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# taz.de -- EU-Richtlinie zu Gewalt gegen Frauen: Deutschlands Nein zu „Ja he…
> Gewalt gegen Frauen soll in der EU bald einheitlich bestraft werden. Eine
> „Ja heißt Ja“-Regelung ist nicht Teil der Richtlinie. Deutschland hat das
> blockiert.
Bild: Frauen protestieren 2019 in Brüssel gegen männliche Übergriffe
Berlin taz | Das Verschicken intimer Bilder ohne Einwilligung,
Cyberstalking und -mobbing sowie Deepfakes und Zwangsheirat stehen in der
gesamten Europäischen Union bald unter Strafe. Darauf haben sich
Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten geeinigt, wie [1][Věra
Jourová,] EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, am Dienstag mitteilte.
Dass Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt künftig einheitlich bestraft
werden, ist ein Novum in der EU.
„Die Einigung zur EU-Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und
häuslicher Gewalt ist ein Meilenstein für Frauen in Europa“, sagte dazu
Familienministerin Lisa Paus (Grüne). „Mit der Einigung sendet die EU das
klare Signal: Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in Europa müssen
konkret eingedämmt werden. Jetzt ist ein wichtiger Erfolg erzielt, die
politische Auseinandersetzung für mehr Schutz für Frauen vor Gewalt wird
weitergehen.“
Die Kommission und das Parlament hatten auch vorgeschlagen, dass der
Straftatbestand der Vergewaltigung vereinheitlicht wird. Aufgrund von
Widerständen der größten EU-Mitgliedsstaaten, Deutschland und Frankreich,
wurde dieser Passus entfernt. Strafrecht sei kein EU-Recht, da laut
[2][Artikel 83 Absatz 1] der Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)
einheitliche Regelungen nur im Bereich der als EU-Straftat aufgezählten
Verbrechen möglich seien. Dazu zählt etwa Menschenhandel oder Geldwäsche.
Eine solche Verankerung sei also vor Europagerichten angreifbar, so die
Argumentation. Dies ist jedoch juristisch umstritten, 13 Mitgliedstaaten
hatten sich für eine einheitliche Regelung ausgesprochen.
Strafrechtlerinnen des Deutschen Juristinnenbundes (djb) betonten in einer
[3][Stellungnahme], dass die EU durchaus die Kompetenz habe, Vergewaltigung
auf EU-Ebene zu regeln. Der djb beruft sich unter anderem auf die
EU-Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen
Ausbeutung von Kindern sowie Kinderpornografie. „Sexuelle Ausbeutung“ sei
darin so definiert, dass Straftaten harmonisiert werden können, auch
jenseits wirtschaftlicher Faktoren wie etwa beim Menschenhandel zwecks
sexueller Ausbeutung: „Dabei enthält die Richtlinie auch Vorschriften, bei
denen der Schwerpunkt auf der Gewaltanwendung und der erzwungenen sexuellen
Handlung liegt.“
„Eine große Enttäuschung“
Damit der Sex als einvernehmlich gilt, sollte eigentlich das Prinzip „Ja
heißt Ja“ gelten, so war es in einem Entwurf der Kommission vom März 2022
vorgesehen. Neben der Streichung dieser Regelung gilt deshalb noch der
Grundsatz: Täter können nicht EU-weit wegen Vergewaltigung belangt werden,
wenn sie dem Opfer keine Gewalt angedroht oder an ihm ausgeübt haben. Dass
Sex auf Konsens basiert, ist laut Richtlinie jedoch Standard für die
Präventionsarbeit.
Die irische Christdemokratin Frances Fitzgerald sprach dazu am Mittwoch im
Parlament. „Heute machen wir den ersten Schritt, um Europa zum ersten
Kontinent der Welt zu machen, der Gewalt gegen Frauen beseitigt“, so die
Verhandlungsführerin des Europaparlaments: „Wir konnten eine auf
Einvernehmlichkeit basierende Definition von Vergewaltigung nicht in der
Richtlinie unterbringen. Das ist eine große Enttäuschung.“ Auch die
EU-Abgeordnete Birgit Sippel (SPD) ist unzufrieden: „Es sagt etwas über den
Zustand der FDP aus, die sich angesichts sehr schlechter Umfragewerte
offenbar bemüht, ihr persönliches Profil zu schärfen, auf Kosten von
Rechtssicherheit in Europa, zu Lasten der Frauen“, sagte Sippel dem
Nachrichtensender Phoenix.
Bislang gelten in 18 von 27 Mitgliedstaaten die Voraussetzungen, das Gewalt
angedroht oder nachgewiesen werden muss, damit eine Vergewaltigung als
Straftat geahndet wird. Seit 2016 gilt in Deutschland „Nein heißt Nein“ –
eine sexualisierte Handlung muss abgelehnt werden, damit sie als
Vergewaltigung anerkannt werden kann.
Feminist_innen hatten gehofft, dass durch die Neuregelung ein europaweites
Prinzip der Einvernehmlichkeit gelten könnte, wie es jetzt schon in
Schweden und Spanien der Fall ist. Hundert bekannte Frauen hatten deshalb
einen öffentlichen Brief geschrieben, der Justizminister Marco Buschmann
(FDP) dazu aufforderte, seine Blockade in Europa aufzugeben.
Zu den Erstunterzeichner_innen gehörte auch die [4][Aktivistin Kristina
Lunz]. „Als feministische Zivilgesellschaft hätten wir uns gewünscht, dass
die Grünen und die SPD die Blockadehaltung des Justizministers nicht
geduldet hätten“, sagte Lunz der epd.
Die Vereinbarung muss noch vom Europäischen Parlament sowie vom Rat
förmlich verabschiedet werden. Die EU-Staaten haben daraufhin drei Jahre
Zeit, die Richtlinien umzusetzen. Diese sieht außerdem vor, dass die
EU-Staaten eine nationale Telefonhilfe für Gewaltopfer einrichten müssen,
die kostenlos und jederzeit erreichbar ist. Zudem müssen Präventivmaßnahmen
ergriffen werden, um Gewalt zu verhindern.
Deutschland muss vermutlich die Gesetzeslage zur digitalen Gewalt
aktualisieren. Zudem evaluieren das Bundesjustizministerium und das
Bundesfrauenministerium noch in dieser Legislatur das Sexualstrafrecht von
2016, in der man sich auf das Prinzip „Nein heißt Nein“ geeinigt hatte.
7 Feb 2024
## LINKS
[1] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&…
[2] https://dejure.org/gesetze/AEUV/83.html
[3] https://verfassungsblog.de/deutschlands-blockade-beim-europaweiten-gewaltsc…
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Kristina_Lunz
## AUTOREN
Nicole Opitz
## TAGS
Gewalt gegen Frauen
Europäische Union
Vergewaltigung
Marco Buschmann
Sexualisierte Gewalt
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Spanien
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