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# taz.de -- Kürzungen im Kulturetat: Neuanfang oder Endstation
> Der Senat will sparen und Berlins Kulturszene fürchtet um ihre Existenz.
> Besonders hart trifft es kleine Einrichtungen – wie das Museum der Dinge.
Bild: „Profitopolis“-Ausstellung im Museum der Dinge: Projekte wie dieses k…
Berlin taz | Es herrscht emsiges Treiben im Museum der Dinge in Mitte.
Museumsleiterin Florentine Nadolni begutachtet eine der Vitrinen und stellt
zufrieden fest, dass diese schon mit Ausstellungsobjekten gefüllt wurde.
Denn die Arbeit muss jetzt vorangehen: Am 8. November feiert das Museum die
Wiedereröffnung der Dauerausstellung am neuen Standort in der Leipziger
Straße in Mitte. Dann sollen die etwa 15.000 Objekte aus der Sammlung des
Werkbundarchivs wieder für die Öffentlichkeit zu sehen sein.
Die Ausstellung zeigt, wie Alltagsgegenstände unser Leben prägen, auch wenn
wir das vielleicht gar nicht wahrnehmen – und wie manche Dinge mit
bestimmten zeitlichen Perioden verknüpft sind. Zu sehen sind vor allem
industriell gefertigte Dinge und Gegenstände des 20. Jahrhunderts, etwa
Stühle, die längst Designklassiker sind, und ikonische Werbefiguren wie das
Michelin-Männchen. Mit seiner originellen Ausrichtung gehört das Museum der
Dinge eher zu den kleineren Kulturinstitutionen der Stadt – und sorgt sich
trotz der anstehenden Neueröffnung um seine Zukunft.
Doch von vorn: Noch während die Dauerausstellung in ihre neue Bleibe
verfrachtet wurde, öffnete das Museum der Dinge in der Leipziger Straße
bereits die Türen. Seitdem ist dort in einem Nebenraum die
Sonderausstellung „Profitopolis“ zu sehen, die, so erklärt es
Museumsleiterin Nadolni, die eigene Verdrängung aus Kreuzberg thematisiert:
Das Museum hatte Ende 2023 seine Räume in der Oranienstraße verlassen
müssen, weil eine Immobilienfirma aus Luxemburg den Mietvertrag nicht
verlängert hatte. In „Profitopolis“ geht es aber auch generell darum, wie
die Stadtentwicklung der vergangenen Jahrzehnte von kapitalistischen
Interessen geprägt wurde.
Nadolni befürchtet allerdings, dass sich das Museum in Zukunft eine
Sonderausstellung [1][wie diese nicht mehr leisten kann, wenn der
schwarz-rote Senat die Sparmaßnahmen im Haushalt] so durchsetzt wie
geplant. Insgesamt drei Milliarden Euro müsse Berlin im kommenden Jahr
sparen, hatte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) jüngst bekräftigt. 2026
sollen weitere zwei Milliarden Euro eingespart werden. Gelder für Kunst und
Kultur sollen davon nicht verschont bleiben. Die Förderleistungen für
Kultureinrichtungen sollen im Jahr 2025 um zehn Prozent gekürzt werden –
insgesamt 120 Millionen Euro.
## Förderleistungen sollen um zehn Prozent gekürzt werden
Umgerechnet auf ihr Museum würden zehn Prozent weniger an öffentlichen
Zuwendungen bedeuten, dass eine Ausstellung wie „Profitopolis“ nicht mehr
zu stemmen sei, so Nadolni. Der gesamte Kultur- und Programmetat des
Museums für Sonderausstellungen und Bildungsarbeit entspräche ungefähr
diesem Anteil, so die Museumsleiterin. Fiele der weg, „könnte man die
Arbeit, zu der wir uns auch als Verein in der Satzung verpflichtet haben,
nicht mehr machen.“
Doch nicht das Museum der Dinge, sondern die ganze [2][Kunst- und
Kulturszene Berlins ist angesichts der geplanten Kürzungen nervös]: die
Freie Szene sowieso – die befürchtet, als erstes unter die Räder zu kommen.
Aber auch Tanzensembles, Theater und viele weitere Museen sind in Aufruhr.
Der Berliner Museumsverband etwa hat sich jüngst in einem offenen Brief an
den Berliner Senat gewandt mit der fast flehentlichen Bitte, die
Auswirkungen auf Kunst und Kultur möglichst gering zu halten. Ähnlich
klingt es auch in einem offenen Brief des Berliner Landesverbands des
Deutschen Bühnenvereins, der die Interessen von Theatern und Orchestern
vertritt. Das Hauptargument der Kulturbranche lautet dabei oft: Der
Kulturetat ist ohnehin ein kleiner Posten im Haushalt. Hier zu kürzen,
würde vergleichsweise wenig Einsparungen bringen, hätte aber massive
Auswirkungen auf das gesamte Kulturleben Berlins.
Dieses, betont Florentine Nadolni vom Museum der Dinge, stehe für
[3][Vielfalt und Diversität, die man in Zeiten wie diesen, wo eine Partei
wie die AfD] ganz andere Werte vertrete und damit auch noch Erfolg habe,
schützen müsse. Ein Museum sei auch ein Ort zur Förderung des
gesellschaftlichen Zusammenhalts. Außerdem stellten Kunst und Kultur auch
einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor in der Stadt dar und seien ein
„Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Städten im In- und Ausland“.
Nadolni sagt, sie befürchte einen „Kahlschlag“, der die Einzigartigkeit
Berlins bedrohen würde.
## Mehr Sondermittel einholen wäre ein Ausweg
In ihrem Haus würde sich dieser Kahlschlag wohl vor allem auf die
Bildungsarbeit und mögliche künftige Sonderausstellungen auswirken. Die
würden dann laut Nadolni ersatzlos wegbrechen. Die Öffnungszeiten zu
verringern, das sei „nicht verkraftbar“, schließlich habe man bereits an
zwei Tagen in der Woche geschlossen. Selbst mit einzelnen Kündigungen
könnte sie wohl nicht die voraussichtlich bald fehlenden Gelder
kompensieren.
Ein möglicher Ausweg wäre, ab nächstem Jahr für bestimmte Projekte vermehrt
Sondermittel einzuholen. Da wäre das Museum der Dinge dann aber sicherlich
nicht die einzige Institution, die verstärkt zum Beispiel bei Stiftungen
vorstellig werden würde. Zudem schrumpfen einige Fördertöpfe zurzeit
ebenfalls – etwa die des Bundes. Der Bund steht finanziell kaum besser da
als das Land Berlin. „Es gibt immer weniger Geld in der Kultur“, beklagt
Nadolni, „der Bedarf an Zuwendungen steigt, gleichzeitig werden die
Drittmittel immer weniger.“
Hinzu kommt die fehlende Planbarkeit. Berlins Kultursenator Joe Chialo
(CDU) beharre darauf noch nicht sagen zu können, wer in welcher Form von
den Einsparmaßnahmen betroffen sein wird, so Nadolni. Verlautbarungen dazu
seien nicht vor Ende November zu erwarten. Doch diese Unsicherheit ist für
ein kleines Haus wie das Museum der Dinge ein großes Problem. Man könne
sich überhaupt nicht vorbereiten auf das nächste Jahr, sagt Nadolni. Oft
bleibe ihr nur, irgendwelche hypothetischen Szenarien durchzuspielen. Doch
egal wie sie es dreht und wendet: Die nahe Zukunft sieht nicht gut aus.
14 Oct 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Andreas Hartmann
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