# taz.de -- Bericht zu Menschenhandel: Beratungsstellen fordern Aufenthaltsrech… | |
> Der Koordinierungskreis gegen Menschenhandel hat 702 Fälle im Jahr 2023 | |
> erfasst. Migrationspolitische Verschärfungen begünstigen die Ausbeutung. | |
Bild: Argument für die Bestrafung von Freiern: In 71 Prozent der Beratungen zu… | |
Berlin taz | Eigentlich wollte Frau K. aus Moldawien in einer Gaststätte in | |
Polen arbeiten. Dort wird ihr jedoch gesagt, dass die Stelle nicht mehr | |
frei sei. Ihr wird ein Job in Deutschland versprochen. Als sie dort | |
ankommt, wird sie zwei Männern übergeben, die ihr den Pass wegnehmen. Sie | |
sagen ihr, dass sie die Vermittlungskosten als Prostituierte abarbeiten | |
müsse. Da ihr Gewalt angedroht wird, lässt sie sich darauf ein. Bei einer | |
Razzia in ihrem Bordell bemerkt die Polizei, dass sie keine Papiere hat. | |
Sie wird mitgenommen, bei einer Vernehmung erzählt sie ihre Geschichte. | |
Mittlerweile ist sie in einer Unterkunft für betroffene Frauen von | |
Menschenhandel. | |
Der Fall von Frau K. wird in dem neuen Datenbericht des Bundesweiten | |
Koordinierungskreises gegen Menschenhandel (KOK) zitiert. Dieser | |
dokumentiert Daten von 19 Fachberatungsstellen für Betroffene von | |
Menschenhandel in Deutschland. Anders als das [1][Bundeslagebild | |
„Menschenhandel“ des Bundeskriminalamts] erfasst der KOK auch Fälle, in | |
denen keine Ermittlungsverfahren eingeleitet oder abgeschlossen wurden. Der | |
KOK verfolgt in seiner Datenerhebung einen menschenrechtlichen Fokus. Über | |
den Einblick in die Fachberatungsstellen will die Organisation aufzeigen, | |
wie Betroffene rechtlich und psychosozial besser unterstützt werden können. | |
Dass Frauen mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt werden, um | |
hier zu Prostitution gezwungen zu werden, ist eine häufige Form des | |
Menschenhandels. Der KOK-Bericht zeigt: Im Jahr 2023 wurden in dem | |
Datentool insgesamt 702 Fälle erfasst, Zwangsprostitution macht 71 Prozent | |
der Fälle aus. Andere Bereiche sind etwa Arbeitsausbeutung in der Pflege | |
oder Gastronomie. | |
87 Prozent der Betroffenen sind weiblich, die meisten der Opfer kommen aus | |
westafrikanischen Ländern (48 Prozent), allein 33 Prozent aus Nigeria. Etwa | |
7 Prozent der Betroffenen sind aus Rumänien und Deutschland. Damit | |
unterscheidet sich der Bericht zum Bundeslagebild, in dem der größte Anteil | |
von Betroffenen (30 Prozent) aus Deutschland kommt. Das hängt laut dem BKA | |
damit zusammen, dass deutsche Staatsbürgerinnen besser über ihre Rechte | |
informiert sind, den Behörden mehr vertrauen und deshalb eher eine Anzeige | |
erstatten. | |
## Bundesregierung bleibt Verbesserungen schuldig | |
Die Zahlen des BKA sowie des KOK sind nicht repräsentativ. Im Bereich | |
Zwangsprostitution gehen Fachleute allgemein von einem sehr hohen | |
Dunkelfeld aus. Das hängt auch damit zusammen, dass sich Prostitution seit | |
Corona mehr und mehr ins Internet, in Hotels sowie in Privat- und | |
Ferienwohnungen verlagert hat. Das führt laut dem Bericht auch dazu, dass | |
Fachberatungsstellen Betroffene weiter schwer erreichen. | |
Dabei spielen diese eine wichtige Rolle in der Unterstützung von | |
Betroffenen. Sie beraten sie etwa rechtlich, vermitteln sie zu | |
medizinischer Behandlung. Den Beratungsstellen fehle es jedoch an | |
finanziellen Ressourcen, um den Anfragen angemessen nachzukommen, so der | |
KOK. | |
Die Beratungsstellen helfen Betroffenen auch bei Aufenthaltsrechtsfragen. | |
Laut dem Bericht ist der Aufenthaltsstatus von vielen Opfern von | |
Menschenhandel prekär. Etwa 21 Prozent hatten eine Aufenthaltsduldung, 11 | |
Prozent eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Aus Angst vor | |
einer Abschiebung wenden sich Betroffene oftmals nicht an | |
Ermittlungsbehörden, was eine Strafverfolgung erschwert. Das spiegelt sich | |
auch in den Zahlen des KOK wieder: Bei den 702 Fällen wurde in nur 32 eine | |
Anklage erhoben. | |
Der KOK fordert deshalb, dass Opfer von Menschenhandel unabhängig von ihrer | |
Aussagebereitschaft einen Aufenthaltstitel erhalten sollen. Diese Maßnahme | |
steht auch im Koalitionsvertrag, wurde jedoch noch nicht umgesetzt. Die | |
stellvertretende Geschäftsführerin des KOK, Sarah Schwarze, betonte: „Die | |
Verschärfung der deutschen Migrationspolitik erhöht auch das Risiko für | |
Menschenhandel und Ausbeutung.“ | |
15 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilde… | |
## AUTOREN | |
Sabina Zollner | |
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