# taz.de -- Religion in der Ukraine: Auf dem Weg zum Kirchenverbot | |
> Ein Gesetz soll die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, die Moskau nahe steht, | |
> in der Ukraine verbieten. Es hat im Parlament die erste Hürde genommen. | |
Bild: Kyjiwer Höhlenkloster, war an die UPZ verpachtet | |
BERLIN taz | Die Luft für die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UPZ, früher | |
Moskauer Patriarchiat) wird dünner: Am Donnerstag stimmte das ukrainische | |
Parlament in erster Lesung für ein Gesetz, das einem Verbot der UPZ den Weg | |
ebnet. Mit Ja stimmten 267 Abgeordnete, 34 stimmten dagegen bzw. enthielten | |
sich. | |
Die Gesetzesvorlage sieht vor, dass die Tätigkeit religiöser Organisationen | |
verboten werden kann, die organisatorisch mit der Russisch-Orthodoxen | |
Kirche (RPZ) verbunden sind. Sie war von der Regierung auf Initiative des | |
ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski bereits im Januar dieses Jahres | |
ins Parlament eingebracht worden, lag seitdem jedoch auf Eis. | |
Derzeit existieren in der Ukraine zwei orthodoxe Kirchen: Neben der UPZ | |
gibt es auch noch die Orthodoxe Kirche der Ukraine (PZU). Sie war 2018 aus | |
dem Zusammenschluss zweier nationaler orthodoxer Kirchen in der Ukraine | |
hervorgegangen. Am 6. Januar hatte sie der Ökumenische Patriarch von | |
Konstantinopel, Bartholomäus I., für eigenständig erklärt. | |
Seit dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat der | |
„Kirchenkampf“ erheblich an Schärfe zugenommen. Mit ein Grund dafür ist | |
[1][die Haltung des Moskauer Patriarchen Kyrill I.], der den Kriegskurs des | |
Kreml vorbehaltlos unterstützt und rechtfertigt. So bezeichnete er die | |
sogenannte militärische Spezialoperation als „metaphysischen Kampf“ im | |
Namen „des Rechts, sich auf der Seite des Lichts zu positionieren“. Auch | |
segnet er gerne Soldaten, bevor sie an die Front in der Ukraine geschickt | |
werden. | |
## Im Visier | |
Seit November 2022 haben die ukrainischen Behörden [2][die UPZ verstärkt im | |
Visier]. So wurden in Kirchengebäuden mehrmals Razzien durchgeführt. | |
Angaben des ukrainischen Geheimdienstes SBU zufolge seien derzeit 68 | |
Strafverfahren gegen Vertreter der UPZ anhängig. Die Vorwürfe lauten auf | |
„Subversion, Hochverrat und Kollaboration“. | |
Gegen Kleriker wurden Sanktionen verhängt, Kirchenoberen wurde die | |
Staatsbürgerschaft entzogen. Der Konflikt wurde auch um das Kyjiwer | |
Höhlenkloster ausgetragen, das an die UPZ verpachtet war. [3][Den Vertrag | |
hat der ukrainische Staat aufgekündigt]. Die dort verbliebenen Vertreter | |
der UPZ sollen die Klosteranlage, die zum UNESCO-Welterbe gehört, | |
verlassen. Das Tauziehen dauert seit mehreren Monaten an. | |
Selbst wenn das Parlament den Gesetzentwurf schlussendlich absegnet, könnte | |
sich ein Verbotsprozess hinziehen. Zunächst muss der Staatliche Dienst für | |
Ethnopolitik und Gewissensfreiheit feststellen, dass eine bestimmte | |
religiöse Organisation ihren Sitz in Russland hat. | |
Danach erteilt der Dienst der Kirche den Auftrag, die Situation zu | |
korrigieren. Geschieht dies jedoch nicht, reicht er eine Klage gegen diese | |
juristische Person vor Gericht ein, das dann über das Verbot entscheiden | |
muss. | |
## Langes Klageverfahren | |
Doch dieses Klageverfahren könnte dauern. Zudem existiert die UPZ nicht als | |
eine einzige juristische Person, sondern es gibt separate Organisationen, | |
gegen die Ansprüche eingereicht werden müssen: der Metropolit in Kyjiw, | |
Diözesen (mehr als fünfzig) und tausende Gemeinden. In der Ukraine beläuft | |
sich die Zahl solcher juristischen Personen auf 9.000. | |
Die UPZ reagierte umgehend auf die Abstimmung im Parlament. Der Text sei | |
verbesserungswürdig, denn er verletze das Recht auf Religionsfreiheit. | |
Zudem widerspreche er der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie der | |
Verfassung der Ukraine, hieß es in einer ersten Stellungnahme. Die UPZ wird | |
nicht müde, darauf zu verweisen, dass sie sich am 27. Mai 2022 von Moskau | |
losgesagt habe. Dies sei ja wohl genug der Distanzierung von Russland. | |
Allerdings wurde dieser Schritt kirchenrechtlich bislang nicht | |
nachvollzogen. | |
Derweil werden anders Fakten geschaffen. Laut des Monitoring-Projektes | |
„Opendatabot“, das die Webseite euronews.com zitiert, sollen seit dem 24. | |
Februar 2022 nicht weniger als 277 Gemeinden von der UPZ zur PZU gewechselt | |
sein. Jüngsten Erhebungen zufolge sprechen sich mittlerweile mehr als 50 | |
Prozent der Befragten für die Eigenständigkeit ihrer orthodoxen Kirche in | |
der Ukraine aus. Wann die nächste Lesung des Gesetzes über die Bühne gehen | |
soll, ist derzeit nicht bekannt. | |
20 Oct 2023 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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