# taz.de -- Zum Tod von Kurator Kasper König: Eine großzügige Ausnahmeersche… | |
> Ausstellungsmacher, Kunstprofessor, Museumsdirektor und ein weltweit | |
> Umtriebiger des Kunstbetriebs: Kasper König ist im Alter von 80 Jahren | |
> gestorben. | |
Bild: Beantwortete Mails stets mit Postkarten und trug mit Vorliebe Karo-Hemden… | |
Kasper König ist tot. Das ist eine traurige Nachricht. Nicht nur für | |
Hunderte von internationalen Künstler*innen und Kolleg*innen, die ihn | |
geliebt, geschätzt und manchmal auch gefürchtet haben, sondern vermutlich | |
auch für die Menschen, denen er zufällig im Alltag begegnet ist: in einer | |
Bäckerei, im Zugrestaurant oder im Hotel. Wenn ein Gruppenfoto gemacht | |
wurde, musste die Café-Bedienung auf jeden Fall mit drauf. | |
Kasper König war offen, geistreich und aufmerksam – eine großzügige und | |
liebenswürdige Ausnahmeerscheinung. Gut gekleidet und knapp zwei Meter | |
lang, große Augen, große Ohren. Nur wenn ihn etwas gelangweilt hat, | |
vielleicht weil er es als zu konventionell und vorhersehbar empfand, drehte | |
er sich abrupt um und ging. Keine Zeit verlieren mit so etwas. | |
Sein Tod ist schmerzhaft. Und Kasper kann uns nicht mehr aufmuntern, was er | |
mit Sicherheit getan hätte. Wir können die Lage nicht mehr mit ihm | |
besprechen, um dann wie so oft eine interessante Antwort auf eine ganz | |
andere Frage zu bekommen. Wir können uns nur an ihn erinnern, an seine | |
präzisen Beobachtungen, seine lustigen Kommentare und sein unstillbares | |
Interesse an den Künstler*innen, Kolleg*innen und Kunstorten dieser | |
Welt. | |
Kasper besaß ein Buch mit Tausenden aus der Presse – Tageszeitungen, | |
Magazine, Klatschhefte – ausgeschnittenen Porträtfotos und Adressen, das er | |
ständig aktualisierte, sein Facebook. Ich sehe ihn vor mir, wie er morgens | |
in seinem Berliner Büro in Höchstgeschwindigkeit die Zeitungen fleddert und | |
mit Schere und Tesafilm hantiert. Alles Unbrauchbare fliegt auf den Boden, | |
der Rest landet auf Postkarten, wird überklebt, kommentiert und verschickt. | |
Sticker jeder Art, Glücksklee, Einhörner und Glitzer, morgens beim | |
Woolworth um die Ecke gekauft, stehen hoch im Kurs. Er freut sich über | |
Material, das ihn an jemanden denken lässt. E-Mails werden per Postkarte | |
beantwortet. | |
## Er war einflussreich, wollte es auch sein | |
Die Begegnung mit Kasper König war für viele ein lebensveränderndes Moment. | |
Er war einflussreich und wollte es auch sein, sein profundes Wissen über | |
Kunst und Leben wirkte ansteckend, sein Blick auf die Dinge inspirierend. | |
Für ihn gab es nichts auf dieser Welt, was nicht gestaltet war und | |
hinsichtlich dieser Qualität beurteilt werden konnte, von Verpackungsdesign | |
über Straßenmode, Schaufenster und Architektur bis hin zu | |
Pornozeitschriften. Er war direkt und darin manchmal auch verletzend, | |
jedoch ohne Kalkül oder Bösartigkeit. | |
Kasper König selbst bezeichnete sich gerne als Ausstellungsmacher, auch das | |
Wort Kunstprofessor mochte er irgendwie, und er war es ja auch: trotz | |
fehlendem Studienabschluss unterrichtete er viele Jahre unter anderem am | |
Nova Scotia College in Halifax, Kanada, sowie an den Akademien Düsseldorf | |
und Frankfurt, der Städelschule in Frankfurt stand er ab 1989 für einige | |
Jahre sogar als Rektor vor. | |
