# taz.de -- Haushaltsnotlage steht vor der Tür: Bremen muss sparen, also wirkl… | |
> Der Stabilitätsrat zwingt Bremen zum Sparen. Der will nun beim Personal | |
> kürzen, Gebühren erhöhen und ein paar geflüchtete Jugendliche loswerden. | |
Bild: In Bremen ist der Teller immer eher halb leer: Auslöffeln müssen die Sc… | |
Bremen taz Erst Corona, dann der Ukrainekrieg – die Krisen der vergangenen | |
Jahre hatten dem klammen Bremen lange zu mehr Handlungsspielraum verholfen. | |
Der Zwei-Städte-Staat zog die Ausnahmeregelung, die die Schuldenbremse für | |
Notlagen vorsieht, und [1][nahm Milliarden an Krediten auf]. | |
Damit ist es nun vorbei. Der [2][Stabilitätsrat hat Bremens] Stabilität in | |
Frage gestellt. Aktuell fließt etwa jeder neunte Euro des Bremer Haushalts | |
in Zinszahlungen für alte Schulden. Um im nächsten Jahr die 400 Millionen | |
Euro Sanierungshilfe vom Bund zu bekommen, muss Bremen jetzt anfangen zu | |
sparen und alte Kredite zurückzuzahlen. 2025 wird das erste Jahr seit 2019, | |
in dem keine Notlage erklärt wird – und damit das erste Jahr seit Bestand | |
der rot-grün-roten Koalition, in dem Bremen mit dem auskommen muss, was es | |
einnimmt. | |
Rund 100 Millionen Euro im Jahr müssen zwischen 2025 und 2027 gespart | |
werden – aber woher nehmen? Am Freitag haben sich die Koalitionspartner auf | |
erste Pläne geeinigt. | |
Als erste sogenannte „strukturelle Maßnahme“ zum Sparen nennt die | |
Senatspressestelle die Umverteilung von minderjährigen Geflüchteten. Bisher | |
nimmt Bremen etwa doppelt so viele unbegleitete Minderjährige auf, wie es | |
nach dem Königssteiner Schlüssel vorgesehen werde. Hier soll gespart | |
werden: Man wolle auf „erhöhte Anstrengungen des Landes“ und „konsequente | |
Verfahren“ setzen, um die Jugendlichen in Zukunft auf andere Länder zu | |
verteilen. | |
## Flüchtlingsrat übt Kritik | |
Scharfe Kritik daran gibt es vom Flüchtlingsrat. Schließlich werden schon | |
mit der jetzigen Praxis in vielen Fällen der besondere Schutzbedarf und | |
familiäre Bindungen nicht gewürdigt. „Schon jetzt verletzt Bremen damit | |
Menschen- und Kinderrechte“, sagt Sprecherin Gundula Oerter. „Und das will | |
man noch verschärfen? Seriously?“ | |
Wie viel Geld sich mit der Umverteilung einsparen lässt, das kann das | |
Sozialressort am Montag nicht beziffern; der Punkt unterscheidet sich damit | |
von vielen anderen der konkreteren Sparideen. Für Oerter spricht vieles | |
dafür, dass es bei dem Punkt auch um Symbolik gehe. „Bremen beteiligt sich | |
damit aktiv an der Diskursverschiebung nach rechts.“ | |
Weniger existenziell, aber doch spürbar, werden die Sparpläne auch für | |
viele andere: Klar ist bereits, dass Eltern von Kleinkindern stärker | |
belastet werden, gleich an zwei Stellen: Die Krippengebühren werden steigen | |
– und auch die Kosten für das Mittagessen in der Kita werden um zehn Euro | |
monatlich angehoben (zusätzliche 2,8 Millionen Euro jährlich). | |
## Sparkonzept mit Unbekannten | |
Für Studierende steigt die Verwaltungsgebühr, auf 63 Euro, was 800.000 Euro | |
bringen soll. Sozialticketbezieher*innen müssen fürs Bus- und | |
Bahnfahren mehr Geld zahlen. Und auch Autofahrer*innen werden den | |
Sparhaushalt spüren: Es sollen mehr Blitzer installiert werden (zusätzliche | |
600.000 Euro Einnahmen) – und auch Parkgebühren sollen steigen. | |
Insgesamt widmet sich ein großer Teil der Bemühungen höheren Einnahmen: | |
Über eine höhere [3][City Tax] will man jährlich eine zusätzliche Million | |
Euro durch Touristen generieren. Eine Verpackungssteuer nach Tübinger | |
Vorbild ist zumindest in der Diskussion. Und fünf bis zehn Millionen Euro | |
sollen alljährlich über die Erhöhung der Grunderwerbssteuer eingenommen | |
