| # taz.de -- Die Rollen von Europa und Afrika: Wir sinken zusammen | |
| > Europa braucht Afrika mehr als andersherum. Europa muss aufhören, Afrika | |
| > ständig zu belehren. Der Kontinent kann seine Umwelt gut selbst schützen. | |
| Bild: Elefanten in Namibia: 150 Liter Wasser braucht ein Dickhäuter am Tag | |
| 20.000 Elefanten als Geschenk an Deutschland. Botswanas Präsident | |
| Mokgweetsi Masisi sorgte für Schlagzeilen in deutschen Zeitungen, als er im | |
| Frühjahr der deutschen Regierung symbolisch Elefanten anbot. Das war | |
| Ausdruck seiner Frustration über deutsche Kritik und die Doppelmoral im | |
| Umgang mit der Elefantenpopulation seines Landes. | |
| In einigen amüsanten Kolumnen gab es satirische Spekulationen darüber, | |
| [1][wie viele Elefanten wohl auf das Tempelhofer Feld in Berlin passen | |
| würden] oder ob [2][die Fläche des Saarlandes ausreichen] würde. So | |
| unterhaltsam das Thema auch schien, die darauf folgende Debatte war wichtig | |
| und längst überfällig: Wie kann Europa Afrikas Forderung nach | |
| Gleichberechtigung respektieren, ohne Afrika ständig zu belehren? | |
| Was steckte also hinter Masisis Frustration? Es sind vor allem westliche | |
| Naturschutzbemühungen, die oft von außen auferlegt werden, ohne die lokalen | |
| Gegebenheiten und die damit verbundenen sozialen und wirtschaftlichen | |
| Herausforderungen zu berücksichtigen. | |
| Botswana kämpft nicht nur [3][mit der anhaltenden Dürre im südlichen | |
| Afrika], die ganze Flusspferdherden in ausgetrockneten Flussbetten | |
| auszulöschen droht. Sondern auch mit der größten Elefantenpopulation | |
| Afrikas, die selbst Experten für untragbar halten. 150 Liter Wasser braucht | |
| ein Elefant am Tag. Auf der Suche nach Wasser zerstören diese Tiere immer | |
| wieder Dörfer und verwüsten Ernten, was wiederum den Hunger der Menschen | |
| verschärft. | |
| ## Kontrollierte Dezimierung | |
| [4][Der Klimawandel] heizt buchstäblich den Konflikt zwischen Mensch und | |
| Tier um Ressourcen an. Eine vorgeschlagene Lösung ist die kontrollierte | |
| Dezimierung einzelner Tiere. | |
| Dies geschieht derzeit in Namibia. Das Land plant, rund 700 Wildtiere, | |
| darunter Elefanten, Zebras und Flusspferde, zu jagen, da Namibia unter der | |
| schlimmsten Dürre seit 100 Jahren leidet. Etwa die Hälfte der Bevölkerung | |
| Namibias hungert. Die Dezimierung soll erstens den Druck auf Wasser- und | |
| Nahrungsressourcen verringern und zweitens die Wildtierpopulationen in | |
| Gebieten reduzieren, in denen sie die verfügbaren Weideflächen und | |
| Wasserressourcen überbeanspruchen. Und schließlich, drittens, soll sie die | |
| Menschen mit Nahrung versorgen. Die bisher 150 getöteten Tiere haben | |
| bereits über 55.000 Kilogramm [5][Fleisch] geliefert. | |
| Namibia ergreift diesen Schritt nicht leichtfertig: Der Wildtiertourismus | |
| ist der zweitwichtigste Wirtschaftszweig des Landes. Dennoch ist es eine | |
| notwendige Maßnahme. Die Situation erinnert an die gezielte Dezimierung von | |
| Wildtieren in Deutschland, die von prominenten Umweltorganisationen | |
| unterstützt wird, um junge Bäume vor dem Verbiss durch [6][zu viele Rehe | |
| und Hirsche] zu schützen. „Wo zu viel hungriges Wild die Knospen abfrisst, | |
| hat der Waldnachwuchs keine Chance.“ | |
| Wichtiger noch: Diese Maßnahme schafft Akzeptanz und | |
| Verantwortungsbewusstsein für den Naturschutz. Für einen Bauern, der ums | |
| Überleben kämpft, sind Weideland und ausreichend Wasser für Hühner und | |
| Ziegen weit wertvoller als Wildtiere. Wenn der Westen den Menschen in | |
| Afrika den Eindruck vermittelt, dass ihr Überleben weniger wert sei als das | |
| der Tiere um sie herum, wird dies unweigerlich zu Widerstand gegen | |
