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# taz.de -- Staatssekretär zum H2-Projekt in Namibia: „Mehr als genug Platz …
> Deutschland will in Namibia Wasserstoff produzieren, um die eigene
> Wirtschaft zu dekarbonisieren. Vor Ort ist das umstritten. Gibt es eine
> Lösung? Fragen an Staatssekretär Jochen Flasbarth.
Bild: Auf der Haifischinsel vor Lüderitz unterhielt die deutsche Kolonialmacht…
taz: Ein [1][Firmenkonsortium unter deutscher Beteiligung will in Namibia
an der Südwestküste Afrikas grünen Wasserstoff produzieren].
Umweltorganisationen kritisieren die möglichen ökologischen Auswirkungen.
Was halten Sie von den Gegenargumenten, Herr Flasbarth?
Jochen Flasbarth: Ich habe mich beruflich lange mit Natur- und Umweltschutz
beschäftigt. [2][Nutzungskonflikte zwischen Klima- und Naturschutz] gibt es
häufiger. Aber sie lassen sich meistens lösen, wenn man miteinander
konstruktiv spricht und die notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfungen gut
macht.
taz: Nach Angaben der namibischen Regierung [3][beheimatet der
Tsau-||Khaeb-Nationalpark] wertvolle Biotope seltener Pflanzen, die es nur
dort gibt. Eignet sich eine solche Region für den Bau großer
Industrieanlagen?
Flasbarth: Kürzlich habe ich das Gebiet besucht. Der Nationalpark ist
riesig, nur etwas kleiner als das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.
Deshalb kann man gleichzeitig die Vorkommen seltener Pflanzen schützen und
trotzdem mehr als genug Platz für Windparks und Photovoltaikanlagen finden.
taz: Es geht nicht nur um hunderte Windräder und große Solaranlagen,
sondern auch um Stromleitungen, eine Anlage zur Entsalzung von Meerwasser,
Pipelines, Elektrolyseure, die mit Ökostrom Wasserstoff erzeugen, eine
Ammoniakfabrik, die das Gas besser transportierbar macht, und einen neuen
Hafen südlich der Stadt Lüderitz.
Flasbarth: Mein Eindruck von vor Ort war, dass sich das miteinander
vereinbaren lässt, wenn man es richtig angeht. Aber entscheiden werden
darüber die namibischen Behörden, die auch für die Bewertung der
Umweltverträglichkeitsprüfung zuständig sind.
taz: Bis 1915 war Namibia die deutsche Kolonie Südwestafrika. Damals wurde
das Projektgebiet abgesperrt, weil man Diamanten gefunden hatte. Lebt dort
heute jemand?
Flasbarth: Lüderitz ist eine kleine Hafenstadt mit etwa 20.000 Einwohnern.
Südlich davon gibt es weder Siedlungen noch Straßen. Man sieht viel Sand,
Steine und vom Diamanten-Abbau durchwühlte Flächen. Aber klar, es gibt auch
die Standorte seltener Pflanzenarten. Nach wie vor ist dieses Gebiet
grundsätzlich gesperrt, nur geführte Touristengruppen und von der
namibischen Regierung lizenzierte Unternehmen dürfen hinein.
taz: Das Konsortium Hyphen besteht aus der deutschen Firma Enertrag, dem
Kapitalinvestor Nicholas Holding und einem namibischen Staatsfonds. Die
Unternehmen wollen mit der Ansiedlung Gewinn erzielen. Die Bundesregierung
hat Interesse, in einigen Jahren grünen Wasserstoff für die
Dekarbonisierung der hiesigen Wirtschaft zu importieren. Aber was hat
Namibia von dem Projekt?
Flasbarth: Das ganze Vorhaben beruht auf Plänen, die die Regierung Namibias
selbst entwickelt hat. Hyphen hat die internationale Ausschreibung
gewonnen. Das Projekt ist für Namibia eine hervorragende Chance, neue Jobs
zu schaffen und viel mehr Menschen als bisher mit Strom zu versorgen – noch
dazu aus umweltfreundlichen Quellen. Heute importiert Namibia den Großteil
seiner [4][Elektrizität aus Südafrika, produziert in Kohlekraftwerken].
taz: AktivistInnen aus Namibia bemängeln jedoch, dass ihre Regierung keine
Informationen veröffentliche, die den Nutzen des Projekts für das Land
belegten.
