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# taz.de -- Selbstwirksamkeit und Bezug zur Region: Auch in 100 Jahren geht es …
> Die Süddeutsche Zeitung will ihre Lokalberichterstattung reduzieren. Das
> ist eine fatale Entscheidung für die Demokratie, erzählt ein
> Zeitreisender.
Bild: Die Süddeutsche Zeitung will sich vom Lokalen abwenden und nur noch übe…
Das gibt’s doch nicht!“, fluche ich und blättere wütend die Zeitung durch.
Eine Schreckensmeldung nach der anderen: Fischsterben hier, Attentat da,
Korruption und Krieg überall. Da fängt das Wochenende ja gut an.
„Wie hat denn euer lokaler Fußballverein gespielt?“, fragt Felix. Er stammt
ursprünglich aus dem Jahr 2124 und kommt mich ab und zu in 2024 besuchen.
„Keine Ahnung“, sage ich und überfliege den nächsten Artikel.
„Und welche Band ist beim Fest der Stadtbibliothek aufgetreten?“
„Weiß ich nicht.“
„Aber was beim Bürgermeisterfrühstück besprochen wurde, weißt du?“
„Nein, das interessiert mich alles nicht. Und die meisten anderen Leute
offenbar auch nicht. Deshalb stellt die Süddeutsche Zeitung jetzt [1][ihre
Regionalberichterstattung weitgehend ein]. „Das hier sind für die Menschen
die weltbewegenden Skandale“, sage ich und klopfe auf die Seite mit den
Auslandsnachrichten.
„Mag sein. Aber es hat für ihr tägliches Leben so gut wie keine Relevanz.
Eigentlich macht es nur unzufrieden.“
„Die Wahrheit macht eben unzufrieden. Wenn ich an all die Probleme auf der
Welt denke, werde ich depressiv.“
„Du fühlst dich hilflos, weil du über [2][die Nachrichten und die sozialen
Medien] von all den Katastrophen erfährst, an denen du absolut nichts
ändern kannst. Gleichzeitig verlieren immer mehr Menschen den Bezug zu
ihrer Heimat, zum Kiez. Alle hängen vor ihren Geräten und gucken ins Netz,
aber immer weniger gehen in die Innenstadt oder engagieren sich in den
lokalen Vereinen. Dabei sind die Kommune, der Zusammenhalt kleiner Gruppen,
das Engagement und die Wertschätzung dort der Kern einer jeden
Gemeinschaft. Eine Demokratie ist kein Pizzaservice, der gute Politik
gefälligst ofenfrisch bis an die Haustür liefert. Das ist wie ein
Familienfest, bei dem nur dann alle satt werden, wenn jeder mithilft: Der
eine schält die Kartoffeln, der andere wäscht den Salat, ein Dritter deckt
den Tisch.“
„Und bei euch helfen alle mit?“
„Ja, bei uns gibt es eine Quote für lokalen Content. Der Feed von
Newsanbietern und soziale Medien muss zu mindestens einem Drittel aus
lokalen Inhalten bestehen. Mittlerweile zeigt der Algorithmus aber
wesentlich mehr an. Denn auf Local Media erfährst du vor allem, was bei dir
vor der Haustür stattfindet, welche Themen es gibt und wie du dich
[3][beteiligen kannst]. Wir haben eine Menge neue Ehrenämter geschaffen, um
die sich die Bürger*innen bewerben und für die sie Aufmerksamkeit und
Wertschätzung erhalten.“
„Ah, was denn für welche?“
„Das sind zum Beispiel Stadträt*innen, Jugendhelfer*innen,
Integrationsbeauftragte, Verantwortliche für das zivile Holonet oder
Meister*innen der kommunalen Backstube. Wer ein solches Ehrenamt ausübt,
wird zum Local Influencer und bekommt automatisch die User der Kommune als
Follower zugeteilt. Die Influencer können kaum über die Straße gehen, ohne
für Selfies oder Autogramme angesprochen zu werden. Sie sind Vorbilder und
motivieren andere, ebenfalls mit anzupacken. Je mehr Menschen sich vor Ort
engagieren und vernetzen, desto besser funktioniert das Gemeinwesen und
desto geringer ist die Kriminalität und die Leute sind viel zufriedener.“
„Und was ist dein Ehrenamt?“
„Ich bin der Zeitreisende meiner Kommune. Ich sorge dafür, dass die
Vergangenheit genau so verläuft, dass all die guten Veränderungen auch
eintreten.“
1 Nov 2024
## LINKS
[1] /Kuerzungen-bei-der-SZ/!6044963
[2] /Negative-Nachrichten/!6038188
[3] /Kampf-gegen-AfD-in-Ostdeutschland/!5982243
## AUTOREN
Theresa Hannig
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