# taz.de -- Fischsterben in Europa: Buckellachse auf dem Vormarsch | |
> Eine neue invasive Art drängt sich in europäische Flüsse. Forscher | |
> fürchten, dass sie heimischen Fischen zum Verhängnis wird. | |
Bild: Die buckligen Fische sind nicht mehr nur, wie hier, in Nordamerika unterw… | |
Berlin taz | Europa steht eine neue Invasion bevor: Oncorhynchus gorbuscha, | |
der Pazifische Buckellachs, breitet sich vom Nordmeer kommend aus. „In | |
Norwegen zogen bereits hunderttausende Buckellachse die Flüsse hinauf“, | |
sagt Marko Freese vom Thünen-Institut für Fischereiökologie. In seichten | |
Teilen der Flüsse laichen die Tiere und sterben dort. „Bis zu 3,7 Kilogramm | |
bringen Buckellachse auf die Waage“, so der Experte. Treiben dann hunderte | |
Tonnen toter Fische den Fluss hinab, berge dies enorme ökologische | |
Gefahren. | |
Ursprünglich zu Hause ist der Fisch im Salzwasser des Nordpazifiks und des | |
Arktischen Ozeans. Sein Name leitet sich vom extrem hohen Buckel ab, den | |
die männlichen Tiere auf ihrem Weg zum Laichgebiet ausbilden. Von Ende Juni | |
bis Mitte Oktober wechseln die Fische ins Süßwasser und steigen die Flüsse | |
hinauf, beispielsweise Jenissei, Ob oder Lena in Russland oder Mackenzie | |
River in Nordwest-Kanada. Anders als andere Lachsarten überleben die | |
Buckellachse den Laichprozess nicht. | |
In den nährstoffarmen Flüssen Nordkanadas oder Sibiriens ist das kein | |
Problem. Hierzulande allerdings schon: Viele europäische Flüsse sind schon | |
voller Nährstoffe in Form von Dünger aus der Landwirtschaft, weshalb | |
derzeit in vielen Flüssen das Algenwachstum explodiert. Kommt da noch | |
massenhaft toter Fisch dazu, gerät [1][das ökologische Gleichgewicht außer | |
Takt]. | |
In den 1940er Jahren versuchte die Sowjetunion, die Art im Weißen Meer – | |
einem Nebenmeer des Arktischen Ozeans – nahe der Halbinsel Kola | |
anzusiedeln, um dort neue kommerzielle Bestände für die Fischindustrie zu | |
etablieren. „Damals glaubte man, dass dieser Versuch schiefgegangen sei“, | |
sagt Marko Freese. Immer wieder versuchten die Sowjets, eine sich selbst | |
tragende Population zu schaffen. | |
Jetzt könnte sich zeigen, dass der Versuch doch erfolgreich war: „Seit 2017 | |
werden zunehmend Buckellachse auch in Mitteleuropa gefunden“, erklärt der | |
Experte für Biodiversität und Wanderfische. Funde in Finnland, Island, | |
England, Dänemark – „in Deutschland sind Buckellachse bislang in der Elbe, | |
der Weser, im Rhein und in der Eider nachgewiesen“, sagt Freese vom | |
Institut in Bremerhaven. Vermutlich seien die Tiere auch in die Ems | |
eingedrungen, „wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“. Noch seien die | |
Fische nicht in der Ostsee anzutreffen, wogegen sie [2][Nordseefischern | |
bereits in die Netze gehen]. | |
## Buckellachs macht der Forelle Konkurrenz | |
Allerdings nur jedes zweite Jahr. Buckellachse folgen einem strikten | |
Zwei-Jahres-Zyklus, ungerade Jahrgänge verpaaren sich nicht mit geraden. | |
„Wir gehen davon aus, dass der letzte Ansiedlungsversuch Mitte der 80er | |
Jahre nahe der Halbinsel Kola ein ungerader Jahrgang war“, erläutert | |
Freese. Denn seit dem Erstfund 2017 seien Buckellachse immer nur in | |
ungeraden Jahren nachgewiesen worden. | |
Die Forscher befürchten, dass Buckellachse mit heimischen Arten wie der | |
Forelle Salmo trutta oder dem Atlantischen Lachs Salmo salar um Laichplätze | |
und Futter konkurrieren. Bei anderen invasiven Arten war das auch schon so. | |
Beispielsweise rottete der nordamerikanische Kamberkrebs die heimischen | |
Flusskrebse fast vollständig aus, die zugewanderte Nilgans vertreibt | |
heimische Arten. | |
Deshalb startete der internationale Rat für Meeresforschung ein Projekt, um | |
die Invasion zu erforschen. „In einem ersten Schritt untersuchen wir | |
Flusswasser-Analysen mit dem Verfahren der Umwelt-DNA“, sagt [3][Forscher | |
Freese]. Bei diesem Verfahren wird nach Spuren von Erbgut der Buckellachse | |
gesucht, die Menge kann Rückschlüsse zulassen, wie viele Tiere bereits in | |
unseren Gewässern leben. „Wenn die Zahl groß ist oder ansteigt, versuchen | |
wir in einem zweiten Schritt rauszufinden, welche Folgen dieser invasive | |
Besatz hat.“ | |
Erst danach könne darüber nachgedacht werden, wie sich das Problem | |
eindämmen lässt. In Norwegen werden Buckellachse vor Wehren oder | |
Wasserkraftwerken bereits gezielt abgefischt und entsorgt: Wenn sich die | |
Fische zum Laichen Flüsse hinaufquälen, werden sie für Menschen | |
ungenießbar. | |
## Buckellachs ist mancherorts ein Speisefisch | |
Dabei kann Oncorhynchus gorbuscha [4][ein Speisefisch sein]: Im Weißen Meer | |
werden bereits 600 Tonnen gefangen, und ein enger Verwandter ist auch | |
hierzulande sehr gefragt: die Regenbogenforelle. Die stammt ursprünglich | |
auch aus nördlichen Meeren, wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts in | |
Mitteleuropa eingeführt. Allerdings illustriert die Regenbogenforelle, was | |
einheimischen Arten auch durch den Buckellachs drohen kann: Sie hat | |
vielerorts bereits die einheimische Bachforelle verdrängt, weshalb ihr | |
Bestand auch mittels Gesetzesauflagen wieder verfolgt wird. | |
6 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Erwaermung-der-Meere/!6029587 | |
[2] /Fischbestaende-in-Norwegen-gesunken/!6016165 | |
[3] https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/fischereioekologie/personal/wissens… | |
[4] /Fisch-fuer-Fortgeschrittene/!5853989 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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