# taz.de -- Hysterie wegen invasiver Arten: Die asiatische Hornisse ist halb so… | |
> Auch in Norddeutschland breitet sich das Insekt aus, wie ein Meldeportal | |
> zeigt. Die Bekämpfungspflicht wird voraussichtlich 2025 aufgehoben. | |
Bild: Schädlichkeit nicht nachgewiesen: asiatische Hornissen beim Nestbau | |
Bremen/Tarmstedt taz | Das Insekt, das sich mit letzter Kraft über den | |
Asphalt in Tarmstedt bei Bremen schleppt, habe ich noch nie gesehen. Es | |
ähnelt ganz entfernt einer Hornisse, ist aber etwas kleiner, und nicht | |
braun-gelb, sondern schwarz, mit einem auffälligen orangenen Streifen am | |
Hinterleib. „Vielleicht eine asiatische Hornisse“, sagt mein Begleiter, | |
[1][„eine invasive Art“.] | |
Nie gehört, ich habe irgendwann zwischen Nilgans, [2][Nutria] und | |
Tigermücke aufgehört, die vielen Artikel über invasive Arten zu lesen. Als | |
invasiv werden Arten bezeichnet, die als schädlich für die Biodiversität, | |
die menschliche Gesundheit oder die (Land-)Wirtschaft gelten. 88 Pflanzen- | |
und Tierarten hat die Europäische Union so eingestuft, davon kommen | |
mindestens 46 in Deutschland vor. Das sind 4,5 Prozent aller seit 1492 | |
hierzulande neu eingewanderten Arten. | |
Die Berichterstattung hat häufig einen merkwürdigen Zungenschlag. Da | |
bedroht „das Fremde“ „die Einheimischen“, und letztere sind natürlich … | |
Guten, auch wenn sie vielleicht selbst nicht seit dem Urknall in einer | |
Region leben und ihrerseits in anderen Teilen der Welt großen Schaden | |
anrichten können. Mal abgesehen davon, dass der sich überall ausbreitende | |
Mensch die größte Gefahr für die Biodiversität ist. | |
Invasive Arten würden „als Sündenbock benutzt, als Ablenkung von allem, was | |
der Artenvielfalt wirklich schadet: Glyphosat und Flächenversiegelung, | |
intensive Forst- und Landwirtschaft, Torfabbau“, schreibt die Journalistin | |
Sigrid Tinz [3][in ihrem Artenschutz-Blog auf Instagram]. Zudem etabliere | |
sich „rechte Wortwahl im Alltagssprachgebrauch: Ausmerzen, Ausrotten, | |
Überfremdung, Verdrängung, fremde Arten, die unsere Heimat ‚überwuchern‘… | |
## Kein Nachweis für Schädlichkeit | |
Und dann sind die invasiven Arten nicht immer die alles vernichtenden | |
Monster, als die sie oft von Journalist:innen oder Lobbygruppen wie | |
Landwirt:innen und Jäger:innen beschrieben werden. Die aus Nordafrika | |
stammende Nilgans zum Beispiel soll besonders aggressiv gegenüber anderen | |
Wasservögeln sein, lässt sich aber in friedlicher Ko-Existenz mit | |
Stockenten und Teichhühnern in Parkanlagen beobachten. „Neueste Studien | |
sprechen eher dafür, dass sich Nilgänse ohne nachweisbare negative Effekte | |
auf andere Arten in neuen Gebieten ansiedeln“, [4][schreibt etwa der | |
Naturschutzbund Deutschland] auf seiner Homepage. | |
Auch bei der asiatischen Hornisse, die sich seit 2004 in Europa ausbreitet, | |
fehle es an fundierten wissenschaftlichen Nachweisen für ihre | |
Schädlichkeit, erklärt Kai Schütte von der Hamburger Umweltbehörde. So | |
stünden Honigbienen zwar auf deren Speisezettel, aber nicht vorrangig, | |
[5][zudem könnten Imker:innen Schutzvorkehrungen ergreifen]. | |
Kai Schütte arbeitet im Referat für Arten-, Biotopschutz und | |
Eingriffsregelung als Experte für invasive Arten und bearbeitet dort unter | |
anderem eingehende Meldungen aus Norddeutschland über Sichtungen der | |
asiatischen Hornisse. [6][Auf www.Ahlert-Nord.de können Bürger:innen | |
Fotos einschicken], wenn sie ein oder mehrere Exemplare entdeckt haben. Es | |
gebe sehr viele Falschmeldungen, sagt Kai Schütte. | |
Bei dem Tier aus Tarmstedt handele es sich tatsächlich um eine asiatische | |
Hornisse, sehr wahrscheinlich ein Männchen, das erkenne er als langjähriger | |
Insektenforscher an den Fühlern. Weil die Drohnen nicht zu den Nestern | |
zurückfliegen, sei eine Suche nach einem Nest mit dieser einzelnen Sichtung | |
nicht erfolgversprechend. | |
Zudem würde eine Nestentfernung so spät im Jahr nichts bringen, schreibt | |
die von ihm informierte zuständige Naturschutzbehörde in Niedersachsen, die | |
neuen Königinnen seien längst ausgeflogen. | |
Ohnehin wird die Bekämpfungspflicht in Deutschland vermutlich zum 1. Januar | |
2025 aufgehoben. „Die asiatische Hornisse ist längst etabliert und wir | |
können ihre Ausbreitung nur noch verlangsamen“, sagt Schütte. Es werde sich | |
zeigen, welche Managementmaßnahmen sinnvoll sind. So könnten im Fall einer | |
akuten Gefahr Nester entfernt werden, etwa wenn sich eins auf einem | |
Schulhof befindet. Derzeit laufen in mehreren Bundesländern Verfahren, um | |
die Öffentlichkeit an den Plänen zum Umgang mit der neuen Art zu | |
beteiligen. | |
17 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Fremde-Tiere-und-Pflanzen/!5949747 | |
[2] /Nutria-Jagd-in-Niedersachsen/!5893576 | |
[3] https://www.instagram.com/kraut_und_buecher/?hl=de | |
[4] https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/gaense/25852.html | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=IvEZDeZ4ud8 | |
[6] https://www.neobiota-nord.de/de/ahlert-nord/ | |
## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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