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# taz.de -- Elefantenpopulation im südlichen Afrika: Dickhäutige Probleme
> Elefanten und Landwirte im südlichen Afrika versuchen, Seite an Seite zu
> leben. Doch wegen der Dürre kommt es immer häufiger zu Zusammenstößen.
KASANE und LIVINGSTONE taz | Normalerweise ist das Rauschen der
[1][Viktoriafälle] weithin hörbar. Auf einer Breite von rund 1.700 Metern
stürzen hier, besonders in der Regenzeit von Dezember bis April, die
Wassermassen tosend in die Tiefe. Damit sind die Viktoriafälle, die
gleichzeitig die Grenze zwischen Sambia und Simbabwe bilden, die längsten
zusammenhängenden Wasserfälle der Welt. Ihrem donnernden Klang und der
sprühenden Gischt verdanken sie auch ihren Namen in der Tonga-Sprache:
Mosi-oa-Tunya – der Rauch, der donnert.
Doch derzeit ist vom berühmten Tosen wenig zu hören. Der Wasserfall nahe
der sambischen Stadt Livingstone ist stark geschrumpft. Wo sonst das Wasser
wie ein Vorhang gut hundert Meter in die Tiefe fällt, zeigt sich aktuell
viel nackter Stein. Zwar sinkt der Wasserstand in der Trockenzeit
gewöhnlich, doch leidet das südliche Afrika seit Monaten unter extremer
Trockenheit. Im Februar erklärte Sambias Präsident Hakainde Hichilema die
Dürre zur nationalen Katastrophe. Seitdem hat es nicht geregnet.
[2][Während West- und Zentralafrika unter Überflutungen leiden, kämpft das
südliche Afrika laut den Vereinten Nationen (UN) mit der schlimmsten
Trockenperiode seit über 100 Jahren.] Unregelmäßige Regenfälle und die
Klimaerwärmung verschärfen die Ernährungsunsicherheit auf dem ganzen
Kontinent.
Bauer Crispin Phiri kennt das Wasserproblem. Sein Feld ist nur grün, weil
es an einem Nebenarm des Sambesi liegt. Afrikas viertgrößter Strom und
Haupttrinkwasserquelle Livingstones führt noch Wasser, aber deutlich
weniger als üblich. Die Wasserknappheit bringt eine weitere Schwierigkeit:
„Auch die Tiere finden nur noch hier am Hauptfluss Nahrung und Wasser“,
berichtet der 49-jährige Familienvater. Elefanten, die auf Nahrungssuche
sind, zertrampeln seine mit Mais, Okra, Möhren und Tomaten bebauten Felder
und fressen, was mühsam gepflanzt wurde.
## Bauern werden oft totgetrampelt
Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen. Bauern, die versuchen, die Tiere
zu verscheuchen, werden oft zu Tode getrampelt. Es sind Konflikte, die oft
dort entstehen, wo Menschen und Wildtiere sich Ressourcen wie Nahrung,
Wasser und Lebensraum teilen. So auch in der Kavango-Zambezi Transfrontier
Conservation Area (Kaza), dem größten grenzüberschreitenden Schutzgebiet
der Welt, welches sich über Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe
erstreckt. Mit seiner Fläche von 520.000 Quadratkilometern ist es sogar
größer als Deutschland, die Schweiz und Österreich zusammen. Hier sollen
Tiere sich frei bewegen können, indem Nationalparks und Schutzgebiete
verbunden werden, um ihre natürlichen Migrationswege zu erhalten.
Crispin Phiris Dorf liegt im Herzen dieses Schutzgebiets, im Vierländereck
von Sambia, Botswana, Simbabwe und Namibia. Länder, die sich nicht nur
gemeinsame Grenzen teilen, sondern angesichts der Dürre und ihrer Tierwelt
vor den selben Herausforderungen stehen. Vor allem in den Regionen, die von
Subsistenzlandwirtschaft geprägt sind, sind die Ernten die
Hauptnahrungsquelle. Eine Elefantenherde kann den gesamten Jahresvorrat
einer Familie vernichten. Gleichzeitig sind die Tiere das Aushängeschild
der Region, das Safari-Touristen aus aller Welt anzieht.
