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# taz.de -- Religion in der Ukraine: Nächstes Kapitel im Kirchenkampf
> Das ukrainische Parlament beschließt ein Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen
> Kirche (Moskauer Patriarchat). Mit Widerstand ist zu rechnen.
Bild: Ukrainisch-Orthodoxe Kirche in Kiew
Berlin taz | Das ukrainische Parlament hat am Dienstag ein Gesetz über ein
Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UPZ, früher Moskauer Patriarchiat)
verabschiedet. Das teilte der Abgeordnete Jaroslaw Schelesnjak auf seinem
Telegram-Kanal mit. Dafür stimmten 265 Volksvertreter*innen, 33 votierten
dagegen oder enthielten sich der Stimme.
Das Gesetz „verbietet Aktivitäten ausländischer religiöser Organisationen
in der Ukraine, die in einem Land ansässig sind, das der ukrainische Staat
als Aggressor gegen sich einstuft“. Weiter heißt es in der neuen
Vorschrift, dass keine der Bestimmungen als Einschränkung der Religions-
oder Glaubensfreiheit, des Rechts auf Ausübung religiöser Praktiken oder
religiöser Riten ausgelegt werden könne.
Laut Schelesnjak werde das Gesetz 30 Tage nach seiner Veröffentlichung in
Kraft treten. Die Gemeinden der UPZ hätten ab dann jedoch noch neun Monate
Zeit, um ihre Beziehungen zur Russisch-Orthodoxen Kirche abzubrechen. Die
Regierung hatte bereits im Januar 2023 das Gesetz zum Verbot religiöser
Organisationen, das in erster Linie auf die UPZ zielt, ins Parlament
eingebracht.
Am 19. Oktober 2023 nahm die Verchowna Rada das Gesetz in erster Lesung an.
Danach tat sich nichts. Vor knapp einem Monat, am 23. Juli, blockierten
aufgebrachte Abgeordnete den Plenarsaal, um eine erneute Befassung mit dem
Gesetz zu erzwingen. Die Sitzung wurde unterbrochen und für August
angesetzt.
## Bisweilen gewalttätig
Das Votum vom Dienstag beendet eine weitere Etappe religiöser
Streitigkeiten, die bisweilen auch gewalttätig waren. Dabei ist die
Kirchenlandschaft in der Ukraine von jeher äußerst komplex. Ab Anfang der
90er Jahre und damit nach der Unabhängigkeit des Landes gab es neben der
Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) noch zwei weitere
orthodoxe Kirchen: die ukrainisch-orthodoxe Kirche (Kyjiwer Patriarchiat)
sowie die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche.
Die beiden Letzteren schlossen sich im Dezember 2018 zusammen und gingen
[1][in der Orthodoxen Kirche der Ukraine (PZU)] auf. Maßgeblich
vorangetrieben hatte diesen Prozess der damalige Präsident Petro
Poroschenko, der mit dem Slogan „Armee, Sprache, Glaube“ in den Wahlkampf“
zog. Am 6. Januar 2019 erklärte der Ökumenische Patriarch von
Konstantinopel sie für eigenständig.
Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits viele Kirchenmänner der UPZ als
Moskaus langer Arm diskreditiert. So sprach Metropolit Onufri 2015 von
einem „Bürgerkrieg“ in der Ostukraine und betete somit die Narrative des
Kremls nach – ähnlich wie der Moskauer Patriarch Kyrill, der Russlands
Angriffskrieg gegen die Ukraine als „heiligen Krieg“ rechtfertigt.
Dessen Beginn am 24. Februar 2022 stellte auch die UPZ vor ein Dilemma.
Zwar verurteilte Onufri die „Spezialoperation“. Seine Kirche unterstütze
die Ukraine, ihre Armee und Binnenflüchtlinge, im Mai 2022 erklärte der Rat
der UPZ die Kirche für vollkommen unabhängig vom Moskauer Patriarchat.
## Kollaboration mit den Besatzern
Gleichzeitig wurden jedoch immer mehr Fälle von Popen der UPZ bekannt, die
mit den russischen Besatzern kollaborierten. Ab Dezember 2022 griff der
Staat durch mit Sanktionen und Strafverfahren gegen Vertreter der UPZ sowie
Razzien in kirchlichen Liegenschaften, wie in dem von der UPZ genutzten
[2][Kyjiwer Höhlenkloster], einem der wichtigsten Heiligtümer in der
Ukraine.
Ob jetzt an der religiösen Front Ruhe einkehrt, ist zu bezweifeln. Die
Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharow, warf Kyjiw
vor, „die zutiefst kanonische, wahre Orthodoxie zu vernichten“. Der Kyjiwer
Politologe Wolodymir Fesenko erwartet großen Widerstand gegen die Umsetzung
des Gesetzes – vor allem juristisch, schreibt er in einem Beitrag für das
Webportal Novoje vremja. Das Gesetz werde mit Sicherheit angefochten vor
dem ukrainischen Verfassungsgericht, aber auch dem Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte.
20 Aug 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Barbara Oertel
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