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# taz.de -- Drogenkriminalität in NRW: Die Stille nach dem Knall
> Im Rheinland eskaliert ein gewalttätiger Bandenkrieg im Drogenmilieu.
> Polizei und Staatsanwaltschaft glauben nicht an ein schnelles Ende.
Bild: Polizeiabsperrung nach einer Explosion in einer Passage neben dem Nachtcl…
Köln taz | Nach einer Serie von Explosionen, Schießereien und Entführungen
mit Schwerpunkt in Köln will der dortige Kripo-Chef Michael Esser kein Ende
der Gewalt versprechen. Denn deren Spuren führen offenbar zur [1][äußerst
skrupellosen niederländischen Drogen-Mafia].
Die Polizei stehe „aktuell vor großen Herausforderungen durch beispiellose
Fälle der Gewalt- und Schwerkriminalität, die es bis dato in Köln nicht
gegeben hat“, erklärte Esser am Freitagnachmittag bei einem Pressegespräch
im Kölner Polizeipräsidium. „Dass wir da wieder Ruhe reinbringen, ist meine
große Hoffnung“, sagte der Leitende Kriminaldirektor. „Aber es kann auch
anders laufen.“
Erst in dieser Woche waren in Kölns Innenstadt zwei Sprengsätze detoniert.
Am Montagmorgen traf es um 5.48 Uhr die Discothek „Vanity“ am
Hohenzollernring, am Mittwochmorgen knallte es gegen 5.00 im Laden des
gerade bei jungen Männern angesagten Modelabels „Life fast die young“
(LFDY) in der Ehrenstraße. Wohl nur wegen der frühen Tatzeit gab es nur
zwei Opfer: Verletzt wurden eine Reinigungskraft und ein Passant, der noch
versucht hatte, das Feuer im LFDY-Store zu löschen.
Die Ermittler sehen einen Zusammenhang mit acht weiteren Explosionen seit
Ende Juni, drei davon in Köln. Auch in Solingen, Engelskirchen, Duisburg
und zwei Mal in der Landeshauptstadt Düsseldorf gingen Sprengsätze hoch.
Dazu kommen Schüsse auf Häuser in Köln und Düsseldorf – und Geiselnahmen,
die erste davon in Kölns Nachbarstadt Hürth.
## 300 Kilo Cannabis verschwunden
Die zweite endete am 5. Juli mit dem spektakulären Auftritt eines
Spezialeinsatzkommandos im Kölner Villenviertel Rodenkirchen: Dort
befreiten die Beamten eine Frau und einen Mann, die zuvor in Bochum
entführt und offenbar in Köln gefoltert worden waren. Hintergrund sind
offenbar Auseinandersetzungen in einem Drogenmilieu, das als äußerst
skrupellos gilt.
In Hürth hätten offenbar aus den Niederlanden stammende Dealer satte „700
Kilogramm Cannabis angeliefert“, erklärte der Sprecher der Kölner
Staatsanwaltschaft, Ulrich Bremer, am Freitag bei der Pressekonferenz im
Polizeipräsidium. Die seien von den Kriminellen zwar „bewacht worden“ –
aber dennoch seien „300 Kilogramm abhanden gekommen“, so der
Oberstaatsanwalt.
Mit anderen Worten: Den Niederländern fehlt Gras in einem Schwarzmarktwert
von mindestens 1,5 Millionen Euro – und das wollen sie um jeden Preis
wiederhaben. „Das ist der Kern“, erklärte Bremer: Die Dealer wollten
entweder das Geld oder die 300 Kilo Cannabis zurück – und natürlich wissen,
wer hinter dem Millionencoup, der sie im Milieu das Gesicht kosten könnte,
steht.
Die Serie von Explosionen, Schießereien und Geiselnahmen in
Nordrhein-Westfalen dient dabei offenbar nur als Druckmittel: So soll die
Folter der in Bochum Entführten gefilmt und an deren Angehörige verschickt
worden sein, um sie zum Reden zu bringen. Dass der Ursprung der Gewalt im
Nachbarland liegt, davon sind die Ermittelnden mittlerweile überzeugt. „Die
Verbindungen der Taten zur Organisierten Kriminalität in den Niederlanden
liegen auf der Hand“, sagt Kölns Kripo-Chef Esser. „Sprengungen zur Warnung
oder Schüsse auf Häuser sind dort bereits seit Längerem an der
Tagesordnung.“
## Bandenmäßige Kriminalität
Auch Oberstaatsanwalt Bremer verweist im Zusammenhang mit der ersten
Geiselnahme in Hürth auf „drei Beschuldigte in U-Haft“. Diese stammten aus
den Niederlanden, seien aber „eher als Gehilfen einzustufen“. Von der in
Holland berüchtigten „Mocro-Mafia“ will Bremer trotzdem nicht sprechen.
