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# taz.de -- Westafrikanische Restaurants in London: Große Legende in kleinen S…
> Westafrikas Küche war im Fine-Dining-Bereich bisher kaum vertreten. In
> London ändert sich das gerade, dank Gastronomen wie Aji Akokomi.
Bild: Etwas Süßes zum Dessert? Waina-Trüffel, serviert im Akoko
London taz | Den Reis bringt der Kellner des Akoko in kleinen getöpferten
Schalen an den Tisch. Dazu ein Büchlein mit Infos über das nun folgende
Gericht, unter anderem, dass es „vielen Menschen Westafrikas heilig ist“:
Jollof Rice. Wenn man auch nur ein Gericht aus der Küche dieser Region
kennt, dann wahrscheinlich dieses, denn der in Hühnerbrühe cremig gegarte
und mit einer würzigen Tomaten-Paprika-Paste angereicherte Reis ist
legendenumrankt und umstritten. Wer hat’s erfunden? Wer macht den Besten?
„Er umfasst all das, was die westafrikanische Küche ausmacht“, sagt Aji
Akokomi mit strahlenden Augen: eine reichhaltige Brühe, feurige Paste und
das Dämpfen bis zum perfekten Garpunkt. Essen spielt für den Gründer und
Betreiber des Akoko seit jeher eine wichtige Rolle. Aufgewachsen ist
Akokomi in Ibadan, einer Drei-Millionen-Metropole einige Stunden nördlich
von [1][Nigerias größter Stadt Lagos]. Er erzählt von ausgelassenen Festen,
stets begleitet von üppigen Buffets.
2007, mit Ende 20, zog Akokomi nach London und begann eine Karriere in der
IT-Branche. Von seinen Erinnerungen inspiriert, begann er Dinnerabende für
seine Bekannten auszurichten. „Wo sonst in der Stadt bekomme ich solches
Essen?“, bekam er danach oft zu hören. Doch die Gerichte seiner Kindheit,
sagt Aji Akokomi, habe es früher nur in einfachen Take-away-Lokalen gegeben
und zwar – er sucht nach den passenden Worten – „nicht in den schicksten
Vierteln der Stadt“.
Über 3.500 mit mindestens einem Stern ausgezeichnete Restaurants listet der
Guide Michelin, bis heute die wichtigste kulinarische Instanz, auf seiner
Webseite. Filtert man die Ergebnisse nach „afrikanischer Küche“ bleiben
zwei. Das Akoko ist eines davon. Fairerweise muss man sagen, dass einige
weitere Lokale unter dem Schlagwort „kreativ“ oder „fusion“ gelistet si…
Insgesamt ist die kulinarische Vielfalt des mehr als 50 Länder umfassenden
Kontinents in den Metropolen der westlichen Welt aber unterrepräsentiert,
vor allem im Fine-Dining-Bereich.
Hier galt jahrzehntelang die französische als Inbegriff der gehobenen
Küche, und die dort gelehrten Techniken als Standard. Mit der Zeit weitete
sich der Blick: Feinschmecker entdeckten die Küchen Japans und Mexikos, die
Aromen nordischer Wälder und die vielschichtige Schärfe der chinesischen
Provinz Sichuan.
Dass seit einiger Zeit, zumindest in London, auch die Küche der
[2][westafrikanischen Länder] aus dem kulinarischen Schatten tritt, liegt
an Menschen wie Akokomi. Drei Jahre lang besuchte er Fortbildungen, sprach
mit Gastronomen und sammelte Rezepte von nigerianischen Verwandten. 2020
eröffnete er schließlich das Akoko, seit diesem Jahr hat es seinen
Michelin-Stern. „Ich wollte die Küche Westafrikas ins Zentrum bringen und
der ganzen Welt zugänglich machen“, sagt Akokomi.
London hat sich dabei zu einem globalen Hotspot der westafrikanischen
Spitzenküche entwickelt. Bereits zwei Sterne hält das elegante Ikoyi,
benannt nach dem Vorort von Lagos, in dem einer der Gründer aufgewachsen
ist. Seinen ersten erhielt Anfang des Jahres das Chishuru der gebürtigen
Nigerianerin Adejoké Bakare.
Bakare, die nie eine Kochschule besucht hat und ihre Karriere 2020 mit
einem Pop-up-Restaurant startete, ist weltweit erst die zweite Schwarze
Köchin, die vom Guide Michelin ausgezeichnet wurde. Wie ihre Kollegen
bezieht sie ihre Inspiration aus der gesamten Region Westafrika, die erst
durch koloniale Mächte in die heutigen Staaten gegliedert wurde. Am Ende
stehen vielgängige, ausgefeilte Menüs, die in lockerem Ambiente serviert
werden, aber auch ihren Preis haben.
Doch warum ausgerechnet London? „Die Menschen hier sind hungrig auf andere
Kulturen und neue Geschmäcker“, meint Akokomi. Durch die britische
Kolonialgeschichte und die damit verbundene Einwanderung war London seit
jeher ein kulinarischer Melting Pot. Auch viele westafrikanische Gebiete
standen lange unter britischer Herrschaft – darunter Nigeria, das erst 1960
seine Unabhängigkeit erlangte.
Abseits der Fine-Dining-Szene ist Westafrika im kulinarischen [3][London]
ebenfalls auf dem Vormarsch. Im Norden der Stadt eröffnete mit dem Chuku’s
das – so der selbstbewusste Claim – „erste nigerianische Tapas-Restaurant
der Welt“. Auf der Karte steht, natürlich, Jollof Rice, aber auch Jollof
Quinoa oder Adalu aus geschmorten Bohnen und Meatballs, die mit Suya –
einer Würzmischung aus Ingwer, Chili und Erdnuss – „nigerianisiert“ werd…
Traditionelle Gerichte mit modernem Twist, serviert im zeitgeistigen
Shared-Plates-Prinzip.
Dazu gibt es Bilder nigerianischer Kunstschaffender, Literatur und
nigerianischen Pop in Partylautstärke. Es ist ein Ort, an dem die Kultur
gefeiert und mit Stereotypen wie Afrika = Armut aufgeräumt werden soll. Das
Konzept des Geschwisterpaares Emeka und Ifeyinwa Frederick kommt an. Der
Eröffnung vorausgegangen waren mehrere erfolgreiche Pop-ups und eine
Crowdfundingkampagne, die innerhalb kurzer Zeit mehr als 30.000 Pfund
einbrachte. Auch von prominenter Seite gab es Unterstützung: Im vergangenen
Jahr bedachte Beyoncé das Chuku’s im Rahmen ihrer BeyGood-Stiftung mit
einer großzügigen Spende.
Egal ob Tapas oder mehrgängiges Menü, eine jede Köchin, ein jeder Koch
ringt mit derselben Frage: Wie gelingt es, Authentizität und Zugänglichkeit
auf einem Teller zu vereinen? Man wolle Menschen ansprechen, die zum ersten
Mal westafrikanische Speisen essen, sagt Aji Akokomi. Aber auch all jene,
die damit aufgewachsen sind.
Für sein Küchenteam rund um Chefkoch Mutaro Balde, aufgewachsen in
Guinea-Bissau, dem Senegal und Frankreich, geht es also darum, Gerichte zu
kreieren, „die spielerisch und modern sind, aber dennoch so traditionell,
dass sie auch von Locals als authentisch anerkannt werden“. Das Ergebnis
sieht dann zum Beispiel so aus: knusprig frittierte Kochbananen-Donuts mit
Rindertatar (die Gemüsebanane ist ein Grundnahrungsmittel in der Region),
irische Austern auf gambischem Tomatenragout (die Austernsuche hat an den
dortigen Flüssen eine lange Tradition) und als Dessert eine vom
nigerianischen Zobo-Getränk inspirierte Hibiskus-Granita.
Vor allem in Sachen Schärfe hat man sich im Akoko an die europäische
Kundschaft angepasst. Der Kellner erzählt von einigen „nigerianischen
Damen“, die kürzlich zu Gast waren. Sie aßen Jollof Rice. Gekocht nach
Familienrezept und – Reminiszenz an die normalerweise am Topfboden
angebackenen Reiskörner – garniert mit gepufftem Reis. „Nicht schlecht“,
urteilten die Damen. Aber: „In Nigeria wäre ich bei Jollof Rice rot im
Gesicht und würde anfangen zu weinen.“
Neben Schärfe sind Röstaromen ein zentrales Element der westafrikanischen
Küche. So auch beim herzhaften Finale, der am offenen Feuer gegrillten
Ochsenzunge, die mit geräuchertem Knochenmark und Kuli-Kuli-Crunch serviert
wird, würzigen nigerianischen Erdnusskeksen. „Wenn wir in Nigeria zum Essen
zusammenkamen, wurde meist draußen am Feuer gekocht“, erzählt Akokomi. Am
Ende des Abends seien sie als Kinder meist über die heißen Kohlen
gesprungen. Er lacht bei der Erinnerung.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es,
Lagos sei die Hauptstadt Nigerias. Hauptstadt ist allerdings Abuja, Lagos
nur die größte Stadt des Landes. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
26 Oct 2024
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## AUTOREN
Verena C. Mayer
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