# taz.de -- Arbeitspflicht für Geflüchtete gefordert: Die Brandmauer brennt ab | |
> Der Hamburger SPD-Politiker Kazim Abaci will eine Arbeitspflicht für | |
> Geflüchtete. Damit übernimmt er eine Forderung der AfD und stützt den | |
> Rechtsruck. | |
Bild: Hat sich bei der AfD beliebt gemacht: SPD-Politiker Kazım Abacı, hier i… | |
Jeden Tag [1][ein Stück weiter nach rechts]: Das jüngste Beispiel für diese | |
Diskursverschiebung lieferte am Dienstag der Hamburger SPD-Politiker Kazım | |
Abacı, als er [2][im Hamburger Abendblatt eine Arbeitspflicht für | |
Geflüchtete] forderte. | |
Abacı bedient damit das rassistische Stereotyp von faulen Geflüchteten, die | |
als [3][„Sozialtouristen“] nach Deutschland kommen und nicht arbeiten | |
wollen. „Nach jahrelangem Wegschauen übernimmt er nun originäre | |
AfD-Forderungen“, freute sich der Vorsitzende der Hamburger AfD-Fraktion, | |
Dirk Nockemann. | |
Wäre das nicht so bitter, könnte man beinahe lachen. Denn gerade Kazım | |
Abacı inszenierte sich noch im Januar als großer Demokratieverteidiger und | |
organisierte nach der „Correctiv“-Recherche über ein Treffen von | |
Rechtsextremen eine [4][Kundgebung gegen die AfD]. | |
Neben dieser freuten sich auch die CDU und die FDP über die Forderung von | |
Abacı. Kritik kam hingegen von den Linken, Grünen und sogar aus der eigenen | |
Partei: „Eine mögliche Arbeitspflicht für Geflüchtete ist eine sehr | |
zugespitzte Forderung, der sicher nicht alle zustimmen können“, | |
distanzierte sich der SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Bei der Forderung | |
handele es sich um eine Einzelmeinung, die auch nicht Teil der Beratungen | |
in der rot-grünen Koalition sei, stellte auch die | |
Grünen-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg klar. | |
Ob Einzelmeinung oder nicht: Abacı ist offizieller Sprecher seiner Fraktion | |
für Migration und Integration. Seine Äußerungen können nicht getrennt von | |
dieser Rolle betrachtet werden. Abacı wollte sich angesichts der Kritik | |
damit retten, dass er betonte, nur eine „Verpflichtung zu einer | |
gemeinnützigen Arbeit“ zu fordern. Das macht das Ganze allerdings noch | |
schlimmer, denn „gemeinnützig“ ist einfach nur ein schönes Wort für | |
„unbezahlt“. Die Tätigkeiten, die Abaci vorschlägt – etwa in der | |
Seniorenhilfe oder Grünflächenpflege – werden von deutschen Arbeitnehmern | |
als reguläre Jobs ausgeübt, für die der Mindestlohn gilt. Abacı will | |
dagegen, dass Geflüchtete bis zu vier Stunden täglich zu dieser Arbeit | |
verpflichtet und dafür mit nur 80 Cent pro Stunde entlohnt werden. | |
Die Forderung ist auch deshalb absurd, weil viele Geflüchtete in | |
Deutschland gar [5][nicht arbeiten dürfen], obwohl sie gern wollen. Anträge | |
auf Arbeitserlaubnisse werden oft monatelang nicht bearbeitet oder | |
abgelehnt. Bevor Abacı eine Arbeitspflicht fordert, sollte er sich in | |
seiner Partei dafür einsetzen, dass Arbeitsverbote aufgehoben und | |
bürokratische Hindernisse abgebaut werden. | |
Es ist zwar keine große Überraschung, dass es in den Reihen der | |
Sozialdemokraten Opportunisten wie Abacı gibt, die ihre Fahne je nach | |
Diskursklima in den Wind hängen und auch vor Populismus gegen Geflüchtete | |
keinen Halt machen. So eine Forderung direkt nach den [6][Wahlerfolgen der | |
AfD in Sachsen und Thüringen] zu äußern, zeugt jedoch von einer neuen | |
Qualität des Rechtsrucks. | |
6 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Analyse-der-Wahlergebnisse-seit-1994/!6033149 | |
[2] https://www.abendblatt.de/hamburg/politik/article407168527/arbeitspflicht-f… | |
[3] /Vorwurf-des-Sozialtourismus/!5884530 | |
[4] /Ueber-80000-Menschen-gegen-Rechts/!5986734 | |
[5] https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/arbeitskraefte/gefluechtete-besch… | |
[6] /AfD-Erfolge-in-Thueringen-und-Sachsen/!6033623 | |
## AUTOREN | |
Marta Ahmedov | |
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