| # taz.de -- Lachs-Industrie in Island: Leiden in den isländischen Fjorden | |
| > Tierschützer beklagen Massentierhaltung und Fischsterben durch | |
| > Parasitenbefall in der Lachszucht. Ein Gesetz dazu ist bislang | |
| > gescheitert. | |
| Bild: Lachsfarm in Faskrudsfjoerdur: Mehr als 65 Prozent der Menschen in Island… | |
| Stockholm taz | Ein [1][Parasitenbefall von extremen Ausmaßen], eine | |
| wütende Protestbewegung und ein gescheiterter Regierungsversuch, Ordnung in | |
| die Zucht zu bringen: Island kommt in Sachen Lachsindustrie seit mehr als | |
| einem Jahr nicht zur Ruhe. Umweltaktivisten verzeichnen es als Erfolg, ein | |
| neues Gesetz zur Regulierung verhindert zu haben, weil es ihnen nicht weit | |
| genug ging – aber wie geht es nun weiter? | |
| Die zuständige Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Fischerei hält | |
| sich bedeckt: „Angesichts des polarisierten Charakters der Debatte prüfen | |
| wir Zeitpunkt und Umfang der künftigen Gesetzgebung sorgfältig“, teilte | |
| Bjarkey Olsen Gunnarsdóttir (Links-grüne Bewegung) der taz schriftlich mit. | |
| Kurz vor der Sommerpause hatte sie einräumen müssen, dass sie für den | |
| Gesetzentwurf des Ministeriums keine Mehrheit finden konnte. Ob ein neuer | |
| Entwurf noch vor der Parlamentswahl in einem Jahr präsentiert werde, hänge | |
| „vom Fortgang der Diskussion und dem Grad der Unterstützung durch die | |
| Öffentlichkeit und die Lachsindustrie“ ab. | |
| Mit dem Gesetz sollte beispielsweise festgelegt werden, dass pro Fjord nur | |
| ein Unternehmen aktiv sein kann. Sanktionsmöglichkeiten wie Strafzahlungen | |
| und der Entzug von Lizenzen waren vorgesehen. Finanzielle Anreize sollten | |
| den Einsatz modernster Methoden und Gerätschaften belohnen, um die | |
| negativen Folgen der intensiven Lachszucht abzumildern. | |
| Die Betreiber sollten außerdem künftig eine Abgabe für die Nutzung von | |
| Islands natürlichen Ressourcen zahlen. Und es sollte mehr Geld in die | |
| Forschung dafür fließen, wie Umwelt und Tiere am besten geschont werden | |
| könnten. Warum reichte das der Protestbewegung nicht? | |
| Jón Kaldal von der Organisation Icelandic Wildlife Fund (IWF) meint, außer | |
| strengerer Regulierung und Überwachung habe der Entwurf nichts zu bieten | |
| gehabt. „Wir haben aus Norwegen und anderen Ländern gesehen, dass das | |
| nichts nützt“, sagte Kaldal der taz im Video-Interview. | |
| Um eine wirkliche Verbesserung zu erreichen, müssten viel größere Schritte | |
| unternommen werden. Er fordert ein Gesetz, das die Lachszucht in den | |
| isländischen Fjorden nach und nach zurückfährt und schließlich abschafft. | |
| Wenn die Menschen weiter Lachs züchten wollten, dann nur noch in Anlagen an | |
| Land. | |
| ## 1,7 Millionen Fische starben im Oktober und November wegen des | |
| Lausbefalls | |
| Mehr als 65 Prozent der Menschen in Island sind gegen die Lachsfarmen im | |
| Meer, wie eine Umfrage im IWF-Auftrag Anfang August erneut zeigte. Kaldal | |
| sieht sich bestätigt: Die Bevölkerung habe sich von einer Hochglanzkampagne | |
| der Lachslobby im Frühjahr nicht blenden lassen. | |
| Stattdessen wurde ein Bild von Aktivistin Veiga Grétarsdóttir zum Symbol. | |
| Darauf zu sehen ist ein noch lebendiger Zuchtlachs, dessen Kopf bis zur | |
| Unkenntlichkeit zerfressen ist von dem Parasiten Lachslaus. [2][Popikone | |
| Björk] illustrierte damit im vergangenen Herbst auf Instagram die Forderung | |
| der Protestbewegung: „Schluss mit der Massentierhaltung im Fjord!“ Kurz | |
| danach, wie zur Bestätigung, kam es zu einem Mega-Lausbefall und einer | |
| „absurd hohen Sterblichkeit“ bei Zuchtlachsen, wie Kaldal sagt. „Das war | |
| niederschmetternd“. | |
| Karl Steinar Óskarsson von der isländischen Lebensmittel- und | |
| Veterinärbehörde MAST bestätigt, dass es 2023 ein riesiges Problem gab: | |
| Insgesamt 1,7 Millionen Fische starben im Oktober und November wegen des | |
| Lausbefalls oder mussten deswegen getötet werden. Óskarsson leitet die | |
| Abteilung Aquakulturen der Behörde, er hätte das neue Gesetz gerne gehabt. | |
| So muss er weiter auf Grundlage des bisherigen von 2019 arbeiten, was unter | |
| anderem bedeutet, dass er keine Bußgelder verhängen kann. | |
| Trotzdem zeigt er sich der taz gegenüber zufrieden. „Die Situation ist seit | |
| dem letzten Jahr viel besser geworden“, sagt er. Es sei ja auch im | |
| Interesse der Unternehmen, dass es so einen starken Lachslausbefall nicht | |
| wieder gebe. Sie seien deshalb seiner Aufforderung zu wöchentlichen | |
| Lagebesprechungen unter Anwesenheit eines unabhängigen Tierarztes gefolgt. | |
| ## Lebensmittelbehörde berichtet von Verbesserungen | |
| Ziel sei, dass rechnerisch nicht mehr als 0,5 weibliche Parasiten pro Fisch | |
| vorkämen. 2023 wurden bei Stichproben in den Käfigen des Unternehmens | |
| Arctic Fisk, das zum Branchenriesen Mowi gehört, durchschnittlich 96 | |
| Lachsläuse pro Tier gezählt, wie damals das Magazin Heimildin berichtete. | |
| Die Zielvorgabe von 0,5 sei mit mechanischen Methoden – Warmwasserbäder, | |
| Laserbehandlung – prophylaktisch erreichbar, so Óskarsson. Das Equipment | |
| dafür hätten die Unternehmen 2023 in Island nicht zur Verfügung gehabt, da | |
| man offenbar mit dem Problem nicht gerechnet habe. | |
| Seine Behörde habe dieses Jahr erst einmal medizinisch gegen | |
| Parasitenbefall eingreifen müssen, statt wie im Vorjahr mehr als 20-mal. Im | |
| Übrigen, so Óskarsson, sei die Sterblichkeit in den Beständen generell | |
| zurückgegangen. Beim Aussetzen der in Süßwasser gezogenen Jungfische in die | |
| Meeresnetze verende häufig ein gewisser Anteil – auch da habe seine Behörde | |
| Verbesserungen verlangt und bereits gesehen. | |
| ## Lachszucht hat sich in den letzen zehn Jahren verzehnfacht | |
| Was der Mann von der Behörde als Erfolge zählt, beeindruckt die Gegner der | |
| Lachsindustrie kaum – zumal die Warmwasser-Behandlung der Kaltwasserfische | |
| in der Kritik steht. Eine Tierhaltung, die solche Maßnahmen überhaupt nötig | |
| macht, ist ihr Problem. Neben den Tieren in den Netzen gilt die Sorge vor | |
| allem den heimischen Ökosystemen. | |
| Die [3][Lachszucht ausschließlich an Land] wäre hingegen kostenspielig. | |
| Ministerin Gunnarsdótti aber schreibt, das sei „einer Überprüfung wert, | |
| während wir weiterhin die Umwelteinflüsse durch meeresbasierte Unternehmen | |
| untersuchen“. Zudem expandiere die Lachszucht an Land in Island aktuell | |
| bereits stark. | |
| Die Branche ist sehr schnell sehr stark gewachsen – 2014 kamen erst 4.000 | |
| Tonnen Zuchtlachs aus Islands Fjorden, im Jahr 2022 waren es 45.000 Tonnen. | |
| Gunnarsdótti betont vor dem Hintergrund, wie wichtig die Lachsindustrie | |
| inzwischen für die Wirtschaft der ansonsten strukturschwachen Westfjorde | |
| sei. | |
| Koldal lässt das Argument nicht durchgehen: Auch wenn es um Jobs geht, | |
| müsse man auf Nachhaltigkeit achten. Die Ministerin will ebenfalls beides – | |
| aber mit Zuchtlachs im Fjord: „Es ist wichtig, ein Gleichgewicht zwischen | |
| der Unterstützung dieser Industrie und der Berücksichtigung von | |
| Umweltbelangen zu schaffen.“ Wie das konkret erreicht werden soll, bleibt | |
| unklar. | |
| 2 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anne Diekhoff | |
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