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# taz.de -- Gründer von neuer Print-Zeitschrift NBIZ: „Online lesen möchte …
> Inmitten des Zeitungssterbens hat der Artdirector Johannes Beck eine
> Print-Zeitschrift gegründet. Ist das oldschool oder Avantgarde?
Bild: Zeitvertreib in der S-Bahn: Die „Neue Berliner Illustrierte Zeitung“
Selbst wer das Handy nur für Tiktok nutzt, hat es mitgekriegt:
Auflagenschwund, [1][Zeitungssterben], Stellenabbau, Infantilisierung einst
seriöser Marken wie „Spiegel“ mit boulevardesken Überschriften und
Ratgeberbeiträgen. Aus Angst, Generation Z und Alpha zu verlieren, werden
Entscheidungen an KI deligiert und Social-Media-Redakteure gesucht, obwohl
Suchergebnisse bei Meta und Google längst von bezahlter Produktwerbung
dominiert werden, egal wie toll man sich bemüht, User von dort zu
Onlineangeboten alter Sender oder Medienhäuser rüberzuschaufeln.
In diesem Umfeld und um die 15 Jahre, nachdem – Vorhersagen zufolge – die
letzte papierene Zeitung hätte eingehen müssen, landet in Metropolen in
Cafés und Galerien ein neues Presseprintprodukt: [2][„Slow Journalism“].
Seit Anfang des Jahres die „Neue Berliner Illustrierte Zeitung“. Voller
Kritik und Kunst, mit Postern und unvorhersehbaren Beiträgen. Der
Blattmacher Johannes Beck hat genügend Freunde und Sympathisanten, von Nick
Cave über Neubauten und Kunst- wie Schauspiel-Geeks, um das durchzuziehen.
Klingt irre. Ist es natürlich auch.
taz: Zum Launch eines neuen Mediums würde jeder Banker sagen, eher prompt
als verlegen: Was ist eure Social-Media-Strategie?
Johannes Beck: Mein erstes Votum war: „Internet? Nö.“ Dann meinten aber
auch Freunde, wir brauchen unbedingt eine Onlinepräsenz. Denn als Erstes
hören die Leute was, dann gucken sie nach. Deshalb habe ich mich
breitschlagen lassen, eine entsprechende Unterseite einzurichten.
taz: Schwer zu finden, wo ist die?
Beck: Auf nbiz.minus.de, der Site meiner Agentur. Da kann man zumindest
schon mal die Cover sehen.
taz: Als Statement für Papier?
Beck: Exakt. Sodass die Leute hingehen, sich totsuchen – und nichts finden.
Trotzdem existiert das. Das hat doch was. Unter dem Radar zu bleiben, ist
natürlich schwierig, wenn man eine höhere Auflage fahren möchte, damit auch
hochpreisigere Anzeigen geschaltet werden. Doch da gerät man wieder in das
alte Modell – [3][das Spiel mit Clicks etc.] –, und schon bist du wieder in
dieser Schiene drin. Das wollen wir umgehen. Eventuell werden wir ab und zu
Inhalte auch online stellen. Wenn jemand kommt, der das gerne macht. Aber
erst mal gilt: nicht ich.
taz: Ist das nun oldschool oder Avantgarde?
Beck: Wer weiß. Alle haben CDs und Schallplattensammlungen weggeworfen,
[4][dann kam Vinyl wieder zurück]. Inzwischen kommen die alten
Vinyl-Presswerke bei der Nachfrage gar nicht mehr mit. Dasselbe wird mit
Film passieren.
taz: Dabei reden alle vom Zeitungssterben …
Beck: Ich finde es schade, dass viele Zeitungen eingehen oder dichtmachen.
Denn online lesen möchte ich nicht, oder wenn, dann nur notgedrungen. Zum
anderen findet man in der Zeitung – anders als online – eben auch Sachen,
die man gar nicht gesucht hat. Neulich in der FAZ was zum Habermas-Buch.
Auch mag ich die Haptik. Ich arbeite am Rechner, seit es Computer gibt, und
in meiner Freizeit möchte ich Sachen in die Hand nehmen. Nicht mit dem
Laptop auf dem Klo sitzen. Das ist ganz profan. Und was soll an Online
besser sein?
taz: Die Frage stellen sich immer mehr Leute, speziell unter denen, die
online früh dabei waren.
Beck: Es ist auch nicht umweltfreundlicher. Mit Online findet eine
Einsparung von Personal statt. Und ich gehöre zur [5][Generation
Babyboomer]. Ich mag gedrucktes Papier. Die Auseinandersetzung habe ich
ständig mit Leuten, die Kataloge für Künstler machen, online und PDFs. Wenn
jemandem der Künstlervater gestorben ist, macht man doch kein PDF. Da will
man was im Regal stehen haben. Mit einer bestimmten Wertigkeit. Und das ist
mein Ding. Nicht nur als Grafiker.
taz: Mit Grafik hast du angefangen, als fast niemand Computer oder
schnurlose Telefone – C-Netz – hatte, die meisten nicht mal Fax oder BTX
(Bildschirmtext, ein früher interaktiver Onlinedienst, Anm. d. Red.). Hat
man da noch mit Rasierklinge und Klebstoff gearbeitet?
