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# taz.de -- Skandale bei der Lachszucht: Verendeter Fisch als Premium-Lachs
> Lachszucht ist eine Goldgrube, vor allem, je weniger Rücksicht auf das
> Tierwohl genommen wird. Doch die Branche verliert nun KundInnen
Bild: Fischfarm in Island
taz | Stockholm „Das sind haarsträubende Zahlen und das ist wirklich eine
enorme Tragödie“, sagt Ingólfur Ásgeirsson von der i[1][sländischen
Naturschutzorganisation Icelandic Wildlife Fund]: „So eine Tierquälerei
haben wir hier noch nie zuvor gesehen.“ Er ist nicht der Einzige, der sich
empört. Tausende IsländerInnen machten kürzlich bei einer Demonstration vor
dem Parlament in Reykjavík ihrem Unmut darüber Luft, wie die
Massentierhaltung in den Lachszuchtkäfigen vor der Küste ihres Landes ganz
im Gegensatz zu den idyllischen Bildern, die die Werbung suggeriert, in
Wirklichkeit aussieht.
In den Zuchtanlagen der norwegischen Konzerne Mowi und Salmar waren in den
vergangenen Wochen rund eine Million Zuchtlachse von der Lachslaus befallen
worden. Einem acht bis zwölf Millimeter langen Parasit, der von Haut und
Blut der Lachse lebt. In den Aufzuchtkäfigen, in denen die Tiere
zusammengepfercht vegetieren, verbreitet sich der Parasit schnell und
frisst die Lachse praktisch bei lebendigem Leib auf.
Im westisländischen Tálknafjörður seien bei Stichproben in den Käfigen des
zu Mowi, dem weltweit größten Lachsproduzenten, gehörenden Unternehmens
Arctic Fisk durchschnittlich 96 Lachsläuse pro Tier und in denen von
Arnarlax, das zur norwegischen Salmar gehört, 62,5 gezählt worden,
ko[2][nnte das investigative Magazin Heimildin] am Freitag vorletzter Woche
berichten.
## Die Lachsläuse sind mutiert
„Schlimmer kann es eigentlich nicht werden“, erklärte Berglind Helga
Bergsdóttir, Fischspezialistin der isländischen Lebensmittel- und
Veterinärbehörde MAST: Man sei überrascht worden, wie schnell die Lachslaus
sich ausgebreitet habe. Nach der Behandlung mit einem Bekämpfungsmittel
habe sich der Befall sogar noch erhöht. Womöglich sei es zu einer Mutation
gekommen.
Ursprünglich war man in Island davon ausgegangen, dass dieser Parasit im
kalten Wasser der dortigen Fjorde kein Problem werden würde. Die
Genehmigungsbehörde hatte deshalb auch keine speziellen Vorschriften
erlassen, welche Maßnahmen in einem solchen Fall ergriffen werden sollten.
Islands nationaler Rechnungshof hatte jedoch Anfang des Jahres die
mangelnde Regulierung und die fehlende Kontrolle bei der Lachszucht
moniert.
Der Umsatz der isländischen Aquakulturbranche ist gleichzeitig in den
letzten zehn Jahren um rund das Vierzigfache gewachsen. Die aktuelle
Produktion liegt bei jährlich etwa 50.000 Tonnen, Lizenzen für eine
Produktion von fast 100.000 Tonnen sind bereits erteilt worden.
Im Vergleich zu Norwegen, wo im vergangenen Jahr 1,4 Millionen Tonnen
produziert wurden, ist das zwar relativ wenig, aber für die norwegischen
Firmen, die sich auf der Nordatlantikinsel engagiert und sich dort
Tochtergesellschaften zugelegt haben, ist die Vermarktung unter dem Label
„Lachs aus Island“ offenbar attraktiv – oder war es bislang zumindest.
## In Norwegen stirbt jeder vierte Lachs vor der Schlachtung
Zuchtlachs aus Norwegen hat nämlich angesichts immer neuer Horrormeldungen
über die Behandlung der Tiere schon seit längerer Zeit bei einer wachsenden
Zahl von VerbraucherInnen keinen guten Ruf mehr. Das Tierwohl wird so
missachtet, dass als Folge laut offiziellen Zahlen im Schnitt der letzten
fünf Jahre jeder sechste – in manchen Anlagen jeder vierte – Lachs schon
vor der Schlachtung verendete. [3][2022 waren das 58 Millionen und rechnet
man die Brutstationen dazu, 92,3 Millionen Lachse].
Erst in der vergangenen Woche meldete das norwegische Fernsehen NRK unter
Berufung auf interne „Mattilsynet“-Papiere, dass mehrere Zehntausend Kilo
verendetes Lachsfleisch einer anderen Anlage tatsächlich als
„Premium-Lachs“ exportiert wurden. Die staatliche norwegische
Verbraucherorganisation Forbrukerrådet fordert jetzt eine Art
Gesundheitszeugnis.
Doch die Branchenorganisation Sjømat Norge argumentiert, dass entsprechende
Informationen ohne Bedeutung für KonsumentInnen seien, da der Verzehr
dieser Ware ja keine Ansteckungsgefahr für Menschen mit sich bringe.
Manche Restaurants in Island und Norwegen hätten [4][norwegischen
Zuchtlachs ganz von der Speisekarte genommen,] meldete High North News und
meint: Wenn die Branche sich damit verteidigen müsse, dass das Essen von
kranken Tieren nicht gesundheitsschädlich sei, wäre dies ein Armutszeugnis.
21 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.iwf.is/
[2] https://heimildin.is/grein/19520/
[3] https://www.riksrevisjonen.no/globalassets/rapporter/NO-2022-2023/myndighet…
[4] https://www.highnorthnews.com/en/light-candle-salmon
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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