# taz.de -- Kasper Königs Kunstsammlung versteigert: Denken in Sprüngen | |
> C.D. Friedrich oder Hanne Darboven: Die Sammlung von Kurator Kasper König | |
> war ein charmantes Potpourri. Wie sie in Köln unter den Hammer kam. | |
Bild: Hatte Kasper König noch zum Covergirl der Versteigerung erklärt: Sigmar… | |
In der Buslinie 133 vom Kölner Hauptbahnhof nach Zollstock sitzen andere | |
Fahrgäste als sonst. Die untypischen Menschen steigen an der Haltestelle | |
Brühler Straße geschlossen aus und eilen zum schneeweiß leuchtenden | |
Auktionshaus Van Ham, das wie ein Ufo in der Gegend mit dem Charme eines | |
Gewerbegebiets thront. Tatsächlich also fährt man mit dem öffentlichen | |
Nahverkehr zur noblen Abendveranstaltung in einem der führenden | |
Kunstauktionshäuser der Republik, bei der noch 3,5 Millionen Euro umgesetzt | |
werden sollen. | |
Es ist allerdings auch keine normale Auktion, sondern die Versteigerung | |
eines Teils der Sammlung von Kasper König. Der große Ausstellungsmacher, | |
[1][der im August 80-jährig verstorben ist], leitete in Köln von 2000 bis | |
2012 das Museum Ludwig und hat tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen, sein | |
Bruder Walther hat von Köln aus ein Imperium der Kunst- und | |
Museumsbuchhandlungen aufgebaut. | |
Walther und seine Frau sind auch anwesend, Kaspers Galeristen-Söhne Johann | |
und Leo ebenfalls, sowie Kenner, Kritiker, Kunstberater und Künstler, auch | |
aus der weiteren Nachbarschaft, wie der Düsseldorfer Lichtkünstler Mischa | |
Kuball, und viele Fans. Der Auktionssaal füllt sich, einige im Saal werden | |
später beharrlich bieten, der Rest beobachtet, staunt und fiebert mit. | |
Van-Ham-Chef Markus Eisenbeis, der die Auktion leitet, ist begeistert: „Das | |
öffentliche Interesse ist beeindruckend, schon bei den Vorbesichtigungen. | |
Die Tendenz geht dahin, dass die Auktionssäle leerer werden, weil online | |
oder am Telefon geboten wird. Hier herrscht jetzt eine schöne Stimmung, es | |
kommen Menschen, die bisher noch nicht den Weg zu uns gefunden haben.“ | |
## „Ich bin vollkommen unsentimental“ | |
Kasper König hatte noch zu Lebzeiten einen Teil seiner Sammlung dem Kölner | |
Museum Ludwig geschenkt. Den größeren Teil aber gab er dem Kölner | |
Auktionshaus zum Verkauf, konzipierte die aufwändig installierte | |
Ausstellung und den Katalog, der wissenschaftlich so akribisch gemacht und | |
anekdotisch angereichert ist, dass er wohl neue Maßstäbe setzen wird. „Es | |
war eigentlich vor allem ein Ausstellungsprojekt, das er nun nicht mehr | |
vollenden konnte“, berichtet Eisenbeis. | |
In einem Video, das im Juni noch in Königs Berliner Wohnung aufgezeichnet | |
wurde, wandert der Kurator durch seine in dichter Petersburger Hängung | |
präsentierte Sammlung, bleibt vor einzelnen Werken stehen, betrachtet sie | |
in seiner typischen, kritischen Haltung, als sähe er sie zum ersten Mal. | |
„Ich bin vollkommen unsentimental“, sagt er im Video, „ich freue mich, we… | |
die Sachen irgendwie …“, und dann macht er mit beiden Händen eine Bewegung | |
wie ein Bauer, der auf dem Acker aussät. Die Kunst soll sich verteilen in | |
der Welt. | |
Ein Sammler im klassischen Sinne ist König nie gewesen, er ging weder | |
