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# taz.de -- Wahlen in Island: Sozialdemokratie feiert Comeback
> Die isländischen Sozialdemokraten gehen als Wahlsieger hervor. Die
> mitregierenden Grünen fliegen aus dem Parlament. Ein Regierungswechsel
> steht bevor.
Bild: Wahlsiegerin: Kristrún Frostadóttir, Parteivorsitzende der sozialdemokr…
Härnosand taz | Die [1][Sozialdemokrat][2][en] feiern sich in Island als
Wahlsieger, die seit 2017 mitregierenden Grünen fliegen aus dem Parlament,
populistische Parteien legen zu: Island steht nach den vorgezogenen
Neuwahlen vor einem Regierungswechsel.
Am Montagmorgen gab sich Wahlsiegerin Kristrún Frostadóttir,
Parteivorsitzende der sozialdemokratischen Allianz, diplomatisch
zuversichtlich, dass Staatspräsidentin Halla Tómasdóttir sie mit der
Regierungsbildung beauftragen werde.
Es hänge davon ab, wie die Präsidentin die politische Landschaft
einschätze, sagte Frostadóttir dem isländischen Rundfunk vor ihrem
obligatorischen Nach-Wahl-Besuch bei der Präsidentin. „Die Lage bietet
natürlich enorme Chancen, daher bin ich einfach gespannt.“ Es müsse aber
einen Einfluss haben, dass ihre Partei aus den Wahlen als stärkste
hervorgegangenen sei, so Frostadóttir.
Seit ihrem großen Absturz bei der Wahl 2013 – damals von knapp 30 auf 12,9
Prozent – hatten die Sozialdemokraten nicht mehr so gut abgeschnitten wie
bei dieser kurzfristig angesetzten [3][Neuwahl.] Sie legten um 10,9 Punkte
zu, sind mit 20,8 Prozent der Stimmen nun stärkste Partei und stellen
künftig 15 der insgesamt 63 Abgeordneten im isländischen Althing.
## Linksgrüne Bewegung stürzt ab
Die bisherige Koalition war Mitte Oktober zerbrochen, und am mildesten
wurde nun die liberalkonservative Unabhängigkeitspartei von
Ministerpräsident Bjarni Benediktsson abgestraft – seine Partei verliert
fünf Punkte, ist mit 19,4 Prozent aber noch zweitstärkste Kraft im Land.
Die Linksgrüne Bewegung aber, mit der die Differenzen vor allem in
asylpolitischen Fragen so groß waren, dass Benediktsson die Koalition
aufkündigte, spielt in Islands Parlament vorerst gar keine Rolle mehr: Sie
stürzten von 10,3 auf 2,3 Prozent ab – weit entfernt davon, an Islands
Fünf-Prozent-Hürde überhaupt nur zu kratzen.
„Das ist ohne Zweifel ein Wendepunkt für uns alle, die wir jahrelang mit
Herz und Seele für die Anliegen der Bewegung gekämpft haben“, schrieb
Parteivorsitzende Svandís Svavarsdóttir auf ihrer Facebook-Seite. Sie
erklärte, dass eine Analyse der politischen Lage noch Zeit benötige,
kündigt jedoch an, dass innerhalb der Partei ein Wiederaufbau und eine
Neugestaltung bevorstehe.
Im isländischen Rundfunk RUV merkte sie an, dass alteingesessene Parteien
sich in einer bisher unbekannten Situation befänden. Wie sich die
Parteienlandschaft Islands seit der Finanzkrise noch einmal verstärkt
verändert hat und kleinteiliger geworden ist, erklärte [4][die isländische
Politikwissenschaftlerin Eva Heiða Önnudóttir der taz vor der Wahl.]
## Junge Parteien erhalten Zustimmung
Zwei der alteingesessenen Parteien liegen immerhin dennoch vorne. Aber
neben Linksgrün rutschte auch der andere bisherige Koalitionspartner, die
traditionelle, mittig angesiedelte Fortschrittspartei, um 9,5 auf jetzt 7,8
Prozent ab.
Die drei Wahlsieger neben der Sozialdemokratischen Allianz sind hingegen
Parteineugründungen und -Abspaltungen, alle weniger als zehn Jahre alt: Die
Liberale Reformpartei – mitte-rechts, pro EU, legte um 7,5 Punkte auf 15,8
Prozent zu. Die populistische Volkspartei, die die Bedeutung von
Armutsbekämpfung in Island gegen Internationale Zusammenarbeiten ausspielt,
hat im neuen Parlament zehn Sitze, liegt bei 13,8 Prozent (plus 5). Und die
ebenfalls EU-skeptische, populistische Zentrumspartei mit Agrarschwerpunkt
legt 6,7 Punkte zu, auf jetzt 12,1 Prozent.
Raus sind wie Linksgrün auch die Piraten, die nur noch drei Prozent
erreichten (minus 5,6). Deren Fraktionsvorsitzende Þórhildur Sunna
Ævarsdóttir sagte, selbstverständlich müsse sich eine Partei, die aus dem
Parlament verschwindet, kritisch hinterfragen. Sie hob aber zugleich den
bisherigen Einfluss ihrer Partei hervor, etwa im Bereich
Entkriminalisierung kleiner Mengen von Drogen oder Transparenz in der
Verwaltung. „Und wir sind nicht wirklich weg, auch wenn wir heute eine
Niederlage hinnehmen müssen.“
Der Ausgang der Wahl hatte als unvorhersehbar gegolten, viele
Wahlberechtigte entschieden sich Umfragen zufolge erst kurz vor knapp. Wie
wichtig ihnen die Wahl war, zeigt die hohe Wahlbeteiligung: Mehr als 80
Prozent nutzen ihre Stimme.
## Wählende sorgen sich um soziale Fragen
Zentrale politische Fragen sind für die Menschen in Island derzeit die der
sozialen Absicherung: Ihre wirtschaftliche Situation, zu hohe
Immobilienpreise und die Zukunft des Gesundheitssystems. Eventuell traut
man hier also der sozialdemokratischen Sammlung die nötige Kompetenz zu.
Kristrún Frostadóttir gab an, bereits in der Wahlnacht Gespräche mit
anderen Parteien geführt zu haben. Es könne bereits im Laufe des Montags
mehr Klarheit geben.
2 Dec 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Anne Diekhoff
## TAGS
Island
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