Beck: Ja zu allem. Und mit Fixogum, dann Wachsmaschinen. Für eine
Schülerzeitung hatten wir einen Matrizen-Drucker benutzt, der war von
meiner Mama, bei uns im Keller. Nach dem Abi habe ich beim Pflasterstrand
gearbeitet, 1980 bin ich dann von Frankfurt nach Berlin. Die Idee war, ein
paar Jahre was mit Medien zu machen, dafür wollte ich nach Hamburg. Zuerst
bin ich aber zu meiner Freundin nach Berlin. Die hatte einen Job im
Schwarzen Café, eine Wohnung – und so bin ich hier gelandet. So richtig
mochte ich die Stadt eigentlich nicht, Berlin war eine Gated Community,
zugesperrt auf beiden Seiten. Ein Zoo. Ist es immer noch.
taz: Damit wären wir in der Gegenwart. Ist die Neue Berliner Illustrierte
Zeitung gedacht als Wegweiser im Zoo?
Beck: Sie ist überregional angelegt. Die Neue Zürcher Zeitung verkauft sich
ja auch im ganzen deutschsprachigen Raum, genauso die Frankfurter
Allgemeine und die Süddeutsche. Das ist auch die Idee für die NBIZ. Die
dritte Ausgabe erscheint zur Buchmesse, wo wir nach Partnern suchen, die
uns beim überregionalen Vertreiben des Blatts helfen. Das Schöne an dieser
ganzen Geschichte ist, dass inzwischen die Mindestauflage 1.000 Stück ist.
Früher brauchte man für weniger als 20.000 bei einer Druckerei gar nicht
erst anzuklopfen.
taz: Das Blatt profitiert demnach von der Zeitungskrise?
Beck: Genau, weil sich die Bedingungen total geändert haben. Und um
unaufgeregte Sachen zu bringen. Für die letzte Ausgabe war „50 Jahre No
Future“ das Thema. Weil nicht alle Texte rechtzeitig kamen, war das andere
Thema der ersten Nummer „Konferenz der Tiere“.
taz: Tiere, Punk, Appelle und Kunstposter: Wie ließe sich die inhaltliche
Ausrichtung zusammenfassen?
Beck: Die NBIZ ist ein Pop-Produkt. Die Klammer ist Literatur – Kunst –
Gesellschaft, also Philosophie. Alles ist Politik, das muss nicht
draufstehen. Im Grunde ist alles politisch. Es geht darum, nicht das zu
machen, was andere schon gebracht haben. Und eben nicht wie eine
Regionalzeitung mit Lokalteil. Wir haben natürlich ein paar Hefte nach Köln
geschickt, auch Frankfurt, Stuttgart, nur noch nicht München. Alle
Exemplare sind gut weggegangen, aber von einem richtigen Verkauf kann nicht
die Rede sein.
taz: Wegen dem Straßenverkauf durch Obdachlose hielten einige die NBIZ für
ein Obdachlosenprojekt.
Beck: Anfangs haben wir mit dem Gedanken gespielt. Aber wenn jemand die
Zeitung verkauft, ob obdachlos oder in Buchläden, wird der Aufwand zu
kompliziert, genauso Buchhandlungen oder Galerien. Die vorher anzurufen und
zu fragen, wollen sie, danach Abrechnung und Remittenden: so ein Aufwand
ist nicht drin. Denn dann wollen Verkaufsstellen Mediadaten, dann müssen
sie alles Mögliche sehen. Für einen kleinen Betrieb ist das – neben dem
redaktionellen Aufwand – einfach nicht zu stemmen.
taz: Der Preis von zwei Euro ist ja auch eine interessante Ansage …
Beck: Das ist natürlich ein Kampfpreis. Der ist dem geschuldet, dass wir
über den Verkauf bislang ohnehin fast nichts verdienen. Vielleicht ändert
sich das noch. Aber erst mal zwei Euro, da kann man nicht Nein sagen. Und
es war auch die Idee dahinter: Man macht ein Ding, das ist eine
Überraschung, und es soll jedes Mal überraschend sein. Und das kostet dann
zwei Euro. Da lohnt es sich immer neu, reinzuschauen.
taz: Einfach starten, losmachen und gucken, was passiert: fast wie 1981,
Berlin?
Beck: Do it yourself. Yeah. Wir sind 2024 mitten in gesellschaftsspaltenden
Konflikten, umgeben von Kriegen, und da bleibt einem keine andere Wahl.
16 Oct 2024
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## AUTOREN
Matthias Penzel
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