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# taz.de -- UN-Zukunftsgipfel: Update verfügbar
> Ein Pakt für die Zukunft, beschlossen von den Vereinten Nationen, soll
> allen Menschen ein gutes Leben ermöglichen. Doch die Industrieländer
> bremsen.
Bild: Der Globale Norden hat bei finanziellen Zusagen vielfach versagt
Krieg in Gaza, im Sudan und in der Ukraine, explodierende Pager, die
Situation von Frauen in Afghanistan, die Gewalt in Haiti – die Umstände des
UN-Zukunftsgipfels könnten sehr viel besser sein. Derzeit gelingt es den
Vereinten Nationen kaum, angesichts von Kriegsverbrechen und geopolitischen
Spannungen für grundlegende Menschenrechte einzustehen. Mit dem Gipfel will
die UN sich fit für die Zukunft machen.
Am Ende sollen die 193 Mitgliedstaaten den „Pakt für die Zukunft“
verabschieden. Er soll den Weg für Reformen der UN, etwa des
Sicherheitsrats und der internationalen Finanzarchitektur weisen, um die
[1][Umsetzung der Agenda 2030 zu beschleunigen], also der 17
Nachhaltigkeitsziele (SDGs) für ein gutes Leben und den Schutz des
Planeten. Mit der Agenda 2030 haben sich die Vereinten Nationen hohe Ziele
im Kampf gegen Armut, Hunger und andere soziale Probleme gesetzt.
Doch die Umsetzung stockt, nur 17 Prozent der SDGs sind auf dem richtigen
Weg. Ein paar Fortschritte gibt es dennoch: Kindersterblichkeit und
HIV-Infektionen sind im Durchschnitt gesunken, und der Zugang zu Wasser und
sanitären Einrichtungen hat sich global etwas verbessert. Viele
Entwicklungsländer kritisieren jedoch, dass sie die Entwicklungsziele nicht
finanzieren können, während sie es mit multiplen Krisen aufnehmen müssen.
Bislang, also bei der Agenda 2030, ging es um das „Was“, sagt
UN-Generalsekretär António Guterres, beim Pakt für die Zukunft aber um das
„Wie“. Für die Umsetzung der Agenda 2030 brauche es reformierte
Institutionen. „Die heutigen Institutionen entsprechen der Welt nach dem
Zweiten Weltkrieg. Sie haben sich als völlig untauglich erwiesen, um den
Herausforderungen von heute und insbesondere den Herausforderungen der
Entwicklungsländer gerecht zu werden.“ Zum 75. Geburtstag der Vereinten
Nationen vor vier Jahren begann Guterres daher mit der Planung für ein
„System Update“.
## Worum geht es im Pakt für die Zukunft?
Mit der Verhandlungsführung wurden Namibia und Deutschland beauftragt, die
im Januar einen ersten Entwurf vorlegten. Aus ursprünglich 20 Seiten wurden
200 Seiten Änderungsanträge, die jetzt wieder auf etwa 30 Seiten gekürzt
wurden. Hinzugekommen sind viele Formulierungen, die Spielraum lassen:
„freiwillig“ und „wenn es möglich ist“ oder „bemühen“ wollen sich…
Staaten.
[2][Der Pakt] ist in fünf Abschnitte unterteilt: nachhaltige Entwicklung,
Frieden und Sicherheit, Wissenschaft und digitale Zusammenarbeit, Jugend
sowie Transformation von globaler Regierungsführung. Im letzten Punkt geht
es um Reformen im Sicherheitsrat und der internationalen Finanzarchitektur.
Formuliert sind Aktionen, die nicht verpflichtend sind, sie zeigen aber,
welche Stellschrauben es für die Entwicklungsfinanzierung gibt. Und auch
wenn die Trennlinie längst nicht so scharf ist, es weder einen homogenen
Globalen Norden noch Süden gibt, lassen sich die Ungleichheiten entlang der
Kolonialvergangenheit deutlich erkennen.
## Wird der Sicherheitsrat neu aufgestellt?
Seit mehr als sechzig Jahren verhandeln Staaten über eine Reform des
Sicherheitsrats, der am deutlichsten den Zustand der Welt bei Gründung der
UN 1945 widerspiegelt. Die ständigen Vertreter USA, Frankreich,
Großbritannien, Russland und China legen mit ihrem Vetorecht regelmäßig den
Rat und damit internationales Recht lahm. Die Länder haben bereits
angekündigt, davon auch in Zukunft nicht abrücken zu wollen.
Diskutiert wird eine Erweiterung des Sicherheitsrats – und das hat durchaus
Chancen. Zuletzt gelang das 1965. Im Abschlussdokument verpflichten sich
die Staaten, dass Entwicklungsländer besser repräsentiert werden sollen,
und dass über die Einschränkungen des Vetos diskutiert werde. Die USA
hatten im Vorfeld des Gipfels angekündigt, sich für zwei Sitze für
afrikanische Länder und einen für Kleinstaaten einzusetzen.
## Werden globale Steuern eingeführt?
Die Ausarbeitung einer [3][UN-Steuerkonvention] wird im Zukunftspakt
begrüßt. Dagegen hatte sich vor allem die USA gestellt, die globale
Übereinkommen zu Steuern weiterhin in der Organisation der Industriestaaten
(OECD) verorten will. Einige Entwicklungsländer, allen voran afrikanische
Länder, argumentieren, dass sie dort nur wenig Einfluss haben und daher
nicht profitieren. Allein die afrikanischen Länder verlieren jährlich etwa
90 Milliarden US-Dollar durch illegale Steuervermeidung. Für den
Zukunftspakt geht es um Regeln für die Besteuerung multinationaler und
digitaler Unternehmen, und um Transparenz über relevante Daten von
Unternehmen. Auch für die Besteuerung von Superreichen wollen die Staaten
„Optionen erkunden“.