Flasbarth: Die namibische Regierung hat öffentliche Anhörungen durchgeführt
und dargestellt, wie sie grünen Wasserstoff für die Industrialisierung und
die Wertschöpfung im Land nutzen will. Sie weiß sehr genau, dass die Hälfte
der Bevölkerung bisher noch keinen Zugang zu Elektrizität hat. Und sie will
das ändern – was realistisch erscheint. Das Wasserstoffprojekt wird auch
überschüssige Energie produzieren, die nicht für die Ammoniakproduktion
benötigt wird. Dieser Strom kann in Batterien gespeichert und kostengünstig
in ein weiter auszubauendes namibisches Netz eingespeist werden. Der
verstorbene Präsident Hage Geingob hatte erkannt, dass sein Land alle
Voraussetzungen bietet, Energie aus Wind und Sonne als Rückgrat der eigenen
Volkswirtschaft zu entwickeln. Diese Politik kann die Basis bilden für
viele neue Arbeitsplätze, nicht nur im Energiesektor, sondern etwa auch in
der Fertigung von Roheisen.
taz: Parallel zum Bau der Wasserstoff-Industrie soll auch der Hafen von
Lüderitz erweitert werden. Teilweise auf denselben Flächen – auf der
Halbinsel Shark Island – [5][errichteten die deutschen Kolonialherren vor
120 Jahren ein Gefangenenlager.] Tausende Angehörige der Völker der Nama
und Herero wurden dort und bei Zwangsarbeit in der Umgebung getötet. Halten
Sie den aktuellen Protest der Nachfahren gegen die Hafenerweiterung für
gerechtfertigt?
Flasbarth: Im Zusammenhang mit der Suche nach Öl- und Gasvorkommen im
Atlantik existierte der Plan der Hafenerweiterung in Lüderitz schon vor dem
Hyphen-Projekt. Der geplante Ausbau des alten Hafens würde Shark Island
zwar nicht berühren, läge aber in Sichtweite des ehemaligen
Vernichtungslagers. Dieser besondere Ort sollte eine besondere Würdigung
erfahren. Wie damit umzugehen ist, muss die namibische Regierung zusammen
mit den Betroffenen entscheiden. Die neuen Anlagen, also der neue Hafen
Angra Point, liegt ein paar Kilometer von Shark Island entfernt.
taz: Dass auch Baumaterial für das Wasserstoffprojekt im Hafen von Lüderitz
angeliefert werden wird, erscheint nicht unwahrscheinlich. Gibt es nicht
doch einen Zusammenhang zwischen dem Hafenausbau und der deutschen
Investition?
Flasbarth: Mir wurde erklärt, dass die meisten Materialien später in dem
neuen Hafen Angra Point westlich von Lüderitz angelandet werden sollen.
Insgesamt wird die Region eine Industrialisierung erfahren, die natürlich
dann auch mehr Menschen anzieht.
taz: Vertreter der Nama sagen auch, die Deutschen hätten ihren Vorfahren
das Sperrgebiet weggenommen und ihnen den Zugang verboten. Bevor nun eine
deutsche Firma dort Wind- und Solaranlagen errichte, müssten erst
Entschädigungen gezahlt werden.
Flasbarth: Über die Vergabe von Lizenzen zur ökonomischen Nutzung des
Tsau-||Khaeb-Nationalparks entscheidet die namibische Regierung. Darüber
hinaus gibt es laufende Verhandlungen um Aussöhnung zwischen Namibia und
Deutschland, die hoffentlich [6][sehr bald auch neue und selbst gestaltete
Perspektiven für die vom Völkermord betroffenen Bevölkerungsgruppen
eröffnen] werden. Diesen historischen Prozess sollte man getrennt
betrachten von einer einzelnen Investitionsentscheidung.
13 Nov 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Hannes Koch
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