| # taz.de -- Bremer Idee zum öffentlichen Nahverkehr: Jeder fährt umsonst und … | |
| > 20 Euro für eine Flatrate in Bus und Bahn für alle BremerInnen? Zwei | |
| > Drittel finden das gut, ergab eine repräsentative Umfrage. | |
| Bild: Momentan nur eine Idee: die Straßenbahn-Flatrate in Bremen | |
| Bremen taz | Ein gutes Netz aus Bussen, Bahnen und Radwegen darf jeden | |
| einzelnen in der Stadt etwas kosten – finden zumindest die BremerInnen. Die | |
| Idee eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs, der nicht aus Steuern, | |
| sondern über verpflichtende Umlage von allen BewohnerInnen finanziert wird, | |
| bekommt in Bremen eine breite Zustimmung. Das geht aus einer | |
| repräsentativen Umfrage hervor, die die Initiative Einfach Einsteigen bei | |
| dem Berliner Sozialforschungsinstitut Pollytix in Auftrag gegeben hat. | |
| Rund zwei Drittel aller Befragten wünschten sich einen deutlichen Ausbau | |
| des Nahverkehrs in Bremen auch dann, wenn das auf Kosten des Autoverkehrs | |
| geht. Nur neun Prozent waren strikt dagegen. Zudem wären drei von fünf | |
| BremerInnen bereit, monatlich rund 20 Euro zu bezahlen, wenn dafür alle in | |
| Bremen ohne Fahrschein die Busse und Bahnen unbegrenzt benutzen könnten. | |
| Denn genau das sieht das Konzept der 2017 gegründeten Initiative Einfach | |
| Einsteigen vor: Alle volljährigen BremerInnen und BerufspendlerInnen sollen | |
| 19,11 Euro für den Nahverkehr in Bremen zahlen – und zwar unabhängig davon, | |
| ob sie ihn überhaupt nutzen wollen. SozialhilfeempfängerInnen wären mit | |
| zehn Euro dabei, Minderjährige ganz befreit. Das könnte die eine Hälfte der | |
| Kosten dieses bundesweit einmaligen Modells decken. | |
| Die andere Hälfte müssten dann die örtlichen Unternehmen bezahlen – weil | |
| die Gewerbesteuer faktisch von 14,1 auf 17,27 Prozent steigen würde. | |
| Außerdem soll die City-Tax für TouristInnen um drei Euro im Monat steigen, | |
| Fernreiseunternehmen sollen zudem 70 Cent pro An- und Abreise bezahlen. | |
| Und weil nicht nur die öffentlichen Zuschüsse an die Verkehrsunternehmen | |
| wegfielen, sondern auch der 55 Millionen Euro teure Verlustausgleich der | |
| Stadt an die Bremer Straßenbahn AG (BSAG), würden insgesamt rund 75 | |
| Millionen Euro für den Ausbau des Nahverkehrs frei, rechnet die Initiative | |
| vor. | |
| Für dessen Betrieb und Unterhalt stünden dann aus der Umlage insgesamt rund | |
| 238 Millionen Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Laut [1][Geschäftsbericht] | |
| 2017 hatte die BSAG Beförderungserträge von 107 Millionen Euro, 57 | |
| Millionen standen für Investitionen zur Verfügung. | |
| ## Nur 16 Prozent der Bremer*innen nutzen ÖPNV | |
| Laut der Studie nutzt ein Drittel der Befragten vor allem das Auto, etwa, | |
| um zur Arbeit zu kommen. Jeder Zweite von ihnen „könnte sich vorstellen“, | |
| zumindest häufiger auf das Auto zu verzichten und stattdessen Bus und Bahn | |
| zu fahren. Frauen würden eher aufs Auto verzichten als Männer, über | |
| 60-Jährige eher als unter 40-Jährige. Die Initiative Einfach Einsteigen | |
| rechnet damit, dass die Zahl der Fahrgäste im ersten Jahr um etwa 30 | |
| Prozent ansteigen würde. Derzeit mache die Nutzung von Bus und Bahn in | |
| Bremen nur 16 Prozent des Verkehrs aus – das sei im Vergleich mit anderen | |
| Städten recht wenig. | |
| Das Konzept bezieht sich bislang nur auf die Stadt Bremen. Weder | |
| Bremerhaven noch das niedersächsische Umland sind einbezogen, wo viele | |
| SchichtarbeiterInnen etwa von Mercedes arbeiten, die wegen ihrer | |
| Arbeitszeiten auf das Auto angewiesen sind. Hier setzt die Kritik der | |
| Handelskammer ein, die zudem fürchtet, das Firmen wegen der steigenden | |
| Gewerbesteuer abwandern. | |
| „Die Idee ist da noch nicht ganz zu Ende gedacht“, findet Olaf Orb von der | |
| Handelskammer. Diese hatte zuletzt eine kostenfreie „Freezone“ für Bus und | |
| Bahn in der Innenstadt angeregt. Für Orb fühlt sich eine Finanzierung des | |
| Nahverkehrs über die Gewerbesteuer „nicht richtig an“ – für die Mehrheit | |
| der BremerInnen schon: 74 Prozent der Befragten waren dafür, dass sich die | |
| Bremer Unternehmen an den Kosten für den Ausbau beteiligen. | |
| Der Politik sind die Ideen von Einfach Einsteigen noch zu radikal: Die SPD | |
| möchte Bus und Bahn für Kinder und Jugendliche „schrittweise kostenlos | |
| gestalten“, die Grünen zogen mit der Forderung eines | |
| „365-Euro-Jahrestickets“ nach Wiener Vorbild in den Wahlkampf. Und die FDP | |
| unterstützt zwar den Vorschlag der Handelskammer zum kostenfreien Fahren in | |
| der City, bekennt sich ansonsten aber dazu, dass Bremen und Bremerhaven | |
| „Autostädte“ sind. | |
| 30 May 2019 | |
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| [1] https://www.bsag.de/unternehmen/geschaeftliches/berichte-veroeffentlichunge… | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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