## Was könnte sich finanzpolitisch noch ändern?
Viele Entwicklungsländer sind hoch verschuldet. Sie müssen meist hohe
Zinsen zahlen. Rund 1,3 Milliarden Dollar täglich zahlen Entwicklungsländer
an Schuldendienste. Die IWF-Rettungspakete zwingen außerdem zu einer
Sparpolitik, die oft Zulasten der Ärmsten der Bevölkerung geht. Die
„Initiative für ein Verfahren für verschuldete Staaten“ der G20 ist bisla…
gescheitert.
Nur vier verschuldete Staaten haben den Prozess überhaupt begonnen. Laut
Zukunftspakt soll das Verfahren „verbessert“ werden. Einige Akteure fordern
seit zehn Jahren einen Rahmen für Staatsinsolvenzverfahren, die von der UN
selbst ausgerichtet werden. Um günstige Finanzierung zu schaffen, könnten
die Sonderziehungsrechte (SZR) des IWF viel mehr genutzt werden.
Diese Art Krisen-Währung erschafft der IWF aus dem Nichts und verteilt sie
gemessen an der Wirtschaftskraft der Länder. Deutschland erhielt etwa zum
Höhepunkt der Pandemie so viel wie ganz Afrika, umgerechnet rund 30
Milliarden Euro. Die Länder des Globalen Nordens hatten bereits zugesagt,
über 100 Milliarden SZRs an Entwicklungsländer umzuverteilen – geschehen
ist das nicht.
Der Zukunftspakt erinnert nun daran und bittet Länder, „denen es möglich
ist“, die Umverteilung umzusetzen. [4][Einige Ökonomen meinen], SZR sollen
zum Hauptinstrument für die Finanzierung von IWF-Programmen werden.
Ausgezahlt an regionale Entwicklungsbanken könnten diese Finanzierungen
zunehmend in Landeswährung bereitgestellt werden, um das Währungsrisiko der
Empfängerländer – also eine Abwertung wegen Wechselkursschwankungen – zu
verringern.
Die Staaten bekennen sich außerdem dazu, dass es, angelehnt an die Idee
„Beyond GDP“, eine Wohlstandsmessung über das Bruttoinlandsprodukt hinaus
benötigt. Auch dazu soll eine Expertengruppe Vorschläge erarbeiten.
## Wo steht Deutschland?
Für Deutschland war es wichtig, eine Einigung Zukunftspakt zu erzielen –
auch im Hinblick auf die eigene Zukunft in der UN. Nächstes Jahr will
Deutschland die Präsidentschaft der UN-Generalversammlung übernehmen, die
Bundesrepublik kandidiert zudem für einen nichtständigen Sitz im
Sicherheitsrat. Bei Details blockiert Deutschland aber durchaus. Es setzte
sich immer wieder gegen eine Aufhebung von Strafzinsen an hoch verschuldete
Länder ein und blockt die Umverteilung der SZR.
Deutschland war zunächst gegen eine UN Steuerkonvention, enthielt sich aber
zuletzt. Es trägt auch die informelle Vereinbarung mit, wonach die Spitzen
von IWF und Weltbank jeweils von Europäerinnen und Amerikanern besetzt
werden. Auf der anderen Seite treibt Deutschland unter Führung des
Bundesentwicklungsministeriums die Weltbankreform voran, um das Volumen für
Klima- und Entwicklungsfinanzierung zu erhöhen.
## Was ist Entwicklungsländern noch wichtig?
Für sie wäre mehr Mitspracherecht in allen Foren ein wichtiger Schritt.
Gleiches gilt für den Teil der Zivilgesellschaft, der für Menschen
eintritt, also Gewerkschaften, Wissenschaft oder
Menschenrechtler*innen. Schließlich braucht es weitreichende
Systemänderungen in Sachen Finanzen, die grundlegend auf die Ziele der
Agenda 2030 ausgerichtet sind – also für ein gutes Leben für alle und den
Schutz des Planeten. Mechanismen für die Umsetzung dieser Fragen gibt es
auch im Zukunftspakt nicht. Die bräuchte es aber sehr dringend.
## Wie realistisch ist die Umsetzung des Zukunftsplans?
Der Globale Norden hat bei finanziellen Zusagen vielfach versagt. Die
Staaten sind weit davon entfernt, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes
für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Die zugesagten jährlichen 100
Milliarden Dollar an Klimafinanzierung wurden nicht erreicht, 100
Milliarden Umverteilung SZRs auch nicht. All das wird auch im Zukunftspakt
erwähnt. Dennoch ist der Globale Norden schneller darin, finanzielle
Zusagen zu machen, als grundlegende Reformen anzugehen, die
Machtverhältnisse ändern. Für eine gerechte Zukunft wären das aber die
wichtigeren Stellschrauben.
21 Sep 2024
## LINKS
[1] /Erklaerung-zum-SDG-Gipfel/!5961388
[2] https://crp-infotec.de/uno-sicherheitsrat-reformgeschichte/
[3] /Steuern-fuer-Konzerne-und-Superreiche/!6033271
[4] https://www.boell.de/en/2024/06/12/bretton-woods-revisited-creating-monetar…
## AUTOREN
Leila van Rinsum
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