Möge die Formulierung auch journalistisch eingängig sein –
„strafprozessionell“ sei der Begriff nicht zu fassen. Ermittelt werde
aktuell „nicht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung“, sondern wegen
„bandenmäßigen Vorgehens“, so der Oberstaatsanwalt.
Dazu kommt: Zwar ist „Mocro“ niederländischer Slang für Menschen mit
marokkanischem Migrationshintergrund und wird wohl mit der Mafia in
Verbindung gebracht, weil das nordafrikanische Land lange als einer der
Cannabis-Hauptlieferanten galt. Allerdings: Im niederländischen
Drogenmilieu sind natürlich Menschen verschiedenster Herkunft aktiv – mit
und ohne Migrationshintergrund.
Klar ist aber: Die Mafia im Nachbarland schreckt vor nichts zurück. Das
Milieu steckte 2021 offensichtlich nicht nur hinter dem Mord an dem mitten
in Amsterdam [2][auf offener Straße niedergeschossenen
Investigativjournalisten Peter R. de Vries]. 2022 soll sogar die Entführung
des damaligen niederländischen Premierministers Mark Rutte und von
Kronprinzessin Amalia geplant gewesen sein – mit der Idee, den
Regierungschef und die Thronfolgerin gegen den inhaftierten Drogenpaten
Ridouan Taghi austauschen zu können.
Kripo-Chef Esser versichert, er und seine Beamt:innen nähmen Sorgen der
Bevölkerung „sehr ernst“. Die Polizei tue „alles, was in unserer Macht
steht“, um die Anschlagsserie zu beenden. Etwas pikiert reagierte Esser auf
die Frage, ob die Kölner Polizei dazu überhaupt in der Lage sei. Die Kölner
Polizeibehörde sei die größte in NRW und arbeite eng mit dem Landes- und
Bundeskriminalamt zusammen, erklärte er.
## Reul gegen Cannabis-Legalisierung
Schon heute liefen rund 30 Ermittlungsverfahren gegen 25 Beschuldigte. 60
Beamt:innen setze er allein zur Bekämpfung der Drogen-Kriminalität ein.
Aber das sorge natürlich „für Engpässe“ in anderen Arbeitsbereichen, rä…
der Kripochef dann doch ein.
Nicht gern hören wird das Essers Dienstherr, Nordrhein-Westfalens
CDU-Innenminister Herbert Reul. Der hat schon im Juli erklärt, ihn sorge
die „neue Qualität“ der Gewalt – und gewarnt, eine liberale Drogenpolitik
wie in den Niederlanden befördere die Entstehung eines mafiösen
Drogenmilieus.
Die Idee dahinter: Zwar wird in Hollands Coffeeshops der Kauf von von bis
zu fünf Gramm Haschisch oder Marihuana für den Eigenbedarf toleriert. Die
dafür nötigen, illegal angebauten großen Gesamtmengen aber liefern
Drogenkartelle – und die haben damit Milliardengewinne eingefahren und sind
immer mächtiger geworden.
Die von SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in Deutschland
vorangetriebene Teil-Legalisierung von Cannabis kritisiert Reul deshalb
scharf. „Mit dem Cannabis-Gesetz schaffen wir einen neuen Verkaufsraum für
die Großdealer“, so der Konservative – und damit die Gefahr einer neuen
Gewaltspirale durch Bandenkriege. Schließlich könne [3][der Anbau in
Cannabis-Clubs] oder auf dem heimischen Fensterbrett den wachsenden Bedarf
längst noch nicht decken, erklärte Reul schon Mitte August.
Gesundheitsminister Lauterbach dagegen bestreitet das vehement. Gerade der
legale Eigenanbau entziehe der Drogenmafia doch Marktanteile, argumentiert
der Sozialdemokrat. Reuls Vorwürfe seien seien „absurd, unfair und
parteipolitisch getrieben“, so Lauterbach.
20 Sep 2024
## LINKS
[1] /Ermordeter-Journalist-Peter-R-De-Vries/!5993540
[2] /Anschlag-auf-Journalisten-in-Amsterdam/!5780734
[3] /Cannabis-Social-Clubs/!6032368
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Organisierte Kriminalität
Drogenhandel
Nordrhein-Westfalen
Cannabis
Bandenkriminalität
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