# taz.de -- Traditionserlass bei der Bundeswehr: Mehr Wehrmacht wagen | |
> Die Bundeswehr erweitert den Kanon ihrer Soldaten, in deren Tradition sie | |
> stehen will. Bei manchen Wehrmachts-Soldaten will man es nicht mehr so | |
> eng sehen. | |
Bild: Erich Hartmann (1. v.l.) war einer der erfolgreichsten Jagdflieger der We… | |
Berlin taz | Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene | |
Zeitenwende verändert jetzt auch die Traditionspflege bei der Bundeswehr. | |
Bislang regelt der Traditionserlass von 2018 die Erinnerungskultur in der | |
Truppe, die angesichts der deutschen Geschichte und der Gräueltaten der | |
Wehrmacht durchaus heikel ist. Dieser Erlass bleibt weiter gültig, wird | |
jetzt aber ergänzt: Die Bundeswehr will künftig mehr die Kriegstüchtigkeit | |
betonen, [1][die Verteidigungsminister Boris Pistorius angesichts des | |
russischen Krieges gegen die Ukraine proklamiert.] | |
Im [2][Traditionserlass] von 2018 wird die Wehrmacht als ganzes als nicht | |
traditionswürdig bezeichnet. Einzelne Wehrmachts-Soldaten können aber in | |
das Traditionsgut der Bundeswehr aufgenommen werden, vorausgesetzt sie | |
haben sich durch eine Leistung, wie eine „Beteiligung am militärischen | |
Widerstand“ gegen die Nationalsozialisten, ausgezeichnet. | |
Jetzt soll diese Regelung erweitert werden: Fortan sollen „nicht nur | |
diejenigen Angehörigen der Wehrmacht, die dem militärischen Widerstand | |
zuzuordnen sind“, sondern auch solche, die nach 1945 beim Aufbau der | |
Bundeswehr mitgewirkt haben, in den Traditions-Kanon der Bundeswehr | |
aufgenommen werden. Denn, so heißt es in den [3][ergänzenden Hinweisen], | |
die der Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte | |
im Verteidigungsministerium, Generalleutnant Kai Rohrschneider, am 12. Juli | |
2024 intern verschickt hat: „Die rund 40.000 von der Wehrmacht übernommenen | |
ehemaligen Soldaten hatten sich zu großen Teilen im Gefecht bewährt und | |
verfügten somit über Kriegserfahrungen, die beim Aufbau der Bundeswehr | |
unentbehrlich waren.“ | |
Künftig brauche die Bundeswehr deshalb Beispiele „für militärische | |
Exzellenz, Einsatzbereitschaft und den Willen zum Kampf zum Ziel, wenn es | |
der Auftrag erfordert“, begründet Rohrschneider die ergänzenden Hinweise in | |
einer Weisung. Gleichzeitig warnt die Ergänzung aber auch davor, | |
Kriegstüchtigkeit auf das „Fallen im Einsatz“ zu reduzieren. Das bleibe | |
zwar „unzweifelhaft Beispiel für soldatische Tugenden wie treues und | |
tapferes Dienen“, aber: „Es ist jedoch nicht per se als Beispiel für | |
traditionsstiftende militärische Exzellenz, herausragende Haltung oder | |
militärischen Erfolg geeignet.“ | |
## NSDAP-Mitglied gewesen zu sein, ist okay | |
Angehängt ist der Ergänzung eine Liste 24 „traditionsstiftender Personen“. | |
Dort findet sich dann unter anderen Brigadegeneral Heinz Karst, der in der | |
Bundeswehr die „Überbetonung des zivilen Anteils an der Inneren Führung“ | |
kritisiert habe. Das Verteidigungsministerium weiß über ihn anerkennend zu | |
berichten: „Wurde für seine auf Kriegstauglichkeit gerichteten Positionen | |
Anfang der 70er Jahre unter anderem durch das Spiegel-Magazin öffentlich | |
kritisiert.“ | |
Oder Oberst Erich Hartmann, wegen 352 Luftsiegen im Zweiten Weltkrieg | |
„erfolgreichster Jagdflieger der Militärluftfahrt“. Später habe er | |
„wohlargumentiert die Einführung des ‚Starfighters‘“ kritisiert, also … | |
Kampfflugzeuges, das für seine hohe Absturzrate berüchtigt war. Ebenfalls | |
gewürdigt wird Konteradmiral Erich Topp „im Zweiten Weltkrieg einer der | |
erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten“. Denn das frühere Mitglied von NSDAP | |
und SS „setzte sich nach 1945 sehr kritisch mit der eigenen Vita sowie der | |
Rolle der Kriegsmarine im Zweiten Weltkrieg auseinander“. | |
Wehrmachtssoldaten zu würdigen, sei generell problematisch, findet dagegen | |
Günter Knebel von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Damit | |
würden sie aufs „rein Soldatische“ reduziert: „Hier wird der Kontext au�… | |
acht gelassen, in dem die Soldaten gekämpft haben“, kritisiert er. | |
Zeitlose soldatische Tugenden gebe es nicht, betont auch Jakob Knab, | |
Sprecher der Initiative gegen falsche Glorie, die sich kritisch mit der | |
Traditionspflege der Bundeswehr auseinandersetzt. „So wird die | |
Kriegstüchtigkeit der Wehrmacht enthistorisiert und damit entnazifiziert.“ | |
Mit der Ergänzung werde der Traditionserlass „in die falsche Richtung | |
gelenkt“, kritisiert Knab. Die Bundeswehr solle nicht kriegstüchtig, | |
sondern abwehrbereit sein: „Es reicht, wenn sie ihren Soldateneid | |
ernstnehmen, da braucht man keine Vorbilder aus der Wehrmacht.“ | |
8 Aug 2024 | |
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[2] https://www.bmvg.de/resource/blob/23234/6a93123be919584d48e16c45a5d52c10/20… | |
[3] https://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Links/BMVg202407… | |
## AUTOREN | |
Dirk Eckert | |
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