| Naturschutzbemühungen führen. Sie werden den Schutz von Wildtieren als | |
| Bedrohung für ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder betrachten. | |
| Wenn Afrikas einzigartige Biodiversität für die ganze Welt bewahrt werden | |
| soll, muss der Westen die Bedürfnisse und Perspektiven der lokalen | |
| Bevölkerung ernst nehmen. Es gibt keine nachhaltige Zukunft, wenn der | |
| Schutz der Natur gegen Entwicklung ausgespielt wird. Afrikanische Führer | |
| müssen beide Aspekte ausbalancieren. Und der Westen muss aufhören, | |
| afrikanische Regierungen wie Bittsteller zu behandeln, die Belehrungen aus | |
| Europa benötigen, wie sie ihre Umwelt zu schützen haben. | |
| ## Das Funktionieren der Gesellschaften | |
| Europa versteht die Bedeutung Afrikas mehr als jeder andere | |
| Entwicklungspartner, wie die gestiegenen Investitionen in den letzten | |
| Jahren zeigen, insbesondere im Hinblick auf die Beschleunigung des grünen | |
| Wandels, den die meisten Länder der Welt anstreben. Um sicherzustellen, | |
| dass die in der EU-Afrika-Strategie festgelegten Pläne in die Tat umgesetzt | |
| werden, muss ein ganzheitlicher und kohärenter Ansatz verfolgt werden, der | |
| verschiedene Sektoren zusammenbringt, die für das Funktionieren der | |
| Gesellschaften wichtig sind. | |
| Die Menschen Afrikas sind Hüter eines unglaublichen Naturerbes, das [7][für | |
| die Eindämmung des Klimawandels] und den Schutz der Biodiversität von | |
| globaler Bedeutung ist. Niemand wünscht sich den Schutz dieser Ressourcen | |
| mehr als diejenigen, die direkt von ihnen abhängig sind. Doch historisch | |
| gesehen folgte der Naturschutz einer externen Agenda, die Afrikas Menschen | |
| von der Natur, die der Westen schätzt, entfremdet. Investitionen wurden | |
| isoliert betrachtet, was den Naturschutz von wirtschaftlichem Wachstum | |
| trennte. Dies muss sich ändern, will man tatsächlich eine Wirkung erzielen. | |
| Die Welt, in der wir heute leben, hat die ähnlichen wirtschaftlichen, | |
| politischen und sozialen Herausforderungen auf allen Ebenen in den | |
| Vordergrund gerückt. Darüber hinaus gibt es kein Patentrezept, das alle | |
| Interessengruppen zufriedenstellt. Aber Deutschland hat die Chance, seine | |
| Führungsrolle innerhalb der Europäischen Union zu nutzen, um | |
| sicherzustellen, dass der Multilateralismus uns eine bessere Chance gibt, | |
| globale Herausforderungen zu bewältigen. Zweifellos sinken oder schwimmen | |
| wir zusammen. | |
| Jedes Land, ob entwickelt oder in Entwicklung begriffen, hat eine integrale | |
| Rolle zu spielen. Daher müssen wir alle unser Gewicht und unsere | |
| Verantwortung tragen und uns von einer hilfsbasierten Beziehung zu einer | |
| gegenseitig respektvollen Partnerschaft bewegen, die die langfristigen | |
| Ziele versteht, die die Menschen in den Mittelpunkt dieser | |
| Naturschutzlösungen stellen. | |
| Hinweis aus der Redaktion: Wir haben Afrika in der Textzusammenfassung als | |
| Land bezeichnet. Das war ein Fehler, der behoben ist. Wir bitten, dies zu | |
| entschuldigen. | |
| 2 Oct 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.sueddeutsche.de/panorama/botswana-elefanten-deutschland-tiersch… | |
| [2] https://www.rnd.de/wissen/koennten-20-000-elefanten-aus-botswana-in-deutsch… | |
| [3] /Klimakatastrophen-in-Afrika/!6005635 | |
| [4] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262 | |
| [5] /Elefantenschlachtung-in-Simbabwe/!6038776 | |
| [6] /Es-soll-mehr-Wild-geschossen-werden/!5944826 | |
| [7] /Aufforstung-in-afrikanischen-Laendern/!5993431 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaddu Sebunya | |
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