Er war der schillernde Vertreter einer alten Kuratorenschule, bei der | |
Ausstellungen zuallererst gemeinsam mit den beteiligten Künstlerinnen und | |
Künstlern entwickelt und erst an zweiter oder dritter Stelle anderen | |
Bedingungen unterworfen werden, wenn überhaupt. Falls nötig, wurde da – wie | |
bei der Pressebegehung für [1][die Manifesta 2014 in der Eremitage in St. | |
Petersburg] – auch schon mal eine Tür eingetreten. Und nicht nur über diese | |
Ausstellung im bereits ziemlich restriktiven Russland, für die er trotzdem | |
freie Nischen fand, gibt es zahlreiche Anekdoten. Das Gleiche gilt für die | |
„Skulptur Projekte“ in Münster. 1977 hatte Kasper König sie mit dem Kurat… | |
des Westfälischen Landesmuseums, Klaus Bußmann, ins Leben gerufen. | |
Die eingeladenen Künstler – zu diesem Zeitpunkt alles Männer – reisten zum | |
Teil aus Amerika mit dem Schiff an und blieben mehrere Monate, um für | |
spezielle Orte Projekte im öffentlichen Raum zu entwickeln. Die großen | |
Betonskulpturen, wie die Kugeln von [2][Claes Oldenburg] oder [3][Donald | |
Judds] ineinander versetzte Ringe am Aasee, sorgten im konservativen, | |
erzkatholischen Münster für viel Aufregung. Damals hätte man, so beschrieb | |
es Kasper König gerne, die Redakteure der Lokalzeitungen einsparen können, | |
so viele empörte Leserbriefe gab es. | |
## Das Leben in der Stadt, nicht die selbstverliebte Kunst | |
Mit den zweiten „Skulptur Projekten“ zehn Jahre nach der ersten Ausstellung | |
wollten Klaus Bußmann und Kasper König prüfen, ob sich das Verhältnis der | |
Münsteraner Bürgerinnen und Bürger zur Skulptur im Außenraum geändert | |
hatte. Die Rezeption war nach wie vor kritisch, aber einige erinnerten sich | |
auch positiv an das Leben in der Stadt und die vielen öffentlichen | |
Diskussionen, die die Ausstellung 1977 mit sich gebracht hatte. | |
So entstand der Zehnjahres-Rhythmus, der durch die dritte Auflage im Jahr | |
1997 endgültig besiegelt wurde und der die Ausstellung so ungewöhnlich | |
macht. Für die Besucher*innen, die Stadt und die Künstler*innen | |
markieren die „Skulptur Projekte“ einen Schnitt in Raum und Zeit. Von 1977 | |
bis [4][2017 war Kasper König] in jede Ausgabe voll involviert. | |
Für die letzten „Skulptur Projekte“ arbeitete ich als Kuratorin, gemeinsam | |
mit Marianne Wagner, Kuratorin für Gegenwartskunst am LWL – Museum für | |
Kunst und Kultur, wie das ehemalige Landesmuseum seit 2013 heißt. Das | |
dazugehörige Logo des LWL hängt nun wortwörtlich in einer aus zahlreichen | |
Metallkugeln zusammengesetzten Fassadenarbeit des Künstlers Otto Piene. | |
Kasper König regte diese markenbewusste Inszenierung unendlich auf. Er | |
prägte die Wortschöpfung Logopiene – ein fiktives neues Medikament, dass | |
langfristig gegen diese Art von Unsinn wirken sollte. | |
Seine Abneigung gegenüber einer selbstverliebten Kunst mit großem „K“ habe | |
auch ich geerbt. Sein Tod hat in den sozialen Medien ein regelrechtes Beben | |
ausgelöst. Er kommt nicht überraschend, aber trifft mit voller Wucht. | |
Die Autorin ist Künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr und hat als | |
Kuratorin der „Skulptur Projekte“ 2017 in Münster eng mit Kasper König | |
zusammengearbeitet. | |
12 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Britta Peters | |
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