werden. Auch die Spielbank muss mehr Geld abdrücken – eine Million Euro | |
jährlich soll das bringen. | |
So konkret sind längst nicht alle Punkte des Programms: Das Sparkonzept | |
enthält noch jede Menge Unbekannte. Grundsätzlich hat sich Bremen | |
entschieden, seine Standards abzusenken, da, wo sie bisher höher lagen als | |
in anderen Städten. | |
Konkret wird das beim Klimaschutz: Für öffentliche Neubauten gilt in Bremen | |
bald wie überall der Baustandard EH55. Beim aktuell geltenden EH40 | |
verbraucht ein Haus nur 40 Prozent der Energie eines Vergleichsgebäudes. | |
Erst 2023 war dieser ehrgeizige Standard festgelegt worden – als Folge aus | |
den Zielen der Enquete-Kommission „Klimaschutz“, deren Ziel | |
Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2035 jetzt erschwert werden könnte. | |
Auch Sozialstandards sollen abgesenkt werden auf das Niveau von anderswo. | |
Die Kosten pro Fall sollen in Zukunft nicht mehr über dem Durchschnitt | |
anderer Großstädte liegen. Wo das konkret zu spüren sein wird, und wie viel | |
Geld es einsparen kann, das kann das Sozialressort aber noch gar nicht | |
sagen. | |
Ein Knackpunkt für die Bewertung des Programms: „Am schwierigsten ist für | |
uns die noch nicht konkret ausgestaltete Ankündigung, Standards im | |
Sozialbereich zu senken“, sagt denn auch Nelsson Janßen von den Linken. Man | |
werde den Prozess „wachsam begleiten“, um abzusichern, dass keine Standards | |
unter Bundesschnitt gesenkt werden. | |
Ein wichtiger Schritt zum dauerhaften Sparen – und mehr oder minder | |
unstrittig – ist die Erstellung eines Personalkonzepts. Besonders die | |
Kernverwaltung Bremens soll damit im Zaum gehalten werden: Das Personal | |
dort ist in den vergangenen zehn Jahren stark angestiegen. Schon in der | |
letzten Legislaturperiode hatte das Finanzressort geplant, eine zentrale | |
Stelle für Personalbedarfsplanung einzurichten – war aber damals am | |
Widerstand mehrerer Ressorts gescheitert, die nicht wollten, dass man sich | |
in ihre Angelegenheiten mische. | |
Im Bereich der Kernverwaltung war die Zahl der Arbeitnehmer von 1.788 im | |
Jahr 2014 auf 2.551 im Jahr 2023 angestiegen; 2024 kamen so auf 1.000 | |
Einwohner für die Verwaltung in Bremen etwa 1.450.000 Euro. Das entspricht | |
pro Einwohner rund 120 Euro im Monat, nur für das Personal in der Bremer | |
Kernverwaltung. Das Problem an Personalkosten: Allein schon durch | |
Tarifanpassungen steigen sie jedes Jahr an, und mindern den Spielraum, um | |
im Haushalt freie Entscheidungen für Projekte oder Vorhaben treffen zu | |
können. | |
## Ressorts sollen beim Personal kürzen | |
Ab 2025 sollen die Ressorts jährlich 1,45 Prozent Personal kürzen; Polizei, | |
Justiz, Schule, Kita und Steuerverwaltung sind von den Kürzungen | |
ausgenommen. | |
Mit konkreten Zahlen hinterlegt sind im Sparprogramm bisher Einsparungen | |
von rund 150 Millionen Euro über die kommenden drei Jahre; reichen tut das | |
noch nicht, es braucht jährlich 100 Millionen Euro. | |
Die CDU prognostiziert deshalb schon, die anderen Bundesländer werden das | |
Programm nicht als Sanierungsprogramm akzeptieren. Ganz aus der Luft | |
gegriffen scheint das nicht. Auch Finanzsenator Björn Fecker (Grüne) | |
spricht davon, dass je nach Entwicklung der Rahmenbedingungen „noch weitere | |
schmerzliche Entscheidungen nötig“ sein werden, um das Ziel des | |
Sanierungsprozesses zu erreichen. | |
13 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Schulden-fuer-Klimaschutz-und-Kriegsfolgen/!5890522 | |
[2] https://www.finanzen.bremen.de/haushalt/haushaltssanierung/stabilitaetsrat-… | |
[3] /Bremer-Idee-zum-oeffentlichen-Nahverkehr/!5595372 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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