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# taz.de -- Klage vor dem Bundesverfassungsgericht: Klimaklagen-Trio macht Druck
> Gemeinsam mit rund 50.000 Bürger:innen reicht nun auch Greenpeace eine
> Klimaklage beim Bundesverfassungsgericht ein.
Bild: Auch Luisa Neubauer ist bei der aktuellen Klimaklage dabei
Freiburg taz | An diesem Montag wird auch Greenpeace eine
Verfassungsbeschwerde gegen die Klimapolitik der Ampel-Regierung einlegen.
Nach der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem BUND ist Greenpeace der dritte
Verband, der zu diesem Mittel greift. Gemeinsam hatten die drei
Organisationen bereits 2021 beim Bundesverfassungsgericht Erfolg.
Anlass der neuen Klimaklagen ist die Verwässerung des Klimaschutzgesetzes
(KSG), die der Bundestag im April 2024 beschloss. Bisher musste die
Bundesregierung sofort Gegenmaßnahmen einleiten, wenn die Klimaziele in
einzelnen Sektoren, zum Beispiel im Verkehr, verfehlt wurden. Künftig ist
das erst erforderlich, wenn die CO2-Reduktionsziele in der Summe aller
Sektoren gerissen werden – und zwar zwei Jahre hintereinander.
Bereits Ende Juni kündigten DUH, BUND und Greenpeace gemeinsam den Gang
nach Karlsruhe an. Damals prüfte allerdings noch Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier, ob er die Novelle des Klimaschutzgesetzes
überhaupt unterschreibt. Erst Mitte Juli fertigte er das Gesetz dann aus.
Die Deutsche Umwelthilfe mit ihrem Anwalt Remo Klinger hatte ihre
Verfassungsbeschwerde als erster Verband fertig und [1][klagte bereits
wenige Tage nach Steinmeiers Unterschrift]. Vergangene Woche [2][folgte der
BUND]. Er wird von dem Leipziger Dozenten Felix Ekardt und der Würzburger
Anwältin Franziska Heß vertreten. Nun ist auch Greenpeace gemeinsam mit
Germanwatch bereit. [3][Ihre Anwältin ist Roda Verheyen].
Greenpeace hat aus dem Gang nach Karlsruhe ein kleines Happening gemacht.
Statt von einer Verfassungsbeschwerde spricht Greenpeace von einer
„[4][Zukunftsklage]“. Neben Galionsfigur Luisa Neubauer klagen über 50.000
Bürger:innen. Juristisch ist die Zahl der Mitunterzeichner:innen
irrelevant, sie soll eher die gesellschaftliche Relevanz unterstreichen.
Allerdings sind 50.000 Menschen für eine Massenklage zum Megathema
Klimaschutz auch nicht besonders beeindruckend. Die bisher größte
Verfassungsbeschwerde mit rund 125.000 Unterstützer:innen richtete
sich 2016 gegen das EU-Handelsabkommen Ceta mit Kanada.
Die Zukunftsklage von Greenpeace beanstandet vor allem die Novelle des
Klimaschutzgesetzes. Die Abschaffung der verbindlichen Sektorziele
beseitige den Transformationsdruck in den Problembereichen Verkehr und
Gebäude. Dass deren Defizite künftig mit Sektoren verrechnet werden können,
die ihre Ziele übererfüllen, wie das etwa im Energiebereich der Fall ist,
ermögliche ein klimaschädigendes „Weiter so“, obwohl doch entschlossenes
Handeln erforderlich wäre. Greenpeace sieht in der Novelle einen nicht zu
rechtfertigenden und damit verfassungswidrigen „ökologischen Rückschritt“.
Außerdem nutzt die Zukunftsklage die KSG-Novelle, um die deutschen
Klimaziele generell als nicht mehr ambitioniert genug anzugreifen. Durch
neue wissenschaftliche Erkenntnisse über den Fortgang des Klimawandels
seien die Klimaziele inzwischen verfassungswidrig geworden, argumentiert
Anwältin Verheyen. Das sei spätestens seit einem Bericht des
Sachverständigenrats für Umweltfragen aus dem März 2024 evident.
