Vorsitzende Frydnes zuvor gesagt. | |
Im vergangenen Jahr war die prestigeträchtige Auszeichnung [10][der | |
inhaftierten Iranerin Narges Mohammadi] verliehen worden. Sie wurde damit | |
„für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf | |
für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle“ geehrt. | |
## Eher kurze Liste der Nominierten | |
Nominiert waren diesmal insgesamt 286 Kandidatinnen und Kandidaten, unter | |
ihnen 197 Persönlichkeiten und 89 Organisationen. Verglichen mit den | |
Vorjahren war das Kandidatenfeld damit deutlich geschrumpft. Wer unter den | |
Nominierten ist, wird von den Nobel-Institutionen traditionell 50 Jahre | |
lang geheim gehalten. | |
In Zeiten von Nahostkonflikt, Ukrainekrieg und dutzenden weiteren | |
Konflikten in der Welt hatte sich diesmal vorab kein klarer Favorit | |
herauskristallisiert. Bei einem Wettbüro hatten zuletzt der ukrainische | |
Präsident [11][Wolodymyr Selenskyj], der chinesisch-uigurische | |
Regierungskritiker [12][Ilham Tohti] und die belarussische | |
Oppositionsführerin [13][Swetlana Tichanowskaja] ganz vorn gelegen. | |
Dahinter folgten die Staaten Irland, Norwegen und Spanien für ihre | |
koordinierte Anerkennung eines Staates Palästina. Diesen Schritt | |
unternahmen die Länder jedoch erst im Frühsommer, während die | |
Nominierungsfrist für den Nobelpreis bereits am 31. Januar abgelaufen war. | |
Als mögliche Anwärter waren im Vorfeld auch mehrere Organisationen | |
gehandelt worden, die im Nahen Osten engagiert sind, etwa das | |
UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA, die palästinensische | |
Menschenrechtsorganisation Al-Haq und die israelische Menschenrechtsgruppe | |
B'Tselem. Auch [14][UN-Generalsekretär António Guterres] sowie [15][der | |
Internationale Gerichtshof in Den Haag] wurden zu den Favoriten gezählt. | |
## Internationale Organisationen unter Favoriten | |
Der Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts Prio, Henrik Urdal, | |
hatte vor allem internationale Institutionen auf seiner Favoritenliste | |
stehen, etwa das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte | |
(BDIMR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa | |
(OSZE). | |
Beim Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri konnte sich der dortige | |
Direktor Dan Smith vorstellen, dass das Komitee mit Blick auf die momentan | |
sehr angespannte Weltlage auf die Vergabe des diesjährigen Preises | |
verzichten könnte. Das gab es in der Geschichte des Friedensnobelpreises | |
bereits 19 Mal, zuletzt allerdings vor mehr als 50 Jahren. | |
## 30 Jahre nach Nobelpreis für führende Palästinenser und Israelis | |
Seit der ersten Preisvergabe 1901 waren zuvor 111 Einzelpersonen und 27 | |
unterschiedliche Organisationen mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden, | |
das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dabei gleich zweimal und das | |
Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sogar dreimal. | |
Im Regelfall bekommt den Friedenspreis eine Persönlichkeit oder eine | |
Organisation alleine zugesprochen, manchmal teilen ihn sich aber auch zwei | |
Preisträger. Erst dreimal wurde die Auszeichnung unter drei Auserwählten | |
aufgeteilt, unter anderem bei der Auszeichnung des damaligen | |
Palästinenserführers Jassir Arafat und der damaligen israelischen | |
Spitzenpolitiker Schimon Peres und Izchak Rabin vor 30 Jahren für ihre | |
Bemühungen um eine Lösung des – derzeit wieder eskalierten – | |
Nahostkonflikts. | |
In dieser Woche sind bereits die diesjährigen Nobelpreisträger in den | |
Kategorien [16][Medizin], [17][Physik], [18][Chemie] und [19][Literatur] | |
verkündet worden. Am Montag folgt zum Abschluss noch die Auszeichnung in | |
Wirtschaftswissenschaften. All diese Nobelpreise werden traditionell in | |
Stockholm vergeben, der Friedensnobelpreis als einziger in Oslo. | |
Feierlich überreicht werden die Auszeichnungen am 10. Dezember, dem | |
Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833–1896). | |
Dotiert sind sie mit einem Preisgeld in Höhe von elf Millionen schwedischen | |
Kronen (knapp 970.000 Euro) pro Kategorie. | |
Anm. der Redaktion: Der Text wurde im Laufe des Tages mehrfach aktualisiert | |
und ausgebaut. | |
11 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/live/5UNqMEquEPk?si=qnP2hsJ9_4wQ-1kO | |
[2] /Atombombenabwurf-in-Japan/!5700243 | |
[3] /Drohungen-mit-Atomwaffen/!5870443 | |
[4] /ICAN-Vorstand-ueber-Friedensnobelpreis/!5464691 | |
[5] /Gedenken-an-Hiroshima/!5931538 | |
[6] /Abwurf-der-Atombombe-1945/!5221614 | |
[7] /Die-USA-75-Jahre-nach-Hiroshima/!5705679 | |
[8] /13-Jahre-nach-Tsunami-und-Super-GAU/!5994649 | |
[9] /Atombombenabwurf-in-Japan/!5700243 | |
[10] /Iranische-Friedensnobelpreistraegerin/!5975953 | |
[11] /Ukrainischer-Praesident-auf-Werbetour/!6038651 | |
[12] /Olympia-2022--Dabei-sein-verboten-13/!5831689 | |
[13] /Swetlana-Tichanowskaja-ueber-Belarus/!5979605 | |
[14] /Klimawandel-im-Suedpazifik/!6033051 | |
[15] /Internationaler-Gerichtshof/!t5021633 | |
[16] /Medizinnobelpreistraeger-im-Portraet/!6038088 | |
[17] /Physik-Nobelpreis/!6041677 | |
[18] /Nobelpreis-fuer-Chemie/!6038463 | |
[19] /Literaturnobelpreisgewinnerin-Han-Kang/!6038602 | |
## TAGS | |
Friedensnobelpreis | |
Nobelpreis | |
Narges Mohammadi | |
GNS | |
Nihon Hidankyo | |
Proteste in Iran | |
Proteste in Iran | |
Wladimir Putin | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sacharow- und Nobelpreis für Iranerinnen: Schlag ins Gesicht der Mullahs | |
In Europa gehen wichtige Würdigungen an Narges Mohammadi und die Familie | |
von Jina Mahsa Amini. Die Angst der Mullahs zeigt den Wert dieser Preise. | |
Iranische Friedensnobelpreisträgerin: Menschenrechte selbst erkämpfen | |
Die diesjährige Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi sitzt in Haft | |
in Iran. Ihre Familie nimmt stellvertretend in Oslo die Ehrung entgegen. | |
Friedensnobelpreis für drei Akteure: Zu wenig, angesichts der Verheerung | |
In der Ukraine hat der Preis schrille Töne ausgelöst. Das zeigt, wie | |
grenzenlos der Hass sein muss, den Putins Krieg sät. | |
Atombombenabwurf in Japan: Die verstrahlte Gesellschaft | |
Vor 79 Jahren verseuchten Atombomben Hiroshima und Nagasaki. Seither | |
kämpfen die Japaner mit Erkrankungen – und Politikern, die ihr Leid | |
ignorieren. |