| # taz.de -- Sexualstrafrecht in Spanien: Nur Ja heißt Ja | |
| > In Spanien verabschiedet das Parlament ein Gesetz, was den | |
| > Straftatbestand sexueller Aggression auch in Beziehungen deutlich | |
| > ausweitet. | |
| Bild: Frauen demonstrieren 2019 angesichts einer Vergewaltigung gegen die „Mi… | |
| Madrid taz | „Nur Ja ist Ja“ – das gilt künftig in Spanien. Alles andere | |
| ist ein Nein und damit eine Straftat. So sieht es ein Gesetz vor, das am | |
| Donnerstag durchs spanische Parlament ging. „Eine Einwilligung liegt nur | |
| dann vor, wenn sie frei zum Ausdruck gebracht wurde, durch Handlungen, die | |
| angesichts der Umstände des Falls den Willen der Person eindeutig zum | |
| Ausdruck bringen“, heißt es im neuen „Gesetz der Garantie der sexuellen | |
| Freiheit“, das von Presse und Volksmund „Nur Ja ist Ja – Gesetz“ getauft | |
| wurde. Auch Schweigen ist demnach keine Zustimmung, wenn es darum geht, ob | |
| eine Handlung strafrechtlich verfolgt werden kann. Der Text muss jetzt noch | |
| durch die zweite Kammer, den Senat, aber das gilt als Formsache. | |
| Das Paragrafenwerk stammt aus der Feder der Gleichstellungsministerin Irene | |
| Montero aus den Reihen der Unidas Podemos. Die spanische | |
| Koalitionsregierung aus Sozialisten und Linksalternativen unter Pedro | |
| Sánchez reagiert damit unter anderem auf [1][ein Verbrechen aus dem Jahr | |
| 2016]. Damals vergewaltigte eine Gruppe von fünf Männern auf dem bekannten | |
| Volksfest San Fermin in Pamplona eine junge Frau mehrmals und filmte sich | |
| gar dabei. Da sich das Opfer nicht wehrte, sahen die Richter nur Missbrauch | |
| und keine sexuelle Aggression, also eine Vergewaltigung, gegeben. Es kam | |
| überall im Land zu [2][Massenprotesten] unter dem Slogan „Nur Ja ist Ja!“ | |
| Eine Unterscheidung zwischen Missbrauch und Aggression wird es künftig | |
| nicht mehr geben. Gibt es keine Zustimmung, ist es eine Vergewaltigung, | |
| auch wenn sich das Opfer nicht wehrt. Die Strafen auf Vergewaltigung fallen | |
| mit bis zu 15 Jahren wesentlich höher aus als beim jetzt abgeschafften | |
| Missbrauchstatbestand. „Die Frauen haben endlich ein Gesetz, das ihre | |
| sexuelle Freiheit garantiert“, erklärte Montero. [3][Es hatte über zwei | |
| Jahre gedauert], bis das Werk den Weg durch alle Instanzen nahm. | |
| Das neue Gesetz legt den Begriff der sexuellen Aggression breit aus. Nicht | |
| nur direkte Übergriffe gelten als sexuelle Gewalt, sondern auch | |
| Belästigungen, Exhibitionismus, sexuelle Provokation, sexuelle Ausbeutung, | |
| der Missbrauch Minderjähriger jeglicher Art, weibliche | |
| Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen | |
| Ausbeutung sowie die Verbreitung sexueller Gewaltakte in digitalen Medien | |
| oder sexuelle Erpressung etwa in Netzwerken und Chats. Auch Werbung für | |
| Prostitution ist nun verboten. | |
| Doch damit nicht genug. Der Straftatbestand der Vergewaltigung wiegt | |
| schwerer, wenn die Frau etwa mit K.o.-Tropfen willenlos gemacht wurde. Auch | |
| wenn der Täter der Partner oder Ex-Partner ist, kommt dies erschwerend | |
| hinzu. Für die Opfer wird es Hilfsprogramme geben. Vor Gericht wird alles | |
| getan, damit das Opfer nicht ein zweites Mal leiden muss. Sichtschutz | |
| gehört ebenso dazu, wie die Möglichkeit im Voraus auszusagen, damit bei der | |
| Verhandlung dann nur noch die Aufnahme abgespielt wird. Zusätzlich zu den | |
| Haftstrafen wird ein Recht auf Schadensersatz eingeführt. | |
| Das Gesetz wurde vom Parlament mit 201 gegen 140 Stimmen bei drei | |
| Enthaltungen verabschiedet. Die konservative Partido Popular und die | |
| rechtsextreme Vox stimmten geschlossen dagegen. Die Vox-Abgeordnete Carla | |
| Toscano erklärte, es sei „für einen Mann unmöglich, die Zustimmung zu | |
| beweisen.“ „Das Justizsystem ist gezwungen, Frauen ohne Beweise zu | |
| glauben“, fügt sie hinzu. Das sei eine „Waffe, um sich zu rächen“. Auß… | |
| befürchtet sie, dass künftig der Brauch, Frauen auf der Straße Komplimente | |
| hinterherzurufen, kriminalisiert würde. | |
| 27 May 2022 | |
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| Reiner Wandler | |
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