Parallel zu dieser Zukunftsklage will Greenpeace noch eine zweite
Verfassungsbeschwerde einreichen, die sich auf den Verkehrssektor
konzentriert. Dass die Bundesregierung und insbesondere Verkehrsminister
Volker Wissing (FDP) hier nicht entschlossen genug umsteuern, habe auch
eine soziale Dimension, so Greenpeace. Denn künftige Beschränkungen für
Verbrennerautos und Erhöhungen des Benzinpreises müssten wegen der heutigen
Untätigkeit umso radikaler ausfallen. Wer sich kein teureres Elektroauto
leisten kann und mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht zur Arbeit kommt,
dem drohe „Mobilitätsarmut“. Bei dieser zweiten Greenpeace-Beschwerde
klagen fünf Menschen mit geringem Einkommen, die auf ihr Auto angewiesen
sind; vier wohnen auf dem Land, die fünfte Klägerin ist körperbehindert.
Wann und wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet, wird bei den
Verbänden mit Spannung erwartet. Sie hatten ja auch schon 2021 mit jeweils
eigenen Klagen den [5][spektakulären Karlsruher Klima-Beschluss] erwirkt.
Anders als vielfach wahrgenommen, hatte Karlsruhe damals aber noch keine
radikalen Vorgaben gemacht, sondern nur eine Fortschreibung der
CO2-Reduktionsziele über das Jahr 2030 hinaus verlangt – was der Bundestag
schon nach wenigen Wochen erledigt hatte.
Damals, 2021, hatte sich Karlsruhe vor allem für künftige
Auseinandersetzungen in Stellung gebracht. Das Bundesverfassungsgericht
hatte zum einen Klimaklagen ohne Nachweis einer gegenwärtigen Belastung
ermöglicht; Kläger:innen können auf künftige Freiheitsverluste durch
verspätete Klimaschutzmaßnahmen abstellen. Außerdem hat Karlsruhe 2021 den
Klimaschutz zum Staatsziel erklärt und das von der Wissenschaft berechnete
nationale CO2-Budget zum verfassungsrechtlichen Maßstab gemacht.
Dann aber nahmen sich die Richter:innen erstmal zurück, um die Politik
in Ruhe arbeiten zu lassen. Eine Klimaklage gegen die Bundesländer wurde
als unzulässig [6][abgelehnt], ebenso eine [7][Klage auf Verschärfung der
Klimaziele]. Auch betonten die Richter:innen den Gestaltungsspielraum
des Gesetzgebers und lehnten eine [8][Klage auf sofortige Einführung eines
Tempolimits] ab.
Doch nun ist es wohl mit der Zurückhaltung vorbei. Das signalisierte das
Gericht, indem es Anfang des Jahres eine DUH-Klage gegen das vermeintlich
unzureichende Klimaschutz-Programm der Bundesregierung auf die
Jahresvorschau für 2024 setzte. Das sollte aber nur ein Platzhalter sein
für die erwarteten Klagen gegen die KSG-Novelle, wie in Karlsruhe zu hören
war. Über diese Klagen, die erst jetzt alle vorliegen, wird sicher nicht
mehr in diesem Jahr entschieden, aber vielleicht schon 2025.
Dann dürfte es wohl eine mündliche Verhandlung geben, obwohl das bei
Verfassungsbeschwerden nicht obligatorisch ist. Das wäre auch ein
nachträglicher Ausgleich dafür, dass der Klima-Beschluss von 2021 wegen der
Corona-Pandemie ohne öffentliche Verhandlung erging – und daher umso
überraschender wirkte.
16 Sep 2024
## LINKS
[1] /Verfassungsbeschwerde-gegen-Regierung/!6023562
[2] /Klimaklage-kommt-nach-Karlsruhe/!6032934
[3] /Hamburger-Anwaeltin-ueber-Klimaklagen/!6032996
[4] http://www.zukunftsklage.de
[5] /Entscheidung-zum-Klimaschutzgesetz/!5763553
[6] /Verpflichtung-der-Bundeslaender/!5829571
[7] /Beschwerde-der-Umwelthilfe-abgelehnt/!5863353
[8] /Klima-Urteil-vom-Verfassungsgericht/!5909702
## AUTOREN
Christian Rath
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