strategisch noch systematisch vor. Die Kollektion hat etwas von einem | |
Sammelsurium, das entlang seines bewegten Lebens zwischen Westfalen, New | |
York, Kanada und vielen anderen Stationen entstand, sie ist wie eine | |
ephemere Collage, die sich nun wieder in ihre Einzelteile zerlegt. Es ging | |
König nicht ums Besitzen von Kunst, ums Horten, sondern um die inhaltliche | |
Auseinandersetzung, die ständig in Bewegung blieb. „Es ging ihm eher darum, | |
Anerkennung auszudrücken, nicht Werte anzuhäufen“, sagt Sohn Johann in | |
einer Aufzeichnung anlässlich der Vorbesichtigung. „Er hat in eklektischen | |
Zusammenhängen gedacht.“ | |
Man könnte auch sagen: Er hat ein inspirierendes Potpourri angehäuft, in | |
dem verblüffende Dialoge entstanden, etwa zwischen einer zart | |
[2][verblassten Waldskizze von Caspar David Friedrich] und Hanne Darbovens | |
unerbittlichen Schreibübungen. Oder zwischen [3][Claes Oldenburgs] | |
Geistergarderobe für Marilyn Monroe („Ghost Wardrobe for M. M.“) und dem | |
Prototyp der „Auditorium-Diwane“ von Franz West. | |
## Der Sohn will ein wackeliges Möbelstück von Franz West | |
Die Abendversteigerung mit den Filetstücken der Sammlung folgt nun Königs | |
eigenwilligem Denken in Sprüngen. Im Saal herrscht wohlwollende Spannung, | |
ohne dass der Killerinstinkt von Blue-Chip-Auktionen spürbar wird. | |
Parallel wird an Telefonen und online geboten. | |
Für den Prototyp der „Auditorium-Diwane“ von Franz West bietet auch Johann | |
König beharrlich mit, steigt bei 60.000 Euro ein, gibt aber irgendwann | |
gegen einen Onlinebieter auf. Der Hammer fällt erst bei 155.000 Euro für | |
das wackelige Möbelstück des österreichischen Künstlers. Auch bei zwei von | |
drei angebotenen Gemälden von William Copley bietet Johann König mit. | |
Wiederum vergeblich bei „Lady Be Good“, das von 60.000 auf 130.000 Euro | |
gehoben wurde. Mit Erfolg dann bei einer Leinwand ohne Titel aus der | |
Pariser Zeit des Künstlers, die er für 85.000 Euro, etwas oberhalb der Taxe | |
ersteigern kann. | |
Keine 90 Minuten dauert der Evening-Sale, Markus Eisenbeis verkündet einen | |
Auktionsrekord für ein Datumsbild von On Kawara: „May 7, 1967“, auf 500.000 | |
bis 700.000 Euro geschätzt, wird unter Applaus im Saal für 800.000 Euro in | |
eine rheinische Sammlung vermittelt, inklusive Aufgeld knackt das Bild die | |
Millionenmarke. | |
Quasi als Motto der Auktion hatte Kasper König selbst bestimmt, dass | |
[4][Sigmar Polkes Gemälde] „Meisterwerk als Ramsch versteigert“ auf das | |
Cover des Katalogs platziert wurde. Die Geschichte dazu: König blieb 2008 | |
auf der [5][Messe Art Cologne] fasziniert vor Polkes Gemälde stehen und | |
hörte zufällig, wie ein Sammler beim Galeristen nach einem Rabatt für die | |
ästhetisch unbequeme Arbeit fragte. Empört über die Feilscherei kaufte | |
König dem Sammler das Bild kurzerhand vor der Nase weg. Eine Schlüsselszene | |
für Königs Kunstverständnis: Polkes gemalte Kritik an der Kunstwelt und zum | |
Ausverkauf gesellschaftlicher Werte war ausgerechnet vor diesem ironischen | |
Bild auf exemplarische Weise zur Realität geworden. | |
4 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Regine Müller | |
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