# taz.de -- Tier des Jahres 2024: Igel bald auf roter Liste | |
> Sein Bestand sei gefährdet und schuld soll der Mensch sein. Ein Boomer | |
> über den links-grün versifften Insektenfresser. | |
Bild: Die Ideologie steht ihm ins Gesicht geschrieben | |
Das ist mal wieder typisch: Der Igel ist „Tier des Jahres 2024“. Danke, | |
Ampel! Denn was ist sein auffälligstes Merkmal? Natürlich: Statt eines | |
gepflegten Pelzes trägt er ein räudiges Stachelkleid. Sobald er sich | |
gestört fühlt, rollt er sich beleidigt zusammen und macht vermutlich die | |
ganze Zeit „Mimimi“, was man nur deshalb nicht hört, weil er den Kopf im | |
Inneren seiner Stachelkugel verbirgt. Dafür streckt er einem seine bis zu | |
7.000 Stacheln entgegen, weil er es partout nicht hinnehmen will, dass man | |
ihn ungefragt antatscht. Der Igel ist die personifizierte Cancel Culture. | |
Und als [1][Work-Life-Balance-Fanatiker] offenbar auch Teil der Generation | |
Z. Tagsüber pennt er, während er nachts um die Häuser zieht und Party | |
macht. Ab November haut er sich ganz aufs Ohr und rührt sich geschlagene | |
fünf Monate nicht mehr. Wegen Überwinterung. Oder wegen Yoga. Auf jeden | |
Fall voll der Achtsamkeitsfreak. | |
Wenn für den Igel Neujahr ist, ist für uns, die wir den Laden am Laufen | |
halten, schon wieder ein Vierteljahr rum. Da haben wir den Silvesterkater | |
schon kuriert, den Dry January erfolglos abgebrochen, das Abo im Gym | |
gekündigt und uns zu Karneval wieder gründlich abgeschossen. Unnötig zu | |
erwähnen, dass der Igel in seinem Nest zudem auf jede ordentliche Öl- oder | |
Gasheizung verzichtet und stattdessen auf eine perfekte Öko-Isolierung | |
setzt. | |
## Natürlich sind die Bauern schuld | |
Von der Deutschen Wildtier-Stiftung wurde er zum Jahrestier gewählt, weil | |
seine Bestände zurückgehen. Wegen aufgeräumter Agrarlandschaften, die „die | |
früher üblichen Hecken, Gehölze und artenreichen Magerwiesen verdrängt“ | |
haben. | |
Magerwiesen, das klingt ja schon wie [2][Veggie Day]! Und natürlich sind | |
unsere rechtschaffenen und Not leidenden Bauern schuld. Aber wir wollen nun | |
mal nicht Würmer und Schnecken fressen wie der Igel, sondern ordentliche | |
Steaks. Dafür braucht man halt eine moderne Landwirtschaft, da kann er sich | |
gehackt legen. | |
Was er auch regelmäßig macht, denn: „Nachtaktive Mähroboter werden den | |
Stachelträgern auf ihren Streifzügen zum Verhängnis.“ Soll er doch besser | |
aufpassen! Und nicht nur das: „Ordnungsliebende Gärtner gefährden mit | |
Rasentrimmern Igel, die tagsüber an Heckensäumen und Strauchrändern | |
schlafen“. | |
Das Hippie-Vieh will also, dass wir unsere Gärten verwahrlosen lassen? So | |
sieht’s aus: „Wer das Tier des Jahres 2024 im eigenen Garten unterstützen | |
möchte, muss nicht viel tun. Im Gegenteil: Igel mögen wilde Ecken.“ | |
## Die letzte Generation naht | |
Und den Verkehr sollen wir für ihn am besten auch noch lahmlegen, denn: | |
„Auf unseren Straßen werden unzählige Igel überfahren.“ Da bekommt das 2… | |
so populäre Auf-der-Straße-Kleben plötzlich eine ganz neue Bedeutung. Für | |
den Igel jedenfalls naht die [3][letzte Generation] wirklich, weshalb er | |
wohl bald auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gestellt werden muss. | |
Außerdem gehört er zu diesen urbanen Milieus, die von den Sorgen der | |
Landbevölkerung keine Ahnung haben. Denn tatsächlich leben inzwischen in | |
Städten etwa neunmal mehr der Stacheltiere als auf dem Land. Aber selbst da | |
ist nicht überall Bullerbü. | |
Schottergärten und Pestizide passen den Sensibelchen auch wieder nicht, und | |
dann verlangen sie natürlich offene Grenzen: „Hermetisch abgeriegelte | |
Grundstücke mit undurchlässigen Zäunen oder Mauern sind für sie verlorener | |
Lebensraum. Soll der Garten umzäunt sein, reicht es, ein etwa 13 mal 13 | |
Zentimeter großes Loch im Zaun zu lassen“ – aber nur mit | |
[4][Grenzkontrolle]! | |
Nicht dass am Ende noch ein Fischotter durchkommt. Der wurde vom WWF | |
gleichzeitig zu einem der Gewinner des Jahres 2023 erklärt. Weil die streng | |
geschützte Art sich in Bayern weiterhin ungehemmt ausbreiten darf. | |
## Nur mit Grenzkontrolle | |
Die Landesregierung unter Markus Söder hatte eine Art robuster | |
Integrationsgrenze verhängt und die Tiere ab Dezember 2023 zum Abschuss | |
freigegeben. [5][Das Bayerische Verwaltungsgericht stoppte die Verordnung | |
in letzter Minute.] So wird sich die Zahl der Fischotter wohl auch im Jahr | |
2024 weiter erhöhen. | |
Aber vielleicht sollte man die Deutschen auch nicht unterschätzen: Immerhin | |
75 Prozent von ihnen begrüßen die Rückkehr des Fischotters – und selbst in | |
Bayern sind es noch rund zwei Drittel. Von so viel Unterstützung kann | |
Markus Söder jedenfalls nur träumen. | |
3 Jan 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
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