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# taz.de -- Toxische Fischzucht in Norwegen: Acht Millionen tote Lachse
> Kräftige Algenblüte führt zu einem Massensterben von Zuchtlachsen vor
> Norwegens Küste. Kritiker sehen die Branche selbst in der Schuld.
Bild: Zum Sterben ziehen Lachse den Fluss hinauf – oder sie bleiben einfach a…
Stockholm taz | Eine kräftige Algenblüte vor der Küste Norwegens hat zu
einem umfassenden Sterben in den dortigen Zuchtlachsanlagen geführt. Bis
zum Wochenende rechnete die norwegische Meeresforschungsbehörde
„Havforskningsinstituttet“ mit fast acht Millionen an Sauerstoffmangel
erstickten toten Lachsen. Käfige mit 2,5 Millionen Lachsen konnten von den
Lachszüchtern in letzter Minute aus den betroffenen Gewässern geschleppt
und so gerettet werden.
Betroffen ist ein Gebiet um die Lofoten und südlich von Tromsø. Und noch
ist keine Ende in Sicht. Erst am Freitag war ein weiterer Fjord von einem
tödlichen Algenteppich heimgesucht worden. Nach Schätzungen der Behörde
sind damit bislang fast fünf Prozent der norwegischen Zuchtlachsproduktion
betroffen. Der ökonomische Schaden wird auf 250 bis 300 Millionen Euro
beziffert. Die toten Lachse sollen vorwiegend zu Tierfutter verarbeitet
werden.
Übeltäter ist die 0,01 mm große Mikroalge Chrysochromulina. Eine vor der
Küste Nordnorwegens übliche Sorte, die dort bislang aber selten in großen
Mengen auftrat. Zuletzt 1991 und 2008 hatte es Algenteppiche gegeben, die
die Lachszucht heimsuchten, aber in deutlich geringerem Umfang als jetzt.
Fischereiminister Harald Tom Nesvik beeilte sich zu beteuern, nicht die
Branche selbst oder die gesetzlichen Vorschriften, die sie regulierten,
seien für diese explosionsartige Algenvermehrung verantwortlich: „Wir
wissen nicht, wie das ausgelöst wurde.“ Doch das ist allenfalls die halbe
Wahrheit.
Unbestritten ist, dass nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die
Lachszucht selbst zur Überdüngung der Meere beiträgt, was das Algenwachstum
grundsätzlich fördert. Nach bisherigen Erkenntnissen könne die Fischzucht
solche Algenblüte zwar nicht auslösen, meint Karin Kroon Boxaspen,
Direktorin beim „Havforskningsinstituttet“: Die aus Zuchtanlagen über die
Nahrung und den Fischkot freigesetzten Nährsalze könnten diese aber
verstärken und verlängern, wenn sie erst einmal in Gang gekommen sei. Zum
Algenwachstum beitragen würde die Lachszucht vielleicht mit 5 bis 10
Prozent.
Es gibt Alternativen, aber sie sind teuer
Es gibt allerdings auch Schätzungen, die von 10 bis 20 Prozent ausgehen.
Toine C. Sannes, fischereipolitische Sprecherin der grünen „Miljøpartiet de
Grønne“: „Es kann doch wohl niemand bestreiten, dass es einen Zusammenhang
mit den 500.000 Tonnen Fischscheiße gibt, mit der die Lachszucht jährlich
das küstennahe Meer düngt?“
Es gibt Alternativen: Sowohl Aquakulturanlagen an Land wie solche, die zwar
im Meer schwimmen, aber hermetisch abgeriegelt sind, sodass sie nicht nur
ausbruchssicher, sondern auch immun gegen äußere Einflüsse wie Algen oder
Parasitenbefall sind. Und solche Anlagen lösen auch das Problem der
umfassenden Umweltverschmutzung durch die Exkremente der Fische, die
ansonsten den Meeresboden unter den offenen Käfigen meterdick bedecken und
dort alles Leben ersticken. Mit solchen Konstruktionen könnte dieser Abfall
aufgefangen, getrocknet und in Biogasanlagen verwertet werden. Auch der
Abfluss von Nährsalzen ins Meer würde so weitgehend verhindert. Doch solche
Anlagen machen die Zucht erheblich teurer.
Womöglich wird die Branche aber nicht nur wegen der von ihr ausgehenden
Verschmutzung der Meere, sondern auch als Folge des Klimawandels bald zu
einer Änderung ihrer Zuchtmethoden gezwungen sein. Die Meere werden nicht
nur wärmer, der steigende CO2-Gehalt lässt auch den ph-Wert in den Meeren
sinken, sie versauern zunehmend. Einige Algenarten produzieren ein Gift,
das auf die Kiemenzellen der Fische einwirkt. „Und eine Reihe von Studien
zeigen, dass die Algen in einem sauererem Milieu giftiger werden“, sagt der
Meeresforscher Halvor Dannevig: „Da können wir ganz schnell ein Problem
bekommen.“
Nach jetzigen Schätzungen werden die Ozeane schon 2050 so sauer sein wie
seit 25 Millionen Jahren nicht. Besonders betroffen: die nördlichen Meere.
3 Jun 2019
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Tierzucht
Lachs
Norwegen
Lachs
Meere
Atlantik
Schwerpunkt Brexit
Mail
Atomenergie
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