Wenn am heutigen Montag [3][die UN-Biodiversitätskonferenz (Convention on
Biological Diversity, kurz CBD) im kolumbianischen Cali] beginnt, geht es
genau darum: Klimaerwärmung und Biodiversität. Unter dem Motto „Frieden mit
der Natur“ soll die biologische Vielfalt bewahrt und gleichzeitig das Wohl
von Menschen und Ökosystemen gesichert werden.
In Sambia, das eine der höchsten Raten von Unterernährung aufweist,
verschlimmern Wildtiere, die in die Felder eindringen, die Situation. „Der
Konflikt ist nichts Neues“, sagt Kerryn Carter von Elephant Connection,
doch der Klimawandel verschärft ihn. Ihre Organisation bemüht sich um eine
friedliche Koexistenz zwischen Landwirten und den Dickhäutern. Seit gut
einem Jahr testet sie etwa elektrische Schutzzäune. „Statt die Tiere
einzuzäunen, zäunen wir die Menschen ein“, sagt Carter im Scherz.
Dabei wird um die betroffenen Felder ein kleiner Zaun aus Poly-Draht
gespannt. Das Material sei nicht interessant für Metalldiebe, könne aber
den Strom leiten, der über Solarpanele erzeugt werde. „Die Materialien sind
alle für wenig Geld auf den lokalen Märkten zu erhalten, was Reparaturen
und die Instandhaltung erleichtern“, erzählt Carter. Außerdem würden die
Bauern für den Wert der Tiere sensibilisiert.
Immer wieder passiert es, dass Landwirte Elefanten, die wiederholt in ihre
Felder eindringen, aus Rache töten. Zwischen Mai und September starben im
Randgebiet eines Nationalparks an der sambisch-malawischen Grenze
mindestens fünf Tiere. Um eine solche Eskalation zu verhindern, könnten
Maßnahmen wie die Elefantenzäune helfen, sagt Carter.
Auch das Feld von Crispin Phiri ist seit ein paar Monaten mit einem solchen
Elektrozaun geschützt. Kleine Flatterbänder sollen dafür sorgen, dass
niemand aus Versehen in die Schnur hineinläuft. Tagsüber wird zudem der
Strom abgeschaltet, da die Elefanten nur nachts kommen. „Der Stromschlag
ist nicht gefährlich für Menschen, aber er ist unangenehm. Schließlich muss
er stark genug sein, um einen Elefanten zu erschrecken“, sagt Phiri. Seit
der Installation könne er endlich ruhig schlafen. Zuvor mussten die Bauern
nachts in den Feldern wachen, um die Elefanten durch das Klappern auf
Kochtöpfen oder Chili-Geschosse zu verjagen. „Aber gerade in der Dürre
können Elefanten aggressiv sein“, sagt Phiri. Der Zaun soll die direkte
Konfrontation vermeiden und die Felder schützen. „Ich bin mit den Elefanten
aufgewachsen“, sagt er. Doch manchmal sei es nicht einfach, mit ihnen
zusammenzuleben.
Es ist eine Geschichte, von der die Bauern im benachbarten Botswana ein
Lied singen können. Schätzungsweise 130.000 Elefanten leben dort, vor allem
im Chobe-Nationalpark, wo es Herden mit Hunderten von Tieren gibt. Als die
Safari-Tour-Jeeps die offene Landschaft erreichen, sind die Dickhäuter
leicht zu entdecken. Langsam trotten mehrere Muttertiere mit ihren Jungen
an der Autokolonne vorbei. Die Tiere sehen ausgemergelt aus. Die
Trockenheit hat auch an ihnen Spuren hinterlassen. Die meisten Elefanten
halten sich daher in Flussnähe auf, wo noch ein wenig Grün zu finden ist.
Doch den Futterbedarf zu decken, ist schwierig. Bis zu 150 Kilogramm Gras,
Blätter, Früchte und Samen fressen die Tiere täglich. In Dürrezeiten eine
echte Herausforderung.
Die großen Elefantenherden ziehen Touristen an, verursachen aber auch
immense Zerstörung. Im April machte Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi
Schlagzeilen, als dieser ankündigte, 20.000 Elefanten nach Deutschland
schicken zu wollen. Hinter dem Angebot mit Augenzwinkern stand der Frust
über eine EU-Debatte um ein mögliches Einfuhrverbot von Jagdtrophäen. Die
Elefantenjagd war 2019 wieder erlaubt worden – auch, um die Zahl der Tiere
zu reduzieren. Die Kritik europäischer Tierschützer und Politiker ließ bei
Masisi die Hutschnur platzen. „Es ging dem Präsidenten hauptsächlich darum,
auszudrücken, dass es nicht einfach ist, Seite an Seite mit Elefanten zu
leben“, erklärt Botswanas Staatssekretär Boatametse Modukanele im Gespräch
mit der taz.
## Status quo bewerten
Im Kaza-Schutzgebiet ist man sich dieses Dilemmas bewusst.
Naturschutzinitiativen wie Elephant Connection verfolgen deshalb eine
Vielzahl von Ansätzen, um Tier und Mensch möglichst nebeneinander leben zu
lassen. Menschenleere Parks mit strengen Schutzregeln sowie Zonen, in denen
Landwirtschaft erlaubt ist, sollen Naturschutz und landwirtschaftliche
Aktivitäten unter einen Hut bringen. Migrationskorridore zwischen den Parks
ermöglichen es Wildtieren beispielsweise, an Siedlungen vorbeizuwandern.
Immer mehr Elefanten werden zudem mit GPS-Sendern ausgestattet, um ihre
Bewegungen besser zu verstehen. Auch natürliche Abschreckungen wie
Chili-Pflanzen oder Bienenkörbe werden eingesetzt. Der Aufwand und die
Kosten sind groß, doch Naturschützer wie Kerryn Carter sind überzeugt, dass
sich die Investition lohnt, um den Mensch-Tier-Konflikt zu entschärfen.
Blickt man auf die Ziele des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt, gilt
das Kaza-Schutzgebiet als ein Vorzeigebeispiel. 196 Länder einigten sich
2022 in Montreal darauf, Biodiversität zu einem zentralen Thema zu machen.
„30x30“ lautet dabei das magische Stichwort. Bis 2030 sollen 30 Prozent des
Planeten unter Naturschutz stehen. Gleichzeitig sollen 30 Prozent
degradierten Landes wiederhergestellt werden, um zum Beispiel die
Verbreitung invasiver Arten zu vermindern.
Bei der Biodiversitätskonferenz in Cali wollen die Vertreter der Länder den
Status quo bewerten und Fragen rund um die Finanzierung klären.
UN-Schätzungen zufolge bräuchte es 700 Milliarden Dollar pro Jahr, von
denen momentan nur 120 Milliarden abgedeckt sind.
Naturschutz kostet, doch Edward Humphrey vom Kaza-Sekretariat sieht die
Investition darin als eine, die darüber hinausgeht. „Man könnte sagen, dass
die Kaza-Region auch einen Beitrag zur Friedenssicherung leistet“, sagt der
Projektmanager. Immer wieder hatte es politische Spannungen in der Region
gegeben. Insbesondere Angola war durch einen jahrzehntelangen Bürgerkrieg
von 1975 bis 2002 lange Zeit zerrüttet. Dass fünf Länder, deren Beziehung
in der Vergangenheit nicht immer harmonisch waren, 2011 ein offizielles
Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit unterschrieben, sei
ein Meilenstein gewesen. „Heute werden an den Landesgrenzen innerhalb des
Schutzgebiets zum Beispiel gemeinsame Patrouillen von den Rangern und den
Soldaten der jeweiligen Länder gelaufen“, berichtet Humphrey. Auch die
Bekämpfung der grenzüberschreitenden Wilderei sei ein wichtiges Ziel.
Ganz ohne Reibereien läuft die Zusammenarbeit allerdings nicht ab. Da sich
die Militäreinheiten der unterschiedlichen Länder scheuen, einen
gemeinsamen Kanal auf den Walkie-Talkies zu nutzen, läuft sämtliche
Kommunikation der Patrouillen über Whatsapp ab, berichtet ein
botswanischer Ranger im Chobe Nationalpark. Ein Zeichen der Vorsicht, denn
trotz offizieller Zusammenarbeit würden nicht alle sicherheitsrelevanten
Informationen über einen gemeinsamen Kanal geteilt werden. Das schwache
Handynetz erschwert die Arbeit der Sicherheitskräfte jedoch.
Auch sei es manchmal schwierig, bei fünf Ländern mit unterschiedlicher
Gesetzgebung den bürokratischen Dschungel zu durchblicken. Entsprechend
langsam ist das Kaza-Schutzgebiet in der Umsetzung von Entscheidungen. Als
2022 zum ersten Mal eine länderübergreifende Elefantenzählung aus der Luft
durchgeführt wurde, war dies ein immenser Erfolg. Zum ersten Mal konnte
eine realistische Schätzung der Elefantenpopulation in der Kaza-Region
abgegeben werden: 227.900 Tiere. Diese Daten helfen, Tierverhalten und
klimatische Veränderungen besser zu erfassen.
Dieser Erfolg wäre ohne internationale Unterstützung nicht möglich gewesen.
Deutschland spielt eine wichtige Rolle. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW) stellte in den vergangenen Jahren 50 Millionen Euro für das
Kaza-Schutzgebiet und grenzüberschreitende Kooperationen bereit. Doch auch
darüber hinaus gehört Deutschland zu den größten Unterstützern des
Biodiversitätsschutzes. Ab 2025 sollen jährlich 1,5 Milliarden Euro,
doppelt so viel wie vorher, bereitgestellt werden, so das Ziel von
Umweltministerin Steffi Lemke. Doch die gleichzeitige Debatte in
Deutschland über drastische Kürzungen des Entwicklungshilfeetats könnte
Projekte wie das Kaza-Schutzgebiet direkt betreffen. Dort finanziert die
Bundesrepublik unter anderem die Wildereibekämpfung und wissenschaftliche
Forschung, fördert die internationale Zusammenarbeit zwischen den
Kaza-Vertragsstaaten und nachhaltigen, gemeindebezogenen Tourismus.
Für Bauern wie Crispin Phiri ist vor allem der letzte Punkt von großer
Bedeutung: einbezogen zu werden. Zwischen all den Elefanten müssten auch
die Menschen ihren Platz haben, findet er. Seine Sorge gilt seiner Familie,
seinem Feld und damit auch seinem Einkommen. Er möchte seinen Kindern eine
gute Schulbildung ermöglichen, wofür er seine Ernte braucht. Besonders in
Sambia, mit einem Bevölkerungswachstum von rund 2,7 Prozent, steigt der
Bedarf nach landwirtschaftlicher Fläche. Der „menschenleere“
Naturschutzansatz, der oft große Flächen nur für Wildtiere reservieren
will, ist in dieser Hinsicht längst überholt. In der Kaza-Region ist man
sich bewusst, dass Naturschutz nur im Einklang mit den Bedürfnissen der
Menschen vor Ort funktionieren kann – ein Gedanke, der auch bei den
Verhandlungen in Cali im Mittelpunkt stehen sollte.
21 Oct 2024
## LINKS
[1] /Tourismus-und-Umweltschutz-in-Sambia/!5189848
[2] /Klimakatastrophen-in-Afrika/!6005635
[3] /Weltbiodiversitaetskonferenz/!6041077
## AUTOREN
Helena Kreiensiek
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