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# taz.de -- Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien: Betroffene müssen weite…
> Am Bundesverfassungsgericht und in der Bundesregierung soll die
> Anerkennung der Mitmutterschaft in diesen Tagen beschleunigt werden. Doch
> es hakt.
Bild: Nicht jede Familie besteht aus Vater, Mutter und Kind. Doch Zwei-Mütter-…
Berlin taz | In dieser Woche sollen zwei Ereignisse die rechtliche
Anerkennung von Zwei-Mütter-Familien voranbringen. An diesem Mittwoch
stellt ein Mütterpaar einen Befangenheitsantrag gegen den zuständigen
Verfassungsrichter Henning Radtke. Und am Freitag präsentiert das
Bundesjustizministerium seine Gesetzentwürfe zum Familienrecht den
Bundesländern.
Die Diskriminierung ist lange bekannt: Wenn eine heterosexuelle Ehefrau ein
Kind bekommt, wird der Ehemann automatisch rechtlicher Vater, selbst wenn
er an der Zeugung des Kindes nicht beteiligt war. Dagegen wird in einer
lesbischen Ehe die Ehefrau der gebärenden Mutter nicht automatisch
Mitmutter. Die Ehefrau müsste das Kind erst adoptieren und sich dabei vom
Jugendamt überprüfen lassen. Viele finden das stigmatisierend.
Auf zwei Wegen wird derzeit versucht, diese Diskriminierung zu beenden. Am
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) liegen sechs Fälle zur Prüfung vor.
Außerdem hat sich die Ampelkoalition eine gesetzliche Reform vorgenommen.
Doch auf beiden Wegen hakt es.
Das Ehepaar Catherine K. und Christin G. hat im September 2022
Verfassungsbeschwerde erhoben, weil G. nicht als Mitmutter des von K.
geborenen Kindes Mischa anerkannt wurde. Das BVerfG hat über die
Verfassungsbeschwerde bisher ebenso wenig entschieden wie über die fünf
parallelen Richtervorlagen.
## Untätigkeit in Karlsruhe
Weil der federführende Richter Henning Radtke bei einer Tagung im Juli 2024
gesagt haben soll, die Co-Mutterschaft sei eher eine Entscheidung für den
Gesetzgeber als für das BVerfG, lehnen die Klägerinnen Radtke nun wegen
Besorgnis der Befangenheit ab. Für eine Voreingenommenheit Radtkes spreche
auch, dass er in der gleichen Zeit das [1][Verfahren eines unehelichen
biologischen Vaters vorangetrieben] hatte, der nicht rechtlicher Vater
werden konnte.
Der Befangenheitsantrag wurde von der Anwältin Lucy Chebout und den
Rechtsprofessorinnen Anne Sanders und Dana-Sophia Valentiner verfasst. Er
wird von der Organisation „Nodoption“ unterstützt, die Regenbogenfamilien
im Kampf um gemeinsame Elternschaft ohne Adoption vertritt. Der
Befangenheitsantrag hat allerdings wenig Aussicht auf Erfolg.
Dass wichtige Verfahren in Karlsruhe jahrelang liegen bleiben, ist nicht
unüblich und daher kein Indiz für Voreingenommenheit. Es ist im Sinne der
Gewaltenteilung auch durchaus naheliegend, dass die Verfassungsrichter erst
einmal auf den Gesetzgeber wartet, wenn dieser ankündigt, er wolle einen
möglichen Verfassungsverstoß selbst reparieren.
## Blockade in Berlin
Immerhin heißt es im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP: „Wir werden
das Familienrecht modernisieren. (…) Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen
geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern
nichts anderes vereinbart ist.“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat [2][erste Eckpunkte zum
Abstammungsrecht] im Januar 2024 vorgelegt. Im September wurde sein
Gesetzentwurf fertig, doch aufgrund einer komplizierten Lage in der
Bundesregierung liegt er derzeit auf Eis. So will Buschmann gleich ein
ganzes Paket an familienrechtlichen „Modernisierungen“ ins Kabinett
bringen.
Konkret geht es um Gesetzentwürfe zum Abstammungsrecht, zum
Kindschaftsrecht und zum Unterhaltsrecht. Politische Probleme gibt es in
der Ampel nur beim Unterhaltsrecht für Trennungskinder, wo Buschmann Väter,
die sich mehr als 29 Prozent (und weniger als 50 Prozent) an der
Kinderbetreuung beteiligen, erstmals bei den Unterhaltszahlungen entlasten
will.
Die Grünen, insbesondere Familienministerin Lisa Paus, sind hier skeptisch,
weil dies zu Nachteilen für alleinerziehende Mütter führen könnte. Solange
die Grünen das Unterhaltsrecht blockieren, blockiert aber Buschmann das
Abstammungsrecht mit der Zwei-Mütter-Familie, die wiederum den Grünen
besonders am Herzen liegt.
## Buschmann versucht es mit einem Kniff
Um nun Dynamik in die Sache zu bringen, hat Buschmann Anfang Oktober alle
drei Gesetzentwürfe informell an die Bundesländer geschickt. Damit hat er
ausdrücklich nicht die übliche Verbände- und Länderanhörung gestartet, die
erst nach der ersten Kabinettsbefassung möglich ist, sondern ein ganz neues
Verfahren erfunden. Die Länder geben auch noch keine Stellungnahmen ab.
Vielmehr hat Buschmann die Landesjustizministerien für den 25. Oktober,
also den kommenden Freitag, zu einer Diskussion der Entwürfe eingeladen.
Nach taz-Informationen wird die Online-Besprechung auf Arbeitsebene
erfolgen und rund zwei Stunden dauern.
Ob dieser Kniff dazu führt, die Verhandlungsbereitschaft auf Bundesebene zu
fördern, wird sich zeigen. Inzwischen ist es auch denkbar, dass sich die
Ampelregierung nicht einmal mehr in gesellschaftspolitischen Fragen einigen
kann.
24 Oct 2024
## LINKS
[1] /Verfassungsgericht-staerkt-Vaeterrechte/!6000565
[2] /Justizminister-reformiert-Familienrecht/!5982567
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Marco Buschmann
Bundesverfassungsgericht
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GNS
Familienrecht
Patchworkfamilie
Väterrecht
Gewalt